AL15CR24

AS (2015) CR 24
Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2015

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(3. Teil)

BERICHT

24. Sitzung

Mittwoch, 24. Juni 2015, 15.30 Uhr

 

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC

(Dok. 13800, Antwort des Berichterstatters)

Danke sehr, Frau Präsidentin!

Ich bedanke mich bei allen Mitgliedern der Parlamentarischen Versammlung, die in einer sehr intensiven und emotionalen Debatte heute hier das Wort ergriffen haben. Diese Emotionalität ist auch verständlich; Familienkonflikte sind immer mit sehr hohen Emotionen verbunden und der Europarat ist die einzige Institution, in der wir als Familie zusammen sind.

Deshalb sind angesichts dieser Aggression und angesichts der Toten vielleicht auch manche besonders harten Worte gefallen. Auch das Wort eines Priesters oder Bischofs, wie es mein Freund Valeriu Ghiletchi wiedergegeben hat, wurde aus diesem Grund vielleicht weniger von der Bibel als vom Zorn geleitet. Am Ende jedoch hat er gesagt, dass wir es ohne den Dialog nicht schaffen.

Auch einen zweiten Sprecher aus Moldawien möchte ich zitieren, Herrn Neguta, der sagte, er finde hier keine Forderungen an die Ukraine. In diesem Bericht ist sehr oft von „beiden Seiten“, bzw. „allen Seiten“ die Rede. Aber man muss auch klar sagen, wer das Opfer dieser Aggression ist; das kommt in meinem Bericht klar zum Ausdruck.

An die Kollegen aus Georgien: Ich kann Sie vollkommen verstehen. Wenn man mit Resolution um Resolution über die Besetzung von Abchasien und Ossetien kämpft und so versucht, das zurückzubekommen, was eigentlich zu Georgien gehört, kann man diese Verzweiflung verstehen. Ossetien, Transnistrien, Abchasien, Nagorny Karabach und die sieben Provinzen bringen uns aber auch eine Mahnung: Nutzen wir politisch alle internationalen Instrumente, vor allem den Dialog, um zu den bisherigen frozen conflicts keine weiteren auf Jahrzehnte hinaus eingefrorene Konflikte hinzuzufügen.

Robert Walter hat es auf den Punkt gebracht: Wir besprechen hier nur, ob wir 36 Duma-Abgeordneten ihre Akkreditierungen entziehen oder nicht. Wir reden nicht darüber, ob wir irgendetwas an unseren Sanktionen verändern. Diese Sanktionen bleiben so, wie sie beschlossen wurden, voll wirksam.

Wir haben im Januar 21 Bedingungen formuliert, zu denen mit dem heutigen Bericht noch weitere hinzukommen.

Ich möchte mich auch für die Beiträge etwa von Frau Schneider-Schneiter, Frau Durrieu, Frau Zalishchuk oder auch Frau Schou bedanken, denn es geht genau um den von ihnen angesprochenen Punkt, dass wir versuchen müssen, diesen schwierigen Weg zu gehen.

Zum Schluss hat auch Sir Edward Leigh davon gesprochen, wie kurz gemessen an anderen Staaten die Bekanntschaft der Russischen Föderation mit den demokratischen Grundwerten ist.

Wir brauchen diese Debatte, aber wir müssen sie auf Augenhöhe führen, d.h. mit unseren Prinzipien und ausgehend von unseren Werten. Diese müssen wir durch Dialog vermitteln können. Deshalb haben wir im Rahmen des Komitees für Konflikte zwischen Mitgliedsstaaten die Krim als einen der besonders wichtigen Arbeitspunkte der nächsten Wochen auf die Tagesordnung gesetzt.

Ich danke noch einmal allen für diese emotionale und engagierte Debatte und ersuche um Zustimmung zu diesem Bericht.

Axel E. FISCHER, Deutschland, EPP/CD / PPE/DC

(Dok. 13806)

Vielen Dank, Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

meine Damen und Herren!

Ungarn ist ein freies, unabhängiges und demokratisches Land. Es hat dort mehrfach demokratische Wahlen gegeben, die den Standards des Europarats entsprechen. Und nur weil einem das Ergebnis einer Wahl nicht gefällt, darf man ein Land nicht an den Pranger stellen.

Allerdings hat Ungarn sich auch dazu verpflichtet, Mitglied des Europarats zu sein und ist mit dieser Unterschrift Verpflichtungen eingegangen, die eingehalten werden müssen. Es ist gut, dass wir als Europarat darauf auch genau achten.

Wir haben in Ungarn erlebt, dass man, wenn man eine Mehrheit von mehr als zwei Dritteln im Parlament hat (was in Deutschland übrigens auch der Fall ist; die Regierungskoalition hat sogar mehr als drei Viertel der Sitze), dazu neigt, zu Höhenflügen anzusetzen und die Opposition vielleicht manchmal nicht mehr ganz ernst zu nehmen. Vielleicht verliert man auch ein wenig Bodenhaftung. Es war meines Erachtens gut und richtig, dass wir als Europarat klar hierzu gesprochen haben.

Sicher haben wir in der politischen Auseinandersetzung manchmal mehr für und manchmal mehr gegen Ungarn gesprochen; bisweilen vielleicht auch, weil die Regierungspartei näher an der unseren bzw. weiter von unserer eigenen Partei entfernt war. Wenn ich an die Abstimmung heute im politischen Ausschuss denke, hatte ich bei dem Einen oder Anderen manchmal das Gefühl, es gehe jetzt weniger um die Situation in Ungarn als darum, zu sehen, ob die sozialistische Gruppe oder die konservative Gruppe die Mehrheit hat.

Aber wir haben uns klar positioniert und wollen, dass Ungarn sich an die Vereinbarungen hält. Der Bericht von Robert Walter bietet uns eine ausgezeichnete Grundlage, mit der wir Punkt für Punkt darüber diskutieren können. Ich bitte darum, sich bei jedem Änderungsantrag die Textpassagen genau anzuschauen und frei von politischer Zugehörigkeit zu überlegen, wie man dazu abstimmt.

Es ist wichtig für Ungarn, dass wir ein klares Signal senden. Es ist meiner Ansicht bedeutend, dass wir uns für die Zukunft vorgenommen haben, alle 47 Mitgliedsländer in einem gewissen Zeitabstand einem Monitoring zu unterziehen, damit nicht der Eindruck entsteht, dass die alten, westeuropäischen Länder sich für besser halten als die anderen.

Ich glaube, es ist wichtig, dass wir das, was wir als für uns als Europarat gültig verabschiedet haben, als Zielmarke nehmen. Dann sind wir auf einem ausgezeichneten Weg, den Europarat zu stärken. Auf diesem Weg wünsche ich Ungarn alles Gute – es ist einiges geschafft worden, aber noch nicht alles, und ich bin mir sicher, dass der Bericht, den wir jetzt verabschieden werden, dies auch noch einmal deutlich adressiert.

Herzlichen Dank.

Maximilian REIMANN, Schweiz, ALDE / ADLE

(Dok. 13806)

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

geschätzte Kolleginnen und Kollegen!

Lassen Sie mich mit einer persönlichen Erinnerung zu Ungarn beginnen. Es war 1956, ich war eben ins Gymnasium eingetreten, da erschütterte der Volksaufstand in Ungarn und dessen brutale Niederschlagung durch Truppen des Warschauer Paktes mein Land, wie auch die meisten anderen Länder der Welt.

In der Folge strömten Tausende von Flüchtlingen aus Ungarn auch in die Schweiz. Wir taten viel Gutes für sie und stellten alsbald fest: Diese Leute suchten nichts Anderes als das, was wir in der Schweiz schon seit eh und je hatten: Freiheit, Selbstbestimmung und nochmals Freiheit. Viele dieser Ungarn blieben in unserem Land, auch nach der Wende von 1989.

Heute, 60 Jahre später, sind jüngere Generationen in Ungarn am Ruder. Aber von den Flüchtlingen von damals, die sich bei uns assimiliert haben, weiß ich aus kundigem Munde: Auch das ungarische Volk von heute will in seiner großen Mehrheit nichts Anderes als seine Vorfahren von 1956: Freiheit, Selbstbestimmung und möglichst viel Unabhängigkeit.

Die Wahlen sind nun wirklich frei und man gibt, wie überall in freien Ländern, jenen Parlamentskandidaten die Stimme, von denen man überzeugt ist, dass sie sich politisch in ihrem Sinn und Geist einbringen. Deshalb halte ich mich weitgehend zurück, wenn es darum geht, die rechtsstaatliche und politische Entwicklung eines anderen freien Landes zu kritisieren. Geht einem freien Land die Entwicklung in die falsche Richtung, dann korrigiert es das doch bei den nächsten Wahlen selber.

Natürlich, ein Land, das sich dem Europarat anschließt, muss gewisse Standards erfüllen und sich danach auch überprüfen lassen. Das hat der politische Ausschuss mit Berichterstattung durch unseren Kollegen Robert Walter auch getan. Sein Bericht kommt zu einem Schluss, den ich voll und ganz unterstützen kann, und der lautet: Die ungarische Regierung hat zugestimmt, sich um eine Lösung der noch offenen Fragen zu bemühen; eine Sonderprüfung durch den Europarat ist nicht mehr nötig!

Vielleicht ist dieser Bericht über die Lage in Ungarn derart sachlich und unspektakulär ausgefallen, weil er nicht aus der Feder eines linkspopulistischen Gutmenschen, sondern von einem konservativen Realisten stammt.

Ganz anders war jüngst eine ähnliche Resolution im Parlament der Europäischen Union ausgefallen. Da wurde mehrheitlich hart mit der ungarischen Regierung ins Gericht gegangen. Ungarn scheint zu einem Links-Rechts-Problem geworden zu sein, wobei die eher linkslastigen Medien die Situation noch zuspitzen.

Alles erinnert mich an das Jahr 2000, als es in Österreich als Folge der damaligen Wahlen zu einer Koalition zwischen der Volkspartei ÖVP und der rechtsstehenden FPÖ gekommen war. Halb Europa stand Kopf, boykottierte Österreich, wollte die Wahlen und deren Konsequenzen für die Regierungsbildung in einem freien Land Europas nicht akzeptieren.

Für mich jedenfalls ist Ungarn heute, wie Österreich damals, ein grundsätzlich freiheitlicher und demokratischer Rechtsstaat, und er bleibt es bis zum Beweis des Gegenteils. Und dieser Beweis ist auch dem EU-Parlament nicht gelungen.

Gergely GULYÁS, Ungarn, EPP/CD / PPE/DC

(Dok. 13806, 13831, 13832)

Herzlichen Dank, für diese Möglichkeit!

Meine Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herzlichen Dank für die Arbeit der Berichterstatter. Wir respektieren die Arbeit von Herrn Walter von der konservativen Fraktion, sowie der Herren Díaz und Flego von der sozialistischen Fraktion.

Vor zwei Jahren hat der Europarat mit großer Mehrheit gegen ein Monitoring-Verfahren in Bezug auf Ungarn entschieden.

In dem Rapport haben wir sowohl Kritik als auch Anerkennung bekommen. Anerkennung dafür, dass wir das erste Mal in der ungarischen Geschichte eine demokratische und rechtsstaatliche Verfassung haben, die durch ein demokratisch gewähltes Parlament verabschiedet wurde. Doch wie schon erwähnt, gab es auch Kritik, mit der wir nicht immer einverstanden waren, die wir aber akzeptierten.

Die meisten der Kritikpunkte bezogen sich auf die Bereiche Justiz und Medien. Deshalb haben wir durch eine starke Zusammenarbeit mit dem Europarat und Generalsekretär Jagland das Justiz- und das Mediengesetz grundsätzlich geändert und an die Erwartungen des Europarates angepasst.

Deshalb hat Generalsekretär Jagland 2014 über Ungarn gesagt: „Ich kann es heute sagen, dass die Medien-und Justizgesetze, die wir sehr stark kritisiert haben, modifiziert wurden und wir sind damit zufrieden.“

Ungarn hat die Hausaufgaben, die es vom Europarat erhalten hat, gemacht. Die Frage, über die wir jetzt entscheiden müssen, betrifft nicht die Rechtsstaatlichkeit, die Grundrechte oder die Demokratie.

Die Frage lautet: Ist es möglich, einen Staat wegen innenpolitischer Streitigkeiten, ideologischer Verschiedenheiten nach parteipolitischen Gründen zu verurteilen, oder ist das unmöglich?

Ich bin mir sicher, dass man den Europarat nicht für die ideologische und parteipolitische Debatte instrumentalisieren kann.

Deshalb danke ich den Berichterstattern noch einmal für ihre Arbeit. Wir unterstützen den Bericht von Robert Walter in den wesentlichen Punkten.

Gabriela HEINRICH, Deutschland, SOC

(Dok. 13747)

Herr Vorsitzender,

liebe Kollegen und Kolleginnen!

Wenn wir sonst über Pressefreiheit reden, dann reden wir über Länder, in denen die Medien fest im Griff des Staates sind und in denen Journalisten und Blogger um Leib und Leben fürchten müssen.

Aber Pressefreiheit hat mehrere Dimensionen, das hat der Bericht von Gülsün Bilgehan bemerkenswert herausgearbeitet. Ich danke ihr ganz besonders für diesen Bericht. Ein wichtiger Aspekt von Pressefreiheit, der leider oft vergessen wird, sind die Eigentumsverhältnisse und deren Transparenz. Transparente Eigentumsverhältnisse sind notwendig, weil sie der Öffentlichkeit überhaupt erst ermöglichen, sich eine Meinung über den Wert der Information zu bilden.

In den meisten Mitgliedstaaten des Europarates müssen Journalisten keine Zensur befürchten, aber die Eigentumsverhältnisse sind mitunter unklar: Wer besitzt die Medien, für die die Journalisten arbeiten und wer kann Einfluss darauf nehmen, ob und wie Informationen bearbeitet und verbreitet werden?

Auch die Organisation Reporter ohne Grenzen fordert deswegen eine Offenlegung der Eigentümerstrukturen und bemängelt eine schleichende Erosion der Medienvielfalt.

Letztendlich bedeutet dies für Mediennutzer, dass die Auswahl des Informationsangebotes immer weiter eingeschränkt wird. Immer komplexer werdende Strukturen in der europäischen Medienlandschaft dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Medienpluralismus in Gefahr ist. Das wird in diesem Bericht vorbildlich herausgearbeitet.

Sie fordert, dass Informationen über Eigentümer und den Umfang des Eigentums sowie über nationale Kooperationsverträge nationalen Medienbehörden zu übermitteln und in einer Online-Datenbank zu veröffentlichen sind.

Die Empfehlung, die Normen des Europarats zu überprüfen und weiterzuentwickeln sowie mit der europäischen Plattform der Regulierungsbehörden zusammenzuarbeiten, halte ich für zielführend. Wenn die Mitgliedstaaten diese Forderungen erfüllen, werden sie gegenüber Staaten, die die Pressefreiheit einschränken, noch glaubwürdiger.

Transparenz bedeutet aber auch Glaubwürdigkeit für die Medienkonsumenten. Viele Menschen glauben, Presse, Rundfunk und Fernsehen seien gesteuert und informieren sich lieber bei zweifelhaften Quellen im Internet.

Auch das bedeutet eine Gefahr für die Meinungsbildung. Mehr Transparenz bei den Eigentumsverhältnissen der Medien leistet einen Beitrag dazu, unabhängige Berichterstattung als solche wahrzunehmen.

Vielen Dank.

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC

(Dok. 13747)

Danke sehr, Herr Vorsitzender!

Danke sehr, liebe Frau Bilgehan, für diesen wirklich beeindruckenden Bericht. Heutzutage können wir so viele Medien nutzen wie noch nie zuvor. Andererseits haben wir zugleich eine unglaubliche Globalisierung. Auch hat sich die Medienlandschaft verändert: Den früheren traditionellen Journalismus haben heute die social media und internationalen Mediennetzwerke abgelöst, die mit ungeheurer Geschwindigkeit arbeiten.

Während wir von traditionellen Medien eine Medienethik fordern, ist uns das im Internet kaum möglich. Vieles wird in Sekundenschnelle als Wahrheit verbreitet und angenommen, was kein einziges Mal überprüft wurde, wie es im seriösen Journalismus gefordert wird.

Ich möchte mich dem Plädoyer der Kollegin Heinrich bezüglich der Pressefreiheit anschließen: Es gibt eine ganz starke Eigentümerverwebung. Konzerne, die eigentlich anderen Geschäften nachgehen, unterhalten Abteilungen für Medien. Vor allem jedoch gibt es eine „cross-ownership“: Ein Medienunternehmen besitzt Medien in den unterschiedlichsten Sparten, sei es nun Radio, Fernsehen, Gratiszeitungen, normale Tageszeitungen, Magazine oder Internetauftritte. Hier ist die von Frau Bilgehan geforderte Offenlegung der Eigentumsverhältnisse ein Muss.

In einigen Mitgliedsstaaten des Europarats ist die Regierung der größte Werbepartner, größer als die Telekom oder der Automobilsektor. Bei manchen Mitgliedsländern wissen wir nicht, wer die Eigentümer sind: anonyme Firmen in Zypern besitzen Medienunternehmen in anderen Ländern.

Doch auch Arbeitsrechtliches wird in einer globalisierten Medienwelt gebraucht: Redaktionsstatute, Presseräte, ein Ethik-Selbstregulativ.

Ich selbst war 10 Jahre lang Chefredakteur eines Magazins und kenne die Arbeitswelt. Daher bin ich für diesen Bericht dankbar, denn wir brauchen die Transparenz, die hier gefordert wird. Eine Anregung an den Generalsekretär und das Ministerkomitee: Diese zentrale Meldestelle für unsere Mitgliedsstaaten sollten wir vielleicht hier im Europarat ansiedeln.

Danke.