AL16CR05

AS (2016) CR 05
Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2016

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(1. Teil)

BERICHT

05. Sitzung

Mittwoch, 27. Januar 2016, 10.00 Uhr

Alfred HEER, Schweiz, ADLE / ALDE

(Dok. 13942, Dok. 13941)

Herr Präsident,

geschätzte Dame und Herr Rapporteur!

Ich danke Ihnen für den Bericht.

Wir als Mitglieder des Europarates müssen uns leider eingestehen, dass wir gegenüber der Situation, wie wir sie antreffen, hilflos sind. Wir diskutieren jetzt seit Jahren über diese Migrationsströme, ohne dass wir eine wesentliche Verbesserung sehen könnten. Im Gegenteil: Wir sehen jeden Tag eine Verschlechterung.

Wir sehen dies darin, dass die Schengen- und Dublin-Bestimmungen nicht mehr gelten, und darin, dass die europäischen Regierungen dieser Flüchtlingswelle hilflos gegenüberstehen. Wir sehen eine Frau Bundeskanzlerin im größten Land Europas, Deutschland, welche eine „Willkommenskultur“ pflegt und die Flüchtlinge willkommen heißt, aber im nächsten Augenblick den Vorschlag macht, diese Flüchtlinge in Europa zu verteilen. Dies ist natürlich nicht ganz ehrlich.

Ich höre die sozialistische Vertreterin von Frankreich fragen, wieso die Flüchtlinge so lange warten müssen – ich möchte Sie als französische Abgeordnete aber daran erinnern, dass es Ihr Land ist, das beispielsweise wieder Grenzkontrollen einführt, auch zwischen Italien und Frankreich. Wenn Sie heute mit dem Auto von der Schweiz nach Straßburg fahren, kommen Sie über die Brücke in Kehl, wo die französische Polizei Grenzkontrollen durchführt.

Verstehen Sie mich nicht falsch, ich habe nichts gegen Grenzkontrollen, aber wir dürfen nicht heucheln und in diesem Rat erzählen, wie wir uns für Flüchtlinge einsetzen, wenn unsere Regierungen genau das Gegenteil tun.

Ich denke, hier liegt die Crux: Wir finden keine Lösung, obwohl europäische Staaten z.B. an der Zerschlagung des Iraks und Libyens Verantwortung tragen. Ich sage nicht, dass die Diktatoren Hussein und Gaddafi meine Freunde waren, aber es war offensichtlich, dass es keine Strategie gab, wie man diese Länder demokratisieren und strategisch aufbauen könnte, damit nicht das geschähe, was jetzt passiert ist, nämlich dass wir eine brutal vorgehende Terrororganisation ISIS haben, die Vogelfreiheit genießt.

Es ist leider nicht mehr als logisch, dass natürlich auch kriminelle Schlepper diese Situation ausnutzen und auch Terroristen sich diese Migrationsströme zu Nutze machen. Wenn wir diese Migrationsströme bewältigen wollen, hilft nur Eines: Wir müssen im Irak, in Libyen und Syrien Frieden schaffen.

Hier wäre der Europarat gefragt, die Aufgaben zu übernehmen, welche andere eben nicht erledigen.

Besten Dank.

Tobias ZECH, Deutschland, PPE/DC / EPP/CD

(Dok. 13942, Dok. 13941)

Herr Präsident,

meine Damen und Herren!

Sie sehen jetzt schon in der Debatte, wie weit die Themen auseinanderliegen. In den letzten 20 Minuten habe ich von der islamischen Armee, die Europa angreift, bis hin zu fehlendem Humanismus in Europa alles gehört. Wie so oft liegt hier die Wahrheit in der Mitte.

Zuerst einmal vielen Dank für die aus meiner Sicht hervorragenden Berichte, vor allem für jenen, der die Schleuserkriminalität in den Vordergrund stellt.

Menschenhandel in Europa, der dazu führt, dass in Österreich Menschen an einem Autobahnrasthof am Rande einer viel befahrenen Straße in einem Lkw verhungert, verdurstet und erstickt sind. Das ist die Realität von Menschenhändlern, die aus dem Leid von Menschen Profit schlagen. Es ist richtig, die Bekämpfung des Menschenhandels in den Fokus unserer polizeilichen Arbeit zu stellen. Er muss mit aller Härte bestraft werden.

Die Debatte zeigt aber auch, dass wird darüber sprechen müssen, wie unsere Grenzen zu schützen sind. Das Schließen von Grenzen würde sicherlich nicht das Ende von Europa bedeuten; das Ende von Europa wäre es, wenn wir die Menschen in unseren Heimatländern nicht mehr davon überzeugen können, an Europa zu glauben.

Momentan sieht sich jeder von uns zu Hause neben der großen humanitären Herausforderung mit einem steigenden Sicherheitsbedürfnis konfrontiert. Das gilt auch für Deutschland, obwohl wir sicherlich, auch humanitär, viel unternommen haben. Wir sind unseren Mitmenschen in unseren Heimatländern gegenüber verpflichtet, dieses Sicherheitsbedürfnis zu erfüllen. Sichere Grenzen sind eine Möglichkeit, dieses Sicherheitsgefühl wiederherzustellen. Doch wir müssen uns bewusst sein, dass das nicht die Lösung ist.

Wir sprechen heute nur über Symptome und darüber, wie wir sie in Europa lösen. Es ist nicht human, zu glauben, wir können den Flüchtlingen aus Kriegsgebieten hier in Europa ein neues Zuhause geben.

Human wäre es, zu sagen: Wir helfen den Flüchtlingen, dass sie wieder in ihr eigenes Zuhause zurückkehren können. Wir helfen gemeinsam, in Syrien wieder Verhältnisse herzustellen, die ein friedliches Neben- und Miteinander garantieren. Wir helfen den an die Kriegsgebiete angrenzenden Ländern, z. B. der Türkei, Jordanien und dem Libanon, mit diesem Zustrom fertig zu werden. Das wäre human.

Aber hier versagen wir als Weltgemeinschaft jetzt seit mehreren Monaten. Ich würde Sie bitten, in Ihren Heimatparlamenten dafür zu werben, dass wir diesen Ländern mehr Hilfe zukommen lassen.

Ich habe noch eine persönliche Bitte an Sie, Herr Präsident: Europa ist aus den Fugen und das könnte die Stunde des Europarats sein. Wir haben hier die Zeit und die Möglichkeit, über die Werte zu diskutieren, die uns verbinden und nicht über das, was uns trennt. Lassen Sie uns diese Chance nutzen!

Vielen Dank.