AL12CR02

AS (2012) CR 02

 

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2012

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(1. Teil)

BERICHT

2. SITZUNG

Montag, 23. Januar 2012, 15.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH

Andreas GROSS, Schweiz, SOC

(Dok. 12830)

Danke, Herr Präsident!

Meine Damen und Herren,

ich möchte nicht über Russland reden, denn wir können Donnerstag Nachmittag darauf zurück kommen.

Auch über Ungarn möchte ich nicht sprechen, obwohl ich es für eine Schande halte, dass ein mitten in Europa gelegenes Land, ein historischer Teil Europas, heute eine Regierung hat, welche die grundsätzlichen Menschenrechte, die Freiheit der Andersdenkenden, die Autonomie des Parlamentes und der Medien missachtet. Wir Sozialdemokraten werden in dieser Woche bei jeder möglichen Frage darauf zurück kommen, denn darüber dürfen wir nicht hinweggehen.

Meines Erachtens fehlen jedoch zwei Dinge in diesem Bericht: Wenn heute nur noch 30% der Bürgerinnen und Bürger in Europa Demokratie ernst nehmen und in ihr eine Lösung ihrer Probleme sehen, dann ist das alarmierend für ein Gremium, das damit eher ein Krankenhaus als ein „Haus der Demokratie“ ist.

Einer der Gründe dafür ist die Tatsache, dass in 4 oder 5 Ländern 50% der Jugendlichen unter 25 Jahren keine Lohnarbeitsperspektive haben. Das ist ein Skandal, der uns beschäftigen muss. Wir Sozialdemokraten werden deshalb eine Motion einreichen und einen Bericht zu der Zukunftslosigkeit vieler junger Leute anregen.

Diese Zukunftslosigkeit stellt auch die Demokratie und die Menschenrechte in Frage, denn ein hungernder Mensch kann kein Demokrat sein und kann auf jeden Fall nicht an Demokratie glauben.

Der 2. Punkt, der in diesem Bericht fehlt, ist Tunesien. Wir haben uns seit einem Jahr enorm bemüht, die tunesische Bewegung zu unterstützen. Tunesien, das wir bei den Wahlen begleitet haben, ist die große Erfolgsgeschichte im südlichen Teil des Mittelmeers. Tunesien hat es fertig gebracht, ein Jahr nach einer echten Revolution alle Institutionen neu aufzubauen, und besitzt heute eine verfassungsgebende Versammlung, die, wie wir letzte Woche im persönlichen Kontakt mit den Menschen gesehen haben, sehr gut arbeitet.

Doch auch dort gibt es ein großes Problem, von dem alle gesprochen haben: Wenn wir nicht wollen, dass die Demokratie ein Luxus der Reichen bleibt bzw. wird, müssen wir dafür sorgen, dass eine Million Tunesier, also ein Drittel der Menschen in diesem Land, Arbeit finden.

Wir müssen in Europa Investitionen anstrengen, damit in Tunesien und anderen Ländern südlich des Mittelmeers die Menschen eine Existenz bekommen, denn sonst werden alle Bemühungen für die Demokratie, für eine korrekte Verfassung, für ein anständiges parlamentarisches System zunichte gemacht.

Das dürfen wir nicht geschehen lassen. Dieser Appell muss bei uns besser verstanden werden.

Vielen Dank.

Maximilian REIMANN, Schweiz, ALDE / ADLE

(Freie Debatte)

Herr Präsident, zuvor auch mein Glückwunsch zu Ihrer neuen politischen Herausforderung!

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen!

Ich möchte mich zur aktuellen Lage im Asylwesen, insbesondere zur so genannten Wirtschaftsmigration äußern, die derzeit von Afrika mit Ziel Europa in vollem Gange ist.

Mein Votum hat entsprechend das aus meiner Sicht ungenügende Dubliner Abkommen über das Asylverfahren zum Inhalt und richtet sich spezifisch auch an unsere Migrationskommission, ebenso wie an unser Nord-Süd-Zentrum, das durch Kollegen Kimmo Sasi hier vertreten ist.

Europa steht derzeit im Bann einer neuen Migrationswelle, die neuen Höchstständen entgegen tendiert. Allein in meinem Land, der Schweiz, liegen die Asylgesuche im Jahr 2011 volle 45% über jenen des Vorjahres. Das kann auch den Europarat nicht ungerührt lassen.

Wir wissen, dass 90% dieser Migranten keine an Leib und Leben bedrohten Personen sind. Es sind zumeist junge Leute, die ein besseres Leben auf einem anderen Kontinent suchen. Wir können ihnen das leider nicht so bieten.

Deshalb, meine ich, besteht hier Handlungsbedarf, insbesondere Aufklärungsbedarf, der gerade auch von unserem Nord-Süd-Zentrum mit Sitz in Lissabon erbracht werden kann. Man muss diesen migrationswilligen jungen Leuten mit allen Mitteln der Information beizubringen versuchen, dass ihre Aufgabe primär im Aufbau und in der Entwicklung ihres Heimatlandes besteht, und bis auf Weiteres nicht in der Suche nach persönlichen Vorteilen im Ausland.

Gleichzeitig möchte ich meinem Missmut, meiner Enttäuschung über das ungenügende Funktionieren des Dubliner Abkommens Ausdruck geben. Dieses Abkommen war in der Schweiz seinerzeit nach intensivem Abstimmungskampf nur sehr knapp angenommen worden. Mit dem Wissensstand von heute wäre wohl ein Nein an der Urne resultiert.

Rückübernahmen von unechten Flüchtlingen gemäß dem Dubliner Abkommen sind nämlich zur Ausnahme geworden. Italien beispielsweise lässt pro Tag aus der Schweiz gerade mal drei Rückübernahmen zu, und dies nur auf dem Luftweg, und nicht etwa auf dem Landweg über die gemeinsame Grenze.

Es ist mir klar, dass Italien wie auch Griechenland oder Malta exponiert und entsprechend überfordert sind. aber dann gestehen wir das politisch doch ein und täuschen nicht Lösungen vor, die in der praktischen Durchsetzung versagen. Auch das gehört meines Erachtens zur Rechtsstaatlichkeit und zur Ethik in der Politik.

Ich wünschte mir, der Europarat – und insbesondere seine Migrationskommission – nähmen sich gelegentlich vermehrt dieser Problematik an.