AL12CR23

AS (2012) CR 23

 

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2012

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(3. Teil)

BERICHT

23. SITZUNG

Mittwoch, 27. Juni 2012, 10.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH

Vilmos SZABÓ, Ungarn, SOC

(Dok. 12955, 12953)

Danke, sehr geehrter Herr Präsident!

Meine Damen und Herren!

Zuerst möchte ich den Berichterstattern meine Anerkennung für ihre Arbeit ausdrücken und gratulieren. Wir sind sicherlich alle damit einverstanden, dass das Thema zu den wichtigsten Herausforderungen unserer Zeit gehört.

Ich vertrete hier die ungarische Sozialdemokratie. Ich komme aus dem Land, das 1989/90 nach langen Jahrzehnten von der Diktatur befreit wurde und durch die Erschaffung eines demokratischen, freien und unabhängigen Staates in die Gemeinschaft der europäischen Nationen zurückgekehrt ist. In den letzten zwei Jahrzehnten waren wir hauptsächlich mit folgenden Themen beschäftigt: Die grundlegenden Menschenrechte wurden geltend, die demokratischen Institutionen der Rechtsstaatlichkeit und der Marktwirtschaft wurden ausgebaut und funktionsfähig gemacht.

Wir haben mit großer Freude und Genugtuung erfahren, dass wir auch auf dem Gebiet der Verwirklichung der Minderheitenrechte und des Minderheitenschutzes eine bedeutende Entwicklung erlebt haben. Für Ungarn ist das von grundlegender Bedeutung, weil ungarische Minderheiten in großer Zahl außerhalb der Landesgrenze leben und die Bewahrung ihrer nationalen Identität im 20. Jahrhundert in Gefahr geraten ist.

Wir haben auch erfahren, dass ein starker Staat nicht ohne eine starke Demokratie existieren kann. Eine starke Demokratie benötigt aber den starken Staat, der sein Potenzial verwendet, um die Erwartungen der Bürger zu erfüllen, besonders in der Geltendmachung der sozialen Gerechtigkeit.

Die im Bericht geschilderten negativen Tendenzen sind in den letzten 5-6 Jahren auch in Ungarn erschienen. Unser Land wird leider im Bericht mehrmals als negatives Beispiel erwähnt. Ungarn wird als eines der Länder genannt, in denen die Krise der Demokratie in extremer Form aufgetreten ist.

Die 2010 mit Zweidrittelmehrheit gewählte Fidesz-Regierung begrenzt die fundamentalen demokratischen Rechte. Das wurde auch eben auf der Tagesordnung des Europarates erwähnt.

Es ist auch wahr, dass die Behandlung und die Integration der Roma-Minderheit in Ungarn ein ernstes Problem darstellt. Ich möchte aber an dieser Stelle festhalten, dass ungarische Minderheiten außerhalb der ungarischen Grenze auch schwere Beleidigungen erlitten haben.

Bedauerlicherweise entspricht es auch der Wirklichkeit, dass eine rechtsextremistische, populistische Partei starke Unterstützung und Einfluss gewonnen hat und seit 2010 im ungarischen Parlament vertreten ist.

Wir haben eine große und historische Verantwortung. Ich bin einverstanden mit der Schlussfolgerung des Berichtes von Andreas Gross: Zur Verwirklichung der starken Demokratie muss man die Struktur der repräsentativen Demokratie verstärken, die Elemente der direkten Demokratie steigern.

Danke, Herr Vorsitzender, für die Aufmerksamkeit.

Alfred HEER, Schweiz, ADLE / ALDE

(Dok. 12955, 12953)

Geschätzte Frau Vorsitzende!

Auch ich möchte den Berichterstattern danken. Lassen Sie mich den großen Zürcher Schriftsteller Gottfried Keller (1819-1890) zitieren. Er hat einen Satz geprägt, der eigentlich eine Zusammenfassung der demokratischen Krise sein könnte: „Keine Regierung und keine Batallione vermögen Recht und Freiheit zu schützen, wo der Bürger nicht imstande ist, selber vor die Haustür zu treten und nachzusehen, was es gibt.“

Mit diesem Satz ist viel gesagt. Wir leben heute in Europa in einer globalisierten Welt; es ist nicht mehr die Welt, in der Gottfried Keller lebte.

Wir bzw. Sie, wie ich als Schweizer sagen muss, haben in mehreren Ländern den Euro eingeführt. Eine Einheitswährung ist problematisch, ebenso wie eine globalisierte Welt. Dass davon Wirtschaftskräfte profitieren, erscheint logisch, ebenso wie die Tatsache, dass wir in Konkurrenz zum asiatischen Markt stehen. Aber ich denke, das Grundproblem liegt darin, dass die demokratischen Strukturen mit der Globalisierung ganz einfach nicht Schritt halten konnten.

Auch ist es wohl zu einfach, die Schuld allein den internationalen Finanzmärkten zu geben. Ich möchte Sie daran erinnern, dass auch deutsche Landesbanken, die ja demokratisch kontrolliert werden, bei den Investitionen z.B. im amerikanischen Immobilienmarkt fleißig mitgemacht haben.

Auch die Resolution unter Punkt 6, dass wir regulatorische Defizite haben, wird hier festgehalten. Aber wir haben gerade in der Eurozone für die Länder auch die Bestimmung, dass die Verschuldung 60% des BIP nicht übersteigen darf. Diese Bestimmung wurde von verschiedenen EU-Ländern eben nicht eingehalten. Das ist natürlich ein Defizit, das letztendlich durch die Regierungen oder durch die Verwaltung verschuldet wurde, daher müssen sich Politikerinnen und Politiker hier natürlich selbst die Verantwortung eingestehen.

Aber selbstverständlich müssen wir das Streben nach mehr Demokratie unterstützen. Wir können faktisch in keinem Land über die Höhe der Steuern bestimmen; die Ausnahme ist auch hier die Schweiz. In keinem Land können wir über die Budgets bestimmen. Dass in der europäischen Bevölkerung natürlich eine große Verunsicherung vorherrscht, wenn die EZB bestimmt, wieviel Geld gedruckt wird, ist mir klar. Es wird einfach zu unübersichtlich.

Daher sollten wir uns vielleicht an die Worte von Gottfried Keller erinnern, die ich am Anfang zitiert habe.

Besten Dank.