AL15CR26

AS (2015) CR 26
Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2015

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(3. Teil)

BERICHT

26. Sitzung

Donnerstag, 25. Juni 2015, 16.00 Uhr

Andrej HUNKO, Deutschland, UEL/GUE
(Dok. 13808)

Vielen Dank, Frau Präsidentin!

Das Schicksal von vermissten oder verschwundenen Personen ist leider eine sehr häufige, furchtbare Begleiterscheinung von Krieg und Bürgerkrieg. Hier geht es um die Ukraine, aber auch in der Vergangenheit gab es das häufig.

Um nur ein weiteres Beispiel zu geben, möchte ich noch einmal daran erinnern, dass es in der Türkei seit der Eskalation der Kämpfe zwischen dem türkischen Staat und der PKK Ende der Neunzigerjahre nach wie vor über mehrere 1000 unaufgeklärte Fälle von verschwundenen Personen gibt.

Die Voraussetzung für die Aufklärung des Schicksals der Vermissten ist, dass einen Friedensprozess gibt, dass wenigstens die Minsk-II-Vereinbarungen eingehalten werden. Herr Sheridan macht in diesem Zusammenhang viele gute Vorschläge.  Denn wenn der Konflikt in der Ostukraine weiter eskaliert, wie es gegenwärtig den Anschein hat, wird es sehr schwierig, diese Forderungen umzusetzen.

Leider müssen wir feststellen, dass seit Ende April die Kämpfe Tag für Tag wieder zunehmen und das Minsk-II-Abkommen von beiden Seiten gebrochen wird. Heute sagt zum Beispiel der stellvertretende Vorsitzende der OSZE-Mission, Alexander Hug: „Sicher ist, beide Seiten halten sich nicht an die Vereinbarungen, vor allem an den Abzug schwerer Waffen und einen Waffenstillstand.“ Und gefragt, welche Seite sich denn weniger daran halte, antwortet er: „Das kann ich nicht beurteilen; beide Seiten gleichermaßen.“ Diese ausgewogene und neutrale Herangehensweise der OSZE-Mission ist vorbildlich.

Hinsichtlich der Vermissten nimmt der Bericht leider fast ausschließlich Bezug auf die Zahlen der ukrainischen Behörden;  vielleicht war es anders nicht möglich. Es ist die Rede von 1300 Personen. Es gibt auch Zahlen aus der so genannten Volksrepublik Donezk. Hier geht es nach den letzten mir bekannten Zahlen um 1732 Vermisste.

Ich hätte mir gewünscht, dass in dem Bericht versucht würde, die unterschiedlichen Informationen zusammenzubringen, um einen kompletten Überblick zu erhalten. Ähnlich wie bei der Verletzung des Waffenstillstands ist es ja auch bei den Vermissten nicht so, dass nur die eine Seite verantwortlich wäre, sondern sehr wahrscheinlich beide.

Der Bericht heißt “Vermisste Personen im Ukraine-Konflikt“. M.E. reicht es nicht aus, nur auf die umkämpften Gebiete in der Ostukraine und auf der Krim zu schauen, denn nach wie vor gibt es beispielsweise einige Personen, die infolge des Massakers von Odessa am 2. Mai 2014 vermisst werden. Die offiziellen Zahlen sprechen in diesem Zusammenhang von 48 Toten, während ich persönlich die Namen von 60 Personen habe, die seither vermisst werden. Diese Differenz muss aufgeklärt werden. Damit befasst sich nach meinen Informationen die Gruppe von Generalsekretär Jagland.

Abschließend möchte ich sagen, dass die hier vorgebrachten Vorschläge vor allem technisch sehr sinnvoll sind. Um sie verwirklichen zu können, ist es notwendig, dass Minsk II umgesetzt wird und es zu einem Waffenstillstand kommt, denn das ist die Voraussetzung dafür, sich wirklich des Problems der Vermissten annehmen zu können.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC
(Dok. 13808)

Danke sehr, Frau Präsidentin!

Im Namen der sozialistischen Gruppe möchte ich Jim Sheridan zutiefst für diesen Bericht danken, denn er legt den Finger auf das wohl dunkelste Kapitel von bewaffneten Auseinandersetzungen: das der vermissten Personen.

Wenn Eltern nicht wissen, wo ihr Kind ist, ob es lebt oder sich in Gefangenschaft befindet, wenn ein Mann oder eine Frau nicht weiß, was aus dem Partner geworden ist – das ist furchtbar. Viele Vermisste kehren nie zurück, wurden vielleicht in einem Massengrab verscharrt. Doch auch dann ist Aufklärung wichtig, damit man abschließen kann – nicht nur die Familie, sondern auch die Gesellschaft. Das war auch am Beispiel Bosnien zu sehen.

Eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür ist es, dass die internationale Gemeinschaft alles unternimmt, damit Minsk II tatsächlich zu einem dauerhaften Frieden führt. Ich bin hier nicht so pessimistisch wie mein Vorredner, Herr Hunko, denn ich glaube, dass man sich auf beiden Seiten bewusst ist, dass es zu Minsk II keine Alternative gibt.
 
Auch mir liegen Vermisstenzahlen von etwa 1700 Personen vor – Ukrainer, Russen, Tataren, Zugehörige anderer Ethnien, die in der Donbass-Region und auf der Halbinsel Krim als vermisst gelten. Eine unserer wichtigsten Forderungen, die wir auch am Mittwoch erneut unterstrichen haben, ist es, Zugang zur Krim zu erhalten, um eine Untersuchung vornehmen zu können.

Auch hier möchte ich an Bosnien erinnern – wie wichtig war es, dass es hier Instanzen über den nationalen Stellen gab! Deshalb appelliere ich an die Ukraine, doch über eine Anerkennung und den Beitritt zum Den Haager Gerichtshof  nachzudenken. Dies gilt in gleicher Weise für die Russische Föderation.

In Bosnien hatten wir einen internationalen obersten Richter, der all diese Exhumierungen vornahm. Wir brauchen solche Untersuchungen, denn wir haben eine Verantwortung vor all jenen, die hoffen, dass die geliebte vermisste Person noch lebt. Dafür ist es notwendig, z.B. dem Internationalen Kreuz, der OSZE, aber auch dem Europarat Zugang zu der Region zu gewähren.

Wir haben aus den schaurigen Erlebnissen in Bosnien gelernt und können all diese Mechanismen wieder in Gang setzen. Wenn Menschen in Massengräbern gefunden werden, muss es eine uneingeschränkte Untersuchung geben. Auch die Untersuchung von Kriegsverbrechen ist für das künftige Zusammenleben in einer Gesellschaft notwendig.

In diesem Sinne hoffe ich, dass der Gefangenenaustausch weitergeht. Hier geht es jedoch nicht um Gefangene, die ja identifiziert sind, sondern um Vermisste.

Ich danke Herrn Sheridan erneut für seinen Bericht über dieses Drama.

Danke.