AL15CR03

AS (2015) CR 03
Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2015

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(1. Teil)

BERICHT

03. Sitzung

Dienstag, 27. Januar 2015, 10.00 Uhr

Andrej HUNKO, Deutschland, UEL/GUE

(Dok. 13651)

Vielen Dank, Frau Präsidentin!

Zunächst möchte ich mich beim Berichterstatter, Herrn Sheridan, und dem Mitgrationsausschuss bedanken, dass sie mit diesem Bericht das Schicksal der Menschen in der Ostukraine in den Mittelpunkt gestellt haben. Wenn man den Blickwinkel der gegenwärtig am meisten betroffenen Menschen einnimmt, kann man auch am besten zu Lösungen kommen.

Eine Bemerkung zu den Zahlen: Nach den aktuellen Erhebungen der UNHCR sind etwa 600.000 Menschen aus der Ostukraine nach Russland geflohen, gegenwärtig vielleicht sogar noch mehr, während 600.000 sich als Vertriebene innerhalb der Ukraine aufhalten. Es gibt also weit mehr Flüchtlinge, als in dem Bericht steht. Vielleicht kann man diese Zahlen im Bericht aktualisieren. Dazu sind, wie wir alle wissen, über 5000 Menschen ums Leben gekommen. Die anderen Punkte wurden genannt.

Auch ich war Ende November in der Region, um die Flüchtlinge und die Einheimischen zu besuchen. Aufgrund der Sicherheitslage war es mir nicht möglich, direkt nach Donezk zu fahren, doch konnte ich mir von Rostov am Don aus die Flüchtlingslager auf russischer Seite anschauen und mit den Flüchtlingen sprechen. Aus den Gesprächen mit ihnen ergab sich ein erschütterndes Bild. Die meisten Menschen sind zutiefst verbittert, nicht nur über den Krieg im Allgemeinen, sondern auch über das Vorgehen der ukrainischen Armee in Donezk und Lugansk.

Unabhängig davon, was auf internationaler Ebene gelöst wird, wird es für die Menschen selbst sehr schwierig sein, wieder zu einem Zusammenleben zu kommen. Wir wissen, dass die Menschen in der Ostukraine anders orientiert sind als jene in der Westukraine; deswegen fliehen sie auch z.T. nach Russland. Das muss berücksichtigt werden.

Ich habe die russischen Schulen an der Grenze besucht, in welche die ukrainischen Kinder jetzt integriert werden. Mittlerweile stammt ein Drittel ihrer Schüler aus der Ukraine. Hier möchte ich anmerken, dass die UNHCR Russland für seine Flüchtlingspolitik ausdrücklich gelobt hat. Auch ich habe viel Kritik am Vorgehen Russlands, aber auch das sollte positiv erwähnt werden.

Ich einen kleinen Änderungsantrag, was den Bericht angeht, den ich jedoch insgesamt für relativ ausgewogen halte. Wenn wir in Punkt 10 über die Integrität der Ukraine reden, die wir alle unterstützen, dann müssen wir auch über die demokratischen Rechte der Menschen in der Ostukraine sprechen. Einen entsprechenden Änderungsantrag werden wir einbringen.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

Ute FINCKH-KRÄMER, Deutschland, SOC

(Dok. 13651)

Danke, Frau Präsidentin!

Ich möchte drei Punkte ansprechen:

Bisher haben wir über die Situation der Flüchtlinge aus dem Donbass gesprochen, entweder als intern Vertriebene innerhalb der Ukraine, oder als Flüchtlinge in Russland. Zwar sind es vielleicht nicht vier Millionen, wie der Kollege aus der Ukraine sagte, aber es geht inzwischen um weit über eine Million Vertriebene insgesamt.

In dieser Region gibt es eine Kombination von Hilfsmöglichkeiten von staatlichen Stellen und Freiwilligen, die sich offensichtlich in beiden Ländern sehr für die Flüchtlinge engagieren. Auch dieses Engagement sollte hier gewürdigt werden.

Neben den Vertriebenen gibt es jedoch auch eine dritte Gruppe von besonders hilfsbedürftigen Menschen, nämlich diejenigen, die weiterhin in den Bürgerkriegsgebieten in der Ostukraine leben. Dort brauchen wir humanitäre Hilfe, wie sie von internationalen Organisationen nach den vier Prinzipien der humanitären Hilfe gebracht wird: Neutralität, Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Menschlichkeit. Ich appelliere an die hier anwesenden Vertreter sowohl des russischen als auch des ukrainischen Parlaments, sich dafür einzusetzen, dass eine solche Hilfe für die Menschen im Donbass geleistet werden kann.

Ich möchte daran erinnern, dass unsere Aufgabe als Parlamentarier nicht ist, nur die Position unserer Regierung zu vertreten. Vielmehr müssen wir dort, wo sich unsere Regierung im Konflikt mit einer anderen befindet, auch schauen, was eigentlich an der Position der Gegenseite richtig ist, und das, was unsere Regierung tut, kritisch hinterfragen.

Zudem kam ein weiterer Aspekt noch nicht zur Sprache: Viele Menschen aus der Ukraine wie aus Russland – wie ich hörte, jeweils etwa ein Drittel – haben enge Verwandte im jeweils anderen Land. Sich klar zu machen, was jeweils die Position der anderen Seite ist, heißt für viele Menschen also auch, sich klarzumachen, was die Position ihrer Schwestern, Brüder, Eltern, Neffen, Nichten oder anderen Verwandten im anderen Land ist.

Wenn Sie damit versuchen, einen Ausweg aus dieser Krise zu finden, können sie m.E. jene, die auf oberster diplomatischer Ebene verhandeln, gut unterstützen. Dazu möchte ich Sie herzlich auffordern.

Danke.

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC

(Dok. 13651)

Danke sehr, Frau Präsidentin!

Auch ich möchte mich ausdrücklich bei Jim Sheridan für diesen aufrüttelnden Bericht bedanken. Auch unsere Rapporteurinnen im Monitoringausschuss haben wiederholt genauso von dieser Situation berichtet und wir haben bereits im vergangenen Jahr auf die katastrophale humanitäre Lage aufmerksam gemacht, die jetzt in den Wintermonaten besonders dramatisch wird.

Besonders beeindruckend ist an Ihrem Bericht, Herr Sheridan, dass Sie den Fokus auf die Hauptbetroffenen lenken: die Menschen, die in einer solchen Situation der Destabilisierung, Gewalt, Rechtlosigkeit, Willkür und Einschüchterung leben. Hier wiederum sind die Hauptbetroffenen Kinder, die nicht mehr in die Schule gehen können, Frauen und alte Menschen, die keine Rente mehr bekommen (es gibt in der Region keine ukrainische Bank mehr). Diese Menschen leben in einer Situation, in der es unterschiedliche bewaffnete Banden gibt und Rechtlosigkeit und Straflosigkeit herrschen.

Die Ukraine und Russland bemühen sich um hunderttausende von Flüchtlingen, aber wir sollten auch Polen und Belarus danken, die ebenfalls eine sehr hohe Anzahl von Flüchtlingen aufgenommen haben.

Die erste Friedensnobelpreisträgerin, Bertha von Suttner, rüttelte mit ihrem Motto die Welt auf: „die Waffen nieder!“ Diese Kämpfe müssen ein Ende finden! Es gibt keine Alternative zum Minsk-Übereinkommen. Auf seiner Basis müssen ein Waffenstillstand und eine entmilitarisierte Zone zustande kommen, und mit Hilfe der OSZE auch deren Kontrolle.

Allerdings muss die Ukraine die volle Kontrolle über ihre Grenzen zurückbekommen und jede Art von Truppenmobilisierung muss unterbunden werden, fremde Truppen müssen das Land verlassen.

Wie wir sehen, gibt es in dieser Region keine Schulen mehr, die Menschen finden zerstörte Häuser vor und es gibt jetzt, im Winter, keine Heizung. Die Leidtragenden aller militärischen Auseinandersetzungen sind immer die Menschen, die in diesen Gebieten leben, und in der Region von Lugansk und Donezk leben noch Millionen von Menschen in dieser Situation. Deshalb kann es für diesen Konflikt keine militärische, sondern nur eine friedliche Lösung geben.