AL16CR08      

AS (2016) CR 08
Provisorische Ausgabe

 

SITZUNGSPERIODE 2016

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(1. Teil)

BERICHT

08. Sitzung

Donnerstag, 28. Januar 2016, 15.30 Uhr

 

Frank SCHWABE, Deutschland, SOC

(Dok. 13943 und 13940)

Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

Im Namen der sozialistischen Fraktion möchte ich mich bei Mailis Reps und Yves Cruchten herzlich für diese wirklich hervorragenden Berichte bedanken. Es sind mutige Berichte, die die Dinge klar ansprechen, Berichte für Menschen, die sich im Sinne des Europarats und unserer Werte mutig einsetzen.

Diese Menschen sind vor Ort für die Menschenrechte aktiv, während wir hier in einem warmen Haus sitzen. Manchmal sind die Debatten hier auch schwierig, aber diese Menschen sind täglicher Gefahr, Sorge und Druck ausgesetzt und setzen manchmal sogar Leib und Leben ein. Deswegen brauchen Menschenrechtsverteidiger und die Nichtregierungsorganisation unseren Schutz.

NGOs haben eine klare, manchmal durchaus provokante Sicht auf die Dinge – für viele Regierungen zu provokant. Wir folgen ihrer Sicht auch nicht immer zu 100%, das ist oft gar nicht möglich, aber sie sind allemal bessere Ratgeber für uns als die nationalen Regierungen, die naturgemäß eine etwas positivere Sicht auf die Lage im eigenen Land haben.

Wie in den Berichten hervorragend herausgearbeitet wird, gibt es leider weltweit eine negative Entwicklung, was den Raum von NGOs und Menschenrechtsverteidigern betrifft. Hier geht es nicht nur um Staaten des Europarats, sondern vor allem China, Indien, sowie lateinamerikanische Länder wie Ecuador; Staaten, die die die Europäische Menschenrechtskonvention nicht unterschrieben haben.

Aber es sind eben auch Mitgliedsstaaten des Europarats betroffen, welche die Europäische Menschenrechtskonvention unterschrieben und daher eine besondere Verpflichtung haben. Die Länder, die leider besonders schlimm gegen die Regeln verstoßen, sind in den beiden Berichten genannt: Russland, die Türkei, Aserbaidschan, aber auch Ungarn.

Sie zeichnen sich nicht nur dadurch aus, dass sie NGOs das Leben schwer machen, sondern gründen auch andere Organisationen, vermeintliche NGOs, die aber im Sinne ihrer Regierungen arbeiten. Manche Medien werden nur dazu gegründet, um Desinformation zu organisieren. Auch darüber müssen wir in den nächsten Jahren stärker reden.

Alle Empfehlungen der Venedig-Kommission, des Menschenrechtskommissars und unserer Versammlung wurden aufgezählt. Wir haben die Macht des Wortes. Den höchsten Schutz allerdings genießen Menschenrechtsverteidiger und NGOs durch den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof. Dieser muss deswegen verteidigt werden.

Es ist schlicht inakzeptabel, wenn Länder wie Russland, teilweise aber auch andere Staaten, wie Großbritannien, die Kompetenz des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Frage stellen oder einfach, wie Aserbaidschan, Urteile penetrant nicht umsetzen; der Fall Mammadow wurde bereits erwähnt. Es ist richtig, dass der Generalsekretär dazu jetzt nachdrücklich tätig wird und eine Kommission nach Aserbaidschan entsendet.

2006 gab es 20 Länder auf der Welt, die NGOs besonders einschränkten. Mittlerweile sind es schon 50. Sie tun das in vielfältigster Art und Weise und mit großer Fantasie durch Steuern, besondere Kontrollen, Regeln für Finanzbeziehungen, Einschüchterung, Verhaftungen, Ausweisungen, bis hin zur Schließung von Büros.

Besonders negativer Vorreiter ist Russland; angesprochen wurde der Fall der „ausländischen Agenten“ – als solche werden die NGOs dort beschimpft.

Das andere Land, das an der Spitze der negativen Beispiele steht, ist Aserbaidschan. Kritischen NGOs wird die Arbeit dort praktisch unmöglich gemacht und bei vielen Menschenrechtsverteidigern herrscht Angst. Khadija Ismayilova, die ja hier zu Besuch war, sitzt heute im Gefängnis. Wenn wir nachher ein diesbezügliches Amendment ablehnen müssen, dann nicht, weil wir den Fall nicht benennen wollen, sondern weil er einfach nicht in die Struktur des Beschlusses passt.

Der Schutz der Menschenrechtsverteidiger und der NGOs ist eine der zentralen, wenn nicht die zentrale Verantwortung dieser Versammlung.

Gabriela HEINRICH, Deutschland, SOC

(Dok. 13943 und 13940)

Herr Präsident, vielen Dank!

Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Wie kann es überhaupt sein, dass wir einen Bericht über die Stärkung des Schutzes und der Rolle von Menschenrechtsaktivisten in den Mitgliedstaaten des Europarates brauchen?


Diese Länder haben die einschlägigen Abkommen unterzeichnet. Warum müssen die Menschenrechte verteidigt werden? Warum sehen sich Menschen, die das tun, immer wieder mit staatlichen Repressionen konfrontiert?

Der Bericht ist wichtig, weil in einigen Mitgliedstaaten die Realität eine andere ist, als es die Abkommen glauben lassen. Daher danke ich Mailis Reps recht herzlich für diesen hervorragenden Bericht.

Sie führt uns vor, dass es Angriffe gegen Menschenrechtsverteidiger eben nicht nur weit entfernt auf anderen Kontinenten gibt. Ganz besonders wichtig scheint mir die folgende Passage zu sein:

Staaten müssen dafür sorgen, dass nichtstaatliche Repressionen gegenüber Menschenrechtsaktivisten unterbleiben, denn sehr häufig werden Menschenrechtsverteidiger Opfer von Gruppierungen, die sich über Recht und Gesetz hinwegsetzen wollen. Davon betroffen sind Frauenrechtlerinnen, LGBTI-Aktivisten ebenso wie Menschen, die sich für Flüchtlinge einsetzen.“

Auch in diesen Fällen ist der Rechtsstaat massiv bedroht. Das ist durchaus eine Herausforderung für viele Mitglieder des Europarates.

Die Einschüchterung der Zivilgesellschaft durch die Zivilgesellschaft ist ein Thema, das uns weiter beschäftigen wird. Mailis Reps nennt die Dinge ebenso deutlich beim Namen wie Yves Cruchten. Das ist bei diesen beiden Themen das einzig Richtige.

Es ist wichtig, die Länder zu nennen, in denen wir verbürgt wissen, dass Menschenrechtsaktivisten mit Repressalien und Gewalt rechnen müssen. Es ist unsere Aufgabe, dieses hier immer wieder anzusprechen und es ist beschämend, wenn hier ein ums andere Mal versucht wird, es zu relativieren oder gar zu leugnen.

Das Gleiche gilt für den zweiten Bericht und die Beschreibung der zunehmenden Restriktionen gegenüber NGOs.

Deshalb stehe ich überzeugt hinter den Forderungen, die in beiden Berichten gestellt werden. Sie gelten nicht nur für einzelne Länder. Alle Mitgliedsstaaten des Europarates sind gefordert, immer wieder zu überprüfen, ob sie genug für Menschenrechtsverteidiger und die Aktivitäten der Zivilgesellschaft tun.

Auch wir als Parlamentarier der Mitgliedsstaaten des Europarats sind aufgefordert, diese Forderungen umzusetzen.

Können wir für ein sicheres Umfeld für Menschenrechtsaktivisten aus anderen Ländern sorgen? In den Niederlanden gibt es die sog. Shelter Cities. Dort finden manche Rechtsverteidiger zumindest für eine bestimmte Zeit ein sicheres Umfeld. Solche Schutzmaßnahmen sind auch in anderen Ländern Europas möglich.

Der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechtsverteidiger, Michel Forst, hat jüngst bedauert, dass er von vielen Staaten gar nicht ins Land gelassen wird. Auch hier können wir unterstützen, wenn unsere Botschaften im Ausland für seinen Besuch werben oder ihn einladen.

Mit solchen Aktivitäten zeigen wir, dass es uns allen damit ernst ist, diejenigen zu verteidigen, die unter Einsatz ihrer Gesundheit oder ihres Lebens die Menschenrechte verteidigen.

Vielen Dank.