AL15CR06      

AS (2015) CR 06
Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2015

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(1. Teil)

BERICHT

06. Sitzung

Mittwoch, 28. Januar 2015, 15.30 Uhr

 

 

Andrej HUNKO, Deutschland, UEL/GUE

(Dok. 13663)

Vielen Dank, Frau Präsidentin!

Vielen Dank auch an Guy Ryder, den Generalsekretär der ILO, der hierhergekommen ist.

Ich bin froh, dass wir hier noch einmal ein „Kerngeschäft“ des Europarates betreiben, nämlich den Schutz der Menschenrechte. Lassen Sie mich betonen, dass die sozialen Rechte auch ein Kernelement der Menschenrechte sind, inklusive meines Themas: Recht auf Kollektivverhandlungen inklusive Streikrecht. Dieses ist in der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie in der Europäischen Sozialcharta verankert, und ich freue mich, dass auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in den letzten Jahren diesem Recht einen besonderen Stellenwert eingeräumt hat.

Dieser Bericht ist als Folgebericht eines Berichtes entstanden, den ich vor zweieinhalb Jahren hier vorstellte und der mit einer Dreiviertelmehrheit verabschiedet wurde: dem Bericht zu „Austerity Politics as a Danger for Social Rights and Democracy“. Damals hatten wir eine sehr heftige Debatte über die Frage, ob die Austeritätspolitik, die aus der Krise herausführen sollte, angemessen und berechtigt sei. Dieses Haus war die erste internationale Versammlung, die sich kritisch zu der Art und Weise äußerte, in der die Austeritätspolitik durchgeführt wurde. In der Folge gab es viele weitere kritische Äußerungen.

Ich bin auch dem Menschenrechtskommissar, Herrn Muižnieks, sehr dankbar, dass er das Thema aufgegriffen und z.B. die Entwicklung in Griechenland untersucht hat. Auch dem Generalsekretär, Herrn Jagland, bin ich sehr dankbar dafür, dass auch er das Thema aufgegriffen hat. Das habe auch andere internationale Organisationen getan, wie u.a. auch die ILO und das Europäische Parlament, und sich in der Folgezeit sehr kritisch geäußert.

Ein Kern der sozialen Rechte ist das Recht auf Kollektivverhandlungen, inkl. Streikrecht. Es ist leider so, dass dieses Recht während der Krise in einigen Ländern beschnitten wurde. So gibt es in Griechenland seit einigen Jahren keine Kollektivverhandlungen mehr. Ich hoffe, sie bald wieder eingeführt werden.

Doch sehe ich diesen Bericht nicht nur als Reaktion auf die Krise. Ich habe mich erkundigt, wann es in dieser Versammlung überhaupt einmal einen Bericht zu diesem Thema gegeben habe. Obwohl es sich hier um ein Kernelement handelt, war das seit über 30 Jahren nicht der Fall.

Auch habe ich mir verschiedene Länder angeschaut, wie die Türkei oder Deutschland, wo jetzt das Recht auf Kollektivverhandlungen nicht unmittelbar im Zusammenhang mit der Krisenreaktion steht. Ich muss mich entschuldigen bei den 41 Ländern, die wir trotz der großartigen Zusammenarbeit mit dem Sekretariat, insbes. Frau Maren Lambrecht, nicht behandeln konnten. Ich weiß, dass es in vielen Ländern z.Z. sehr heftige Diskussionen zu genau dieser Frage gibt, wie z.B. Italien und einigen Balkanländern, aber das war uns nicht mehr möglich.

Die wichtigste Schlussfolgerung dieses Berichtes und meine Forderung ist, dass alle Länder die revidierte Form der Europäischen Sozialcharta unterzeichnen sollten, was bisher 33 der 47 Länder getan haben. Eine weitere wichtige Forderung ist es, das Zusatzprotokoll für Kollektivbeschwerden zu unterzeichnen, denn dann gibt es im Ausschuss für soziale Rechte, der dafür verantwortlich ist, die Europäische Sozialcharta zu überwachen, die Möglichkeit, entsprechende Urteile zu fällen.

Nächsten Monat werden wir den 50. Jahrestag des Inkrafttretens der Europäischen Sozialcharta feiern. Es ist sehr wichtig, daran zu erinnern, dass das Recht auf Kollektivverhandlungen, das Recht der Arbeitnehmer, das Recht, sich am Arbeitsplatz zu organisieren, das Recht auf Gewerkschaften zu den Kernelementen der Europäischen Sozialcharta gehört.

Ich möchte auch daran erinnern, wie das europäische Sozialmodell, das im Augenblick infolge der Reaktion auf die Krise 2008/2009 unter Druck steht, entstanden ist: Es war nicht einfach eine Idee einiger kluger Politiker, die beschlossen, so ein Modell zu schaffen (wir Politiker überschätzen uns ja meistens), sondern es ist das Ergebnis großer, über Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg ausgetragener gesellschaftlicher Auseinandersetzungen, die eben in dieses europäische Sozialmodell mündeten, einer Form eines institutionalisierten Dialogs. Wir sollten auch in Krisenzeiten alles tun, dieses Modell aufrecht zu erhalten.

Vielen Dank.

Ich freue mich auf die Ansprache von Guy Ryder.

Gisela WURM, Österreich, SOC

(Dok. 13661 und 13663)

Danke, Herr Präsident!

Ich darf mich herzlich bei den Berichterstattern Herrn Villumsen und Herrn Hunko für die exzellenten Berichte bedanken. Ich hatte die Möglichkeit, Herrn Villumsen während der Abfassung des Berichts im Gleichbehandlungsausschuss zu begleiten.

Die Berichte beschreiben die gegenwärtigen Auswirkungen und Gefahren der anhaltenden Sparpolitik treffend. Sie verweisen auf die enormen Herausforderungen im Sozialbereich: Rekordarbeitslosigkeit, insbesondere Jugendarbeitslosigkeit, Anstieg der Armut, zunehmende soziale Ungleichheit. All das ist bedrohlich für den Zusammenhalt einer Gesellschaft.

Im Lichte der anhaltenden schwierigen wirtschaftlichen Situation, steigender Verschuldung und immer stärker angespannter staatlicher Budgets werden Kürzungen der Sozialhaushalte oft als einfacher Ausweg gesehen – mit massiven Verschlechterungen für die Betroffenen. Sozialschutz und Arbeitnehmerrechte wurden durch einseitige Reformen in vielen Ländern massiv geschwächt.

Es hat sich allerdings gezeigt, dass dieser Ansatz die falsche Lösung darstellt: Staaten mit hoch entwickelten Wohlfahrtssystemen weisen in Krisenjahren überdurchschnittliche Wachstumszahlen auf. Mit anderen Worten, Wohlfahrtsstaat und Wirtschaftswachstum schließen einander nicht aus – im Gegenteil: Sie profitieren voneinander.

Die kurzsichtigen makroökonomischen Strategien müssen neu ausgerichtet werden, um die derzeitigen Fehlentwicklungen so rasch wie möglich aufzuhalten. Ein kurzsichtiger Fokus auf Haushaltskonsolidierung und Austerität ohne Rücksicht auf die Folgen für das Wachstum und die sozialen Auswirkungen unterminiert das europäische Projekt.

Langfristig sind solide Staatsfinanzen notwendig, ohne Frage. Ein Abbau von Schulden und Defiziten darf aber nicht auf Kosten langfristiger Investitionen in Bildung und Sozialsysteme geschehen.

Wir brauchen eine radikale Änderung der Politik mit zukunftsorientierten Maßnahmen. Die Regierungen in Europa müssen den mehrdimensionalen Herausforderungen der letzten Jahre gezielter Rechnung tragen. Empfehlungen bzw. Warnungen der internationalen Organisationen, wie dem Europarat, sind jedenfalls zu berücksichtigen.

Streikrechte sind nicht ab-, sondern auszubauen, Tarifverhandlungen mit Mindestlohnforderungen sind auszubauen, und die Tarifpartner müssen auf Augenhöhe verhandeln. In diesem Sinne müssen wir dafür sorgen, dass der soziale Zusammenhalt in der Gesellschaft gegeben ist, und das ist nur dann möglich, wenn mehr Gleichheit in unserer Gesellschaft vorherrscht.

Herzlichen Dank noch einmal an die Berichterstatter.

Andrej HUNKO, Deutschland, UEL/GUE

(Dok. 13663, Antwort des Berichterstatters)

Vielen Dank, Herr Präsident!

Meine Damen und Herren,

liebe Kollegen!

Vielen Dank für all die Beiträge und Kommentare.

Ich glaube, wenn diese Debatte repräsentativ dafür wäre, was in den nationalen Parlamenten, im Europäischen Parlament, der Europäischen Kommission und anderswo diskutiert wird, hätten wir gute Chancen, das Geforderte umzusetzen. Doch fürchte ich, dass das nicht der Fall ist und es noch viel zu tun gibt.

Ich möchte noch einmal auf den ersten Beitrag von Herrn Ryder eingehen. Sie haben von den Unterschieden bei der Krisenreaktion im Hinblick auf den Schutz der Arbeitnehmerrechte in Deutschland und in den USA gesprochen. Weil ich aus Deutschland komme, möchte ich kurz darauf eingehen.

Es war an der Tat so, dass 2008 im Zuge der Banken- und Finanzkrise positive Maßnahmen eingeführt wurden – und ich sage das, obwohl ich von der Opposition komme: Um zu verhindern, dass die Krise zu einem Anstieg von Arbeitslosigkeit und den damit verbundenen Konsequenzen führte, wurde das Kurzarbeitergeld verlängert. Dabei handelt es sich um eine Institution in Deutschland: Wenn die Betriebe zu wenig Aufträge bekommen, ist vorgesehen, dass für eine Übergangszeit Kurzarbeitergeld gezahlt wird; d.h., die Beschäftigten erhalten mit Unterstützung der öffentlichen Hand weiterhin Geld. Genau diese Maßnahme wurde verlängert und somit konnten Arbeitsplätze erhalten werden und die Wirtschaft konnte sich schnell wieder erholen.

Leider ist von diesen Erfahrungen in den Folgejahren, auch in der Troika-Politik (die von deutscher Seite mitgestaltet wurde) nicht mehr viel übrig geblieben. In Griechenland zum Beispiel gab es keinerlei Maßnahmen, die einem Absturz der Wirtschaft entgegensteuerten. Man hat gespart, entlassen, gespart, entlassen und so einen Teufelskreis ausgelöst, der zu Austerität und zur Vertiefung und Verlängerung der Wirtschaftskrise geführt hat, wie sie so nicht notwendig gewesen wäre. Aus diesen Erfahrungen sollte man lernen.

Ein weiterer Punkt, den Herr Ryder in seinem ersten Beitrag ebenfalls angesprochen hat und der in der Diskussion noch nicht so aufgegriffen wurde, ist die Gefahr der Dezentralisierung von Kollektivverhandlungen, die Gefahr, dass durch die Globalisierung die Chancen dafür, den sozialen Dialog zu führen, immer weiter absinken. Damit sinken die Chancen von Gewerkschaften, etwas durchzusetzen.

Diesem Trend müssen wir als internationale Organisation in Zusammenarbeit mit Organisationen wie der International Labour Organisation entgegenarbeiten. Es muss von dieser Seite eine Form der Internationalisierung geben, denn sonst werden wir in einen Prozess geraten, wo Rechte, insbesondere Arbeitsrechte, automatisch unter Druck geraten.

Wie schon bei der Austeritätsdebatte festgestellt, können wir die Frage der Wirtschaftspolitik und die der sozialen Rechte nicht voneinander trennen. Wir haben teilweise auch eine wirtschaftspolitischen Debatte geführt und Herr O’Reilly aus Irland hatte auch die Frage der Staatsverschuldung angesprochen. Es war in der Tat so, dass nach 2008/2009 die Staatsverschuldung in der Euro-Zone von durchschnittlich 65-68 % auf 90 % angestiegen ist. Dies war maßgeblich auf die Notwendigkeit der Rettung der Banken und des Finanzsektors zurückzuführen, was zwischenzeitlich auch durch Untersuchungen bestätigt wurde.

Es kann aber nicht sein, dass solche Maßnahmen zu Lasten der Schwächsten der Gesellschaft gehen und die Staatsverschuldung durch Kürzungen, Austeritätspolitik und den Abbau von Kollektivrechten ausgeglichen wird.

Herr Daems für die liberale Fraktion hat ebenfalls einige wichtige Punkte angesprochen. Natürlich gilt auch beim Streikrecht eine gewisse Verantwortlichkeit. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist dieses Recht nicht unbeschränkt. Es gibt auch Sektoren der Gesellschaft, die besonders sensibel sind und wo es Einschränkungen gibt, das steht außer Frage.

Sie haben auch die Notwendigkeit angesprochen, gewisse bürokratische Übertreibungen abzubauen. Das ist richtig, aber das ist auch keine Austeritätspolitik.

Ich möchte nochmals einen Blick nach Griechenland werfen. Die jetzige Wahl in Griechenland war sicherlich ein Aufschrei der Bevölkerung gegen die Austeritätspolitik der letzten Jahre. Und was macht die neue Regierung? Sie baut die 18 Ministerien auf 10 Ministerien ab, d. h. dort, wo unsinnig aufgebläht worden war, wird abgebaut. Ich glaube, das zeigt, dass eine Anti-Austeritätspolitik nicht unbedingt heißt, dass man Unsinniges aufrechterhalten muss. Vielmehr geht es darum, dass die Gesamtwirtschaft in einer Krise durch Sparen immer mehr erdrückt wird, was zu einem Teufelskreis führt, den wir nicht wollen.

Abschließend möchte ich daran erinnern, dass sich dieser Bericht sehr stark an Arbeitsrechtler, Gewerkschaften und Arbeitnehmervertreter wendet. Frau Christoffersen hat den heutigen Generalstreik in Norwegen angesprochen, der sicherlich nicht zufällig heute stattfand. Sicher ist das ein Zeichen dafür, dass dies keine abstrakte, sondern eine konkrete Debatte ist. Auch in Belgien gab es im Dezember einen der größten Generalstreiks in der Geschichte des Landes, der mit schweren Auseinandersetzungen einherging.

Ich möchte mit einem englischen Zitat des Wirtschaftsnobelpreisträgers Paul Krugman abschließen: „In principle, every citizen has an equal say in our political process. In practice, of course, some of us are more equal than others. (…) Given this reality, it’s important to have institutions that can act as counterweights to the power of big money. And unions are among the most important of these institutions.“

Wenn wir von hier aus ein Signal senden, dass das Recht auf Kollektiverhandlungen und das Recht auf Streik ein wichtiger Teil der Europäischen Sozialcharta sind und wenn wir diese Rechte stärken, leisten wir einen wichtigen Beitrag zum europäischen Sozialmodell.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC

(Dok. 13685)

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen!

Es ist nun schon das zweite Mal in weniger als einem Jahr, dass mich der Monitoring-Ausschuss als seinen Vorsitzenden beauftragt, einen Bericht zu den russischen Beglaubigungen vorzulegen. In meinem Bericht im April habe ich der Versammlung empfohlen, die Beglaubigungen bis zum Jahresende auszusetzen. Als eine Maßnahme war die Schaffung des Ad-hoc Subcommittee about Russian Neighbourhood Policy vorgesehen. Die hat auch funktioniert, aber es hat viele Monate gedauert, bis wir vom Boykott der russischen Delegation zum Dialog mit ihr gekommen sind.

In diesem Bericht habe ich meinen Eindruck von den Ereignissen auf der Krim beschrieben. Heute, im Januar 2015, wissen wir alle, welche Formen die Destabilisierung eines Mitgliedsstaates, der Ukraine, angenommen hat. Tausende Menschen sind ums Leben gekommen, es herrscht Rechtlosigkeit, fremde militärische Kräfte, als „volunteers“ bezeichnet, befinden sich in einem Gebiet eines unserer Mitgliedstaaten, und die Souveränität der Grenzen dieses Landes ist nicht mehr in der Weise gegeben, wie wir uns das in einer Werte-Gemeinschaft vorstellen.

Trotzdem bin ich in meinem Bericht von einem anderen Standpunkt ausgegangen. Ich wollte einen Bericht der Stärke, insofern als dieser Schwung des Dialogs auf dem Boden des Europarates nicht wieder durch Boykott unterbrochen wird. Denn es gibt Dinge, bei denen es keinen Tag Aufschub geben darf, nämlich die Freilassung von Nadia Savtchenko und die sofortige Entsendung eines Teams des Monitoring-Ausschusses auf die Krim zur Untersuchung der Menschenrechtslage, der Verfolgungen und der Situation der Minderheiten.

Deshalb habe ich dem Monitoring-Ausschuss gesagt, wir sollten ein Zeichen der Stärke setzen, indem wir uns durch einen monatlichen Fortschrittsbericht über all jene Forderungen an die Russische Föderation, die in diesem Bericht festgehalten wurden, informieren lassen. Diese Forderung steht hier völlig klar und ungeschminkt. Sie ist schmerzhaft für die russische Delegation, aber wir haben das Recht dazu. Auch dürfen wir keine Zeit verlieren.

Das Einfachste wäre, der russischen Delegation heute einfach die Stimmrechte zu entziehen. Aber für mich geht es darum, Ergebnisse im Sinne der betroffenen Menschen zu erzielen; noch gestern hatten wir den Bericht über die humanitäre Flüchtlingskatastrophe in der Ostukraine. Hier gilt es zu handeln.

Doch in einem Punkt habe ich meinen Ausschuss heute Nachmittag verstanden. Deshalb werde ich heute einen Kompromiss in Form eines mündlichen Unteränderungsantrags anbieten, damit die Versammlung nicht in enge Mehrheiten zersplittert. Alle Mitglieder des Monitoring-Ausschuss haben gesehen, dass ich keine der z.B. von den russischen Kollegen vorgebrachten Amendments akzeptiert habe, die beschönigende Formulierungen zur Situation vorschlugen. Dabei ist mir der Ausschuss überall einstimmig gefolgt.

Doch es geht um Amendment 28 und das Subamendment von Axel Fischer. Ich appelliere an Sie, dieses gemeinsam mit einer großen Mehrheit zu beschließen. Gleichzeitig appelliere ich an die Russische Föderation, zu verstehen, dass sich seit April etwas in unserer Diskussion verändert hat, und nicht sofort reflexhaft mit der Akzeptanz eines Amendment 28 plus Subamendment sofort wieder die Rolläden zu schließen, sondern zu akzeptieren, dass wir diese Forderung angesichts der Situation in der Ukraine durchaus stellen dürfen.

Axel Fischer hat gesagt, wir sollten uns Zeit lassen bis zu unserer nächsten Session im April. Wenn wir Dialog wollen, dann müssen wir mit der russischen Seite einen Mittelweg finden, der den Werten des Europarates entspricht. Wir müssen zu einer großen, gemeinsame getragenen Position finden.

Es handelt sich hier in der Ostukraine um die Destabilisierung eines Mitgliedslandes und einen Konflikt, der in seinem Ausmaß mit dem Konflikt auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien vergleichbar ist und die Gefahr der größten militärischen Auseinandersetzung und Destabilisierung nach sich zieht.

Wenn wir diesen Kompromiss hier schließen, muss die Russische Föderation diesen einen großen Schritt gehen. Das ist nicht zu viel verlangt.

In diesem Bericht haben wir - und das ist neu - Transnistrien, Abchasien, Ossetien und sogar Nagornij-Karabach mit einbezogen. Dieses Dokument ist also wesentlich ausführlicher. Deshalb ist es wichtig, diesen Dialog zu führen. Wenn wir diesen Kompromiss zu Amendment 28 gemeinsam schaffen, haben wir die Chance, gemeinsam ein starkes Zeichen zu setzen und in Aktion zu treten.

Zu allererst geht es um die Freilassung von Nadia Savtchenko – hier zählt jeder einzelne Tag. Zweitens die sofortige Entsendung unserer Delegation auf die Krim. Auch bin ich bereit, eine ähnliche Delegation in die Ostukraine zu schicken, wie es die Russische Föderation gefordert hat. Ich habe schon gesagt, dass ich bereits morgen im Monitoring-Ausschuss den entsprechenden Entschluss fassen lassen werde, dass unser Team sofort bereit zur Abreise ist. Alexey Pushkov, ich appelliere an Sie, wenn uns dieser Kompromiss gelingt, nicht abseits zu stehen und nicht aus dem Bauch heraus zu reagieren.

Danke.

Andreas GROSS, Schweiz, SOC

(Dok. 13685)

Danke, Frau Präsidentin!

Die sozialdemokratische Fraktion bedankt sich bei Stefan Schennach für diese großartige und sorgfältige Arbeit sowie für diese Innovation.

Wir haben uns in den letzten zehn Tagen bei drei Gelegenheiten, über 6 Stunden und mit 50 Teilnehmern eine Meinung gebildet, und die Mehrheit unterstützt diesen Bericht und diese neue Logik, denn diese hat viel mit unserem Selbstverständnis zu tun.

Wir sind nicht ein Haus der Demokratie, wo man die schlechten Leute rauswirft, und auch keine Schule der Demokratie, in der man die schlechten Schüler einfach vor die Tür stellt. Wir sind vielmehr ein Krankenhaus der Demokratie, und Patienten werden nicht hinausgeworfen, sondern geheilt: Man arbeitet mit ihnen und versucht, mit ihnen die Krisen zu überwinden. Genau das sollten wir tun!

Wenn wir überzeugt sind, dass es für diesen Konflikt und die Missachtung vieler Völker- und Grundrechte keine kriegerische Lösung gibt, dann kann es nur eine friedliche Lösung geben. Für diese friedliche Lösung ist es unerlässlich, miteinander zu reden.

Wir müssen die andere Seite davon überzeugen, dass sie Fehler gemacht hat, sie muss mit den daraus entstehenden Konsequenzen konfrontiert werden und wir müssen prüfen, wie wir den Leuten in dieser Situation helfen können. Aber das können wir nur mit denjenigen tun, die anderer Meinung sind als wir und nicht mit den Freunden, die gleicher Meinung sind.

Genau aus diesem Grund sind wir hier! Nicht, um Leute, die uns nicht gefallen, einfach hinauszuwerfen, sondern um mit ihnen klüger zu werden und ihnen zu zeigen, dass ihr Verhalten inakzeptabel ist.

Wenn wir das wollen, müssen wir den von Stefan vorgeschlagenen Weg gehen: Beide Parlamente müssen bereit sein, in einer Working Group hier zusammenzuarbeiten und eine Mission in die Krim, in den Donbass zu schicken. So können wir zeigen, dass hier Reformen nötig sind, um ohne militärische Mittel im Interesse der Menschen den Krieg zu überwinden.

Deswegen brauchen wir die Russen bei uns und können sie nicht hinauswerfen. Das wäre billig unsererseits, die einfachste Lösung. Damit würden wir handeln wie ein schlechter Lehrer, der einfach schlechte Noten verteilt. Wir sind beauftragt, etwas zu liefern. Es reicht nicht, einfach nur ein gutes Gewissen zu haben und streng gewesen zu sein.

Wir können nur liefern, wenn wir die anderen im Interesse der Menschen zusammen bringen. Das ist unsere zentrale Aufgabe. Deshalb sollten wir diese einzigartige Möglichkeit nutzen, denn nur hier können wir mit ihnen zusammenarbeiten. Wir dürfen nicht glauben, dass es gut oder stark sei, wenn wir die anderen bestrafen. Stark sind wir, wenn es uns gelingt, mit ihnen zusammen eine bessere Lösung zu finden.

Wenn das nicht gelingt, ist es etwas anderes. Es aber von vorneherein nicht versucht zu haben, ist schwach und entspricht einer Kapitulation!

Vielen Dank!

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC

(Dok. 13685, Antwort des Berichterstatters)

Danke sehr, Frau Präsidentin!

Ich bedanke mich bei allen, die heute das Wort zu diesem für die Versammlung entscheidenden Thema ergriffen haben.

Es hat sich etwas verändert. Im April stand ich hier, wir haben alle diskutiert, aber es hat niemand von der Russischen Föderation gesprochen. Ich möchte das anerkennen.

Wir müssen diesen Dialog führen, aber wir stellen fest, dass hier ein großes Misstrauen besteht. Für dieses Misstrauen gibt es im Monitoring Komitee eine Entscheidung: Es sieht vor, dass Amendment 28 angenommen ist, indem man beschließt, über die Stimmrechte später zu entscheiden, und zwar nach dem Vorschlag von Axel Fischer aus Deutschland nicht im Juni, sondern im April. Das Vertrauen soll dadurch gesichert werden, dass wir bis dahin die folgenden fünf Maßnahmen durchführen, wozu wir die volle Kooperation brauchen:

- der sofortige Besuch von Nadia Savtchenko,

- die sofortige Bildung der Gruppe für die Krim,

- die Einsetzung der Arbeitsgruppe zwischen Rada, Duma und Presidential Committee,

- die Rückkehr der Führer der Krimtataren,

- die Aufsetzung bereits am 16. März des neuen Ad-hoc-Komitees des Monitoring-Komitees.

Wir haben bis April die Möglichkeit, dies unter Beweis zu stellen, um dann die neue Entscheidung treffen zu können. Dafür werde ich dann in einem oral Amendment vorschlagen, das Wort standing committee zu streichen, damit dieser Dialog auch im standing committee geführt werden kann.

Dann können wir gemeinsam etwas erreichen. Deshalb appelliere ich an Die Linke, an meine sozialistische Fraktion, an nationale Delegationen, wie z.B. an Sie, sehr geschätzte Frau Djurović: Bitte sehen Sie alle das als eine Chance für einen Kompromiss mit einem ganz starken Signal!

Es wäre ein Signal, wenn es nicht mehr 51 zu 49 oder 55 zu 45 steht, sondern wir zu 80 oder 90 Prozent für diese Werte und diesen gemeinsamen Dialog stimmen, angesichts dessen, dass wir heute in der Ukraine eine der gefährlichsten, mörderischsten und unfassbarsten Situationen in ganz Europa erleben.

Ich bitte darum, dass wir alle diesen Kompromiss mittragen, denn so sind wir stark und so kann das Gewicht dieser Versammlung voll zum Einsatz kommen.