AL12CR05

AS (2012) CR 05

 

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2012

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(1. Teil)

BERICHT

5. SITZUNG

Mittwoch, 25. Januar 2012, 10.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH

Marieluise BECK, Deutschland, ALDE / ADLE

(Dok. 12820)

Recht schönen Dank, Frau Präsidentin!

Wir unterstützen den Bericht und bedanken uns bei dem Berichterstatter für eine Aufgabe, die sehr schwierig war, weil er das Land nicht bereisen durfte.

Ich möchte noch einmal betonen, dass Weißrussland, Belarus, zu der Familie der europäischen Völker gehört. Die europäischen Völker haben sich darauf geeinigt, dass die Todesstrafe mit unserem Menschenrechtsverständnis nicht zu vereinbaren ist.

Wir müssen davon ausgehen, dass in Belarus dennoch seit 1991 etwa vierhundertmal die Todesstrafe vollzogen worden ist. Wir müssen dieses Land einladen, in die Familie der europäischen Staaten zurückzukehren und sich von der Todesstrafe zu verabschieden, ein Moratorium auszusprechen und keine Todesstrafen mehr auszuführen, sowie die Todesstrafe gesetzlich abzuschaffen. Das ist unendlich wichtig.  

Diese Aufforderung hat Aktualität bekommen durch einen Aufsehen erregenden Prozess gegen zwei junge Männer, Wladislaw Kowaljow und Dimitri Konowalow. Die Mutter des einen, 19-jährigen jungen Mannes, war hier. Ihnen wird zur Last gelegt, für einen Sprengstoffanschlag in der Minsker U-Bahn verantwortlich zu sein.

Zum Verfahren: Einer der jungen Männer hat im Gericht erklärt, dass sein Geständnis durch Folter zustande gekommen sei. Er habe im Nachbarraum die Schreie seines jungen Freundes gehört. Der Hauptangeklagte hatte sichtbare Spuren von Verletzungen; er konnte kaum sitzen. Auch das wurde im Gerichtsraum bemerkt.

Der Präsident gab am Tag nach diesem Anschlag öffentlich die Verhaftung bekannt und erklärte, dass die beiden Männer schuldig seien. Dies widerspricht in einem Rechtsstaat der Regel der Unschuldsvermutung. Das Tatmotiv, nämlich Destabilisierung des Staates Belarus, war so formuliert, dass selbst derjenige, dem es zur Last gelegt wurde, den Begriff der Destabilisierung im Gerichtsraum nicht erklären konnte.

Zudem wurden Zeugen durch sehr, sehr weitreichende Einschüchterung gegenüber Angehörigen unter Druck gesetzt. Alles das gehört nicht in einen Rechtsstaat. Verfahren, die mit einer Todesstrafe ausgehen und solche dramatischen Verfahrensmängel sind eine unglaubliche Gefährdung von Menschenrechten.

Auf dieser Basis möchte ich noch einmal ganz dringlich von diesem Platz auffordern, nach diesem Verfahren mit nur einer Instanz, keiner Möglichkeit der Revision und diesen ganz offensichtlichen Verfahrensmängeln, die Todesstrafe nicht zu vollstrecken. Es wäre eine Ungeheuerlichkeit gegenüber zwei so jungen Menschen, und ich hoffe, dass der Europarat genug Stimme hat, um diese drohenden Hinrichtungen abzuwenden.

Hoffentlich bemühen wir uns alle, darauf einzuwirken. Unsere Möglichkeiten, den Präsidenten von Belarus zu erreichen, sind derzeit gering. Die russischen Kollegen befürworten einen anderen Weg – den des Dialogs. Man kann darüber geteilter Meinung sein; die Europäische Union hatte diesen Weg versucht. Dennoch möchte ich die russischen Kollegen auffordern, ihre Möglichkeiten zu nutzen, wenn sie sie denn haben, um dafür Sorge zu tragen, dass der dramatische Umgang mit Häftlingen und Verurteilten in Belarus sich ändert.

Schönen Dank.

Andrej HUNKO, Deutschland, UEL/GUE

(Dok. 12820)

Vielen Dank Frau Präsidentin,
Meine Damen und Herren!

Auch die Linksfraktion hier in der Parlamentarischen Versammlung verurteilt eindeutig die Aufrechterhaltung der Todesstrafe in Belarus, die Unterdrückung der politischen Opposition und die Einschränkung der Meinungsfreiheit. Auch unsere Schwesterpartei in Belarus, die Linkspartei „Gerechte Welt“, ist Opfer dieser Unterdrückung.

Ich möchte die Frage aufwerfen, wie wir als Parlamentarische Versammlung des Europarates eigentlich weiter mit dieser Situation umgehen wollen. Wir hatten gewisse Hoffnungen: Im November 2010 gab es die Äußerung Lukaschenkos, der sich persönlich für ein Moratorium für die Todesstrafe aussprach, doch am 19. Dezember kam dann der Rückschlag. Verschiedene Diskussionen und Berichte hier haben die Entwicklung in Belarus verurteilt.

Zwischenzeitlich gab es wieder kleine Zeichnung der Hoffnung, einige Entlassungen aus den Gefängnissen, in den letzten Wochen jedoch leider auch wieder schwere Rückschläge und die neuen Todesurteile. All das ist nicht hinnehmbar.

Der gegenwärtige Bericht fordert jetzt weitere, verstärkte Sanktionen, auch von der Europäischen Union. Ich stelle mir die Frage, ob wir auf diesem Wege weiterkommen.

Ich möchte auch daran erinnern, dass es zwar auf der einen Seite Sanktionen gibt, aber auf der anderen Seite über die EU-Agentur Frontex, die die Flüchtlingsabwehr koordiniert, nach wie vor eine enge Kooperation der europäischen und auch der deutschen mit der weißrussischen Polizei; die Grenze der Europäischen Union verläuft genau zwischen Polen und Weißrussland. Diese Kooperation einerseits und die Sanktionen andererseits - das ist ein wenig unglaubwürdig.

Als Vertreter eines deutschen Parlamentes möchte ich auch daran erinnern, dass Belarus historisch große Opfer bringen musste. Wir haben in Deutschland eine große Sensibilität, was die Behandlung und die Kritik an der Politik Israels angeht. Diese Sensibilität ist gut und richtig, weil es den Holocaust gegeben hat.

Aber im Zweiten Weltkrieg sind auch in Belarus 20 Prozent der Menschen von der deutschen Wehrmacht umgebracht worden und 80 Prozent der Infrastruktur wurden zerstört. Auch da würde ich mir eine gewisse Sensibilität wünschen.

Ich denke, wir sollten ganz eindeutig und glaubwürdig die erneute Repression in Belarus verurteilen. Aber es muss gleichzeitig auch eine Perspektive geben, damit sich die Situation dort ändert. Wir müssen auch einen Weg des Dialoges aufrechterhalten, sonst fürchte ich, dass die Situation weiter eskalieren wird.

Das will niemand von uns und ich hoffe sehr, dass in den nächsten Wochen von Lukaschenko eindeutige Zeichen kommen, die auch denjenigen in dieser Versammlung, die den Dialog wollen, den Rücken stärken.

Vielen Dank.

Marina SCHUSTER, Deutschland, ALDE / ADLE

(Dok. 12820)

Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich danke Herrn Herkel und Frau Beck für ihre glasklaren Berichte.

Belarus ist das einzige europäische Land, das nach wie vor die Todesstrafe vollstreckt. Frau Beck hat bereits erwähnt, dass es seit 1991 ca. 400 Hinrichtungen gegeben hat. Das ist unvereinbar mit der Europäischen Menschenrechtskommission. Darüber hinaus ist es eine archaische Strafe, die weltweit abgeschafft gehört.

Ich fordere Belarus auf, die Todesstrafe abzuschaffen, mindestens aber ein Moratorium zu erlassen; es haben bereits 250 000 Menschen eine Online-Petition an Lukaschenko gezeichnet, die Hinrichtungen zu stoppen.

Bei dieser Gelegenheit, und weil wir bei dem wichtigen Kampf gegen die Todesstrafe sind, fordere ich auch alle anderen Staaten weltweit auf, die nach wie vor die Todesstrafe vollstrecken, dies zu unterlassen: China, Japan, Äquatorialguinea, Iran, Somalia, Jemen, Nordkorea, Syrien, die USA – die Liste ist noch viel länger. Es hängt allein vom politischen Willen ab, die Todesstrafe abzuschaffen. Egal, ob ein Staat arm oder reich ist oder wie seine Verfassung geartet ist - man kann, soll und muss die Todesstrafe abschaffen.

Es ist skandalös, wie in Belarus Menschenrechtsverteidiger, Oppositionelle und Journalisten behandelt werden. Sie sehen sich Schikanen, Druck und Repression ausgesetzt. Es gibt willkürliche Verhaftungen.

Ich fordere an dieser Stelle Belarus auf, alle politischen Gefangenen freizulassen. Ich selbst habe über die Organisation „Libereco“ eine Gefangenenpatenschaft für Pavel Vinahradau übernommen. Er hat gegen die Wahlfälschungen demonstriert, wurde verhaftet und am 5. Mai letzten Jahres zu vier Jahren Haft verurteilt. Ich bin sehr froh und dankbar, dass er mittlerweile am 14. September freigelassen wurde, und hoffe, dass es ihm gut geht.

Nach wie vor befinden sich jedoch weitere politische Gefangene in Haft, darunter der oppositionelle Präsidentschaftskandidat Andrej Sannikow. Ich habe heute morgen erfahren, dass seine Frau, Irina Chalip, ihn gestern erstmals seit August in Haft besuchen konnte. Sie hat heute morgen eine Pressekonferenz gegeben, weil der Gesundheitszustand von Andrej Sannikow dramatisch schlecht ist.

Er wird gefoltert und es besteht die große Gefahr, dass er stirbt. Deswegen fordere ich alle Gremien auf, ihren Einfluss geltend zu machen, damit dies verhindert wird. Weil Herr Fedorov betont hat, er sei der Bruder der Weißrussen, steht er damit besonders in der Verantwortung, seinen Einfluss gegenüber dem Regime Lukaschenko geltend zu machen.

Zum Abschluss möchte ich auf Punkt 44 des Memorandums hinweisen, in dem das „law on mass events“ erwähnt wird, das sogar die stillen Proteste unter Strafe stellt. Auch das ist unvereinbar mit der Europäischen Menschenrechtskonvention und den Werten, die wir hier vertreten. Es ist unsere Aufgabe, für Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaat einzutreten.

Deswegen bitte ich die Versammlung um Unterstützung für die beiden glasklaren Resolutionen und um ein klares Signal der Parlamentarischen Versammlung.

Renate WOHLWEND, Liechtenstein, EPP/CD / PPE/DC

(Dok. 12820)

Herr Präsident!

Wie meine Kollegen und Sie, Herr Präsident, wissen, bin ich die Berichterstatterin des Rechtsausschusses zur Abschaffung der Todesstrafe in den Europaratsstaaten sowie in den Beobachterstaaten des Europarates, und kann daher nur unterstreichen, was alle meine Vorredner zum Thema Abschaffung der Todesstrafe und sofortiges Moratorium für die Todesstrafe gesagt haben.

Es ist nicht mit anzusehen, dass mitten in Europa, in einem Land wie Weißrussland, nach wie vor die Todesstrafe verhängt und auch vollstreckt wird, dass Geständnisse durch Folter herausgequetscht werden, weil man einfach einen bestimmten Erfolg haben will, und diesen dann auch noch mit dem Tod sanktioniert.

Dankeschön.

Marieluise BECK, Deutschland, ALDE / ADLE

(Dok. 12820)

Herr Vorsitzender!

Wenn noch etwas Zeit ist, möchte ich die Gelegenheit nutzen, noch einmal an die eigene Arbeit des Europarates und die eigenen Kollegen zu erinnern.

Unser verehrter Kollege Pourgourides  hat im Jahr 2004 hier einen Bericht abgegeben, nach dem in Belarus 4 Menschen verschwunden sind. Sie sind bis zum heutigen Tag nicht wieder aufgefunden worden. Der Europarat, der doch immer sehr vorsichtig in seinen Stellungnahmen ist, hat sehr deutlich festgestellt, dass alle Spuren in das Zentrum der Macht führen.

Ich möchte noch einmal in Erinnerung rufen, dass es in Bezug auf Präsident Lukaschenko schon vor vielen Jahren hier eine sehr deutliche Stellungnahme gegeben hat und dass trotzdem versucht wurde, den Weg des Dialoges zu gehen.

Das Abbrechen des Dialogs stellt natürlich auch ein Problem dar. Ich erinnere daran, dass der zweite Dialog so geendet hat, wie wir am 19. Dezember gesehen haben, nämlich mit der Zerschlagung der gesamten politischen Opposition. Das halte ich deswegen noch einmal fest, damit wir wissen, dass wir nicht bei Punkt Null anfangen, sondern dass es eine lange Debatte zur Rolle von Präsident Lukaschenko in Belarus gibt.

Zweitens: Viele Angehörige der zur Zeit Inhaftierten berichten, dass sie massiv unter Druck gesetzt werden, damit sie nicht mehr in die Öffentlichkeit gehen, um zu berichten, welchem starken Druck, auch physischen Druck die Betroffenen in Haft ausgesetzt sind.

Heute Morgen hat die Gattin von Herrn Sannikow in einer Pressekonferenz ihre Besorgnis über den physischen Zustand Ihres Mannes geäußert. Es gibt Verlegungen zwischen Gefängnissen, bei denen die Menschen auf Tage verschwunden bleiben, während die Angehörigen in Sorge sind, was mit ihnen in diesen Tagen ohne jegliche Kommunikation geschieht.

Auch die Familie des einen zum Tode verurteilten jungen Mannes ist bedroht worden, immer mit der Vorgabe, sich nicht mit ihren Informationen an die Öffentlichkeit zu wenden. Das soll zur Isolierung der Menschen führen, die Lukaschenko als Geiseln in Haft hält und die letztlich niemanden mehr haben sollen, der für sie nach außen geht und sich für sie einsetzt.

Es ist sehr wichtig, dass wir deutlich machen, dass wir nicht schweigen werden, in der Hoffnung, diese Menschen zu retten, die völlig allein gelassen sind.

Ich wende mich noch einmal in allem Ernst an die russischen Kollegen. Wenn Sie für einen Zugang plädieren und wenn Sie sagen, die Weißrussen sind ein Brudervolk, mit dem Sie sich wirtschaftlich sehr eng verbunden haben, dann verfügen Sie ja über diese Verbindung zu Belarus. Sie müssten diese Verbindung wirklich nutzen können, um in dieser Weise auf die Einhaltung von Menschenrechten einzuwirken und so zu belegen, dass dieser Weg richtig ist.

Da Sie im Europarat auf der gemeinsamen Basis mit uns arbeiten, hoffe und wünsche mir, dass Sie wirklich alle Anstrengungen unternehmen, damit es zu einer Erleichterung und Verbesserung der Verhältnisse in Belarus kommt und die Menschen geschützt werden, um deren Leben es jetzt geht.