AL16CR21

AS (2016) CR 21
Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2016

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(3. Teil)

BERICHT

21. Sitzung

Dienstag, 21. Juni 2016, 10.00 Uhr

Axel E. FISCHER, Deutschland, EPP/CD / PPE/DC

(Dok. 14082)

Vielen Dank, Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

Griechenland ist zweifellos derzeit in der Flüchtlingskrise sehr stark belastet. Auch mit Blick auf die ökonomischen und finanziellen Schwierigkeiten in Griechenland war und ist die hohe Zahl der dortigen Flüchtlinge eine enorme Herausforderung für das Land.

Wenn wir das Wesen dieser Wanderungsbewegungen betrachten, dann müsste allen völlig klar sein, dass die Flüchtlings- und Migrationskrise im östlichen Mittelmeerraum nicht allein ein griechisches Problem ist.

Praktisch alle europäischen Staaten spüren mittlerweile die Folgen der Flüchtlings- und Migrationsbewegungen. Es war von daher auch nicht verwunderlich, dass allein schon die schiere Masse an Migranten, die über die Ägäis ankamen, die Behörden in Griechenland natürlich an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit und darüber hinaus gebracht haben. Wir beklagen zu Recht teilweise nicht haltbare Beeinträchtigungen der Situation von Flüchtlingen und Migranten in den dortigen Flüchtlingslagern.

Zwar gab es seit einem Jahr vielfältige Initiativen von Seiten der EU und der Mitgliedsstaaten – auch von Deutschland – zur Verbesserung der Lage der Flüchtlinge. Wir haben gemeinsam mit Nichtregierungsorganisationen und der UNHCR Griechenland solidarisch unterstützt. Aber erst seit der EU-Türkei-Vereinbarung ist die Zahl neu ankommender Flüchtlinge auf den griechischen Inseln stark zurückgegangen. Das ist ein großer Erfolg gegen die organisierte Kriminalität von Schlepperbanden und bedeutet den Schutz von Menschenleben, die bei abenteuerlichen Überfahrten gefährdet worden wären.

Dies hat uns notwendige Zeit zum Luftholen verschafft, und es ist anerkennenswert, wie umsichtig und gewaltfrei die griechischen Behörden mittlerweile das Flüchtlingslager in Idomeni geräumt und die Flüchtlinge auf umliegende Aufnahmezentren verteilt haben.

Ich denke, das zunehmend engere gemeinsame europäische Zusammenwirken durch Unterstützung der griechischen Behörden bei Registrierungen, Anhörungen, Küstenschutz könnte eine neue Phase europäischer Asyl-, Flüchtlings- und Grenzschutzpolitik einläuten.

Finanzielle Mittel, Material und humanitäre Hilfe der EU und der Mitgliedsstaaten werden eingesetzt. Die EU-Kommission koordiniert die Unterstützung des griechischen Grenz- und Küstenschutzes, sowie die dortige Asylbehörde über Frontex und EASO (European Asylum Support Office).

Die Unterstützung Griechenlands durch ganz Europa muss weiter gehen. Eine wesentliche Voraussetzung für weiteren Erfolg wird sein, dass die griechischen Behörden Sicherheit für Flüchtlinge wie auch für alle anderen an den Verfahren Beteiligten aus vielen europäischen Staaten gewährleisten können. Auch hierbei sollten wir sie nach Kräften unterstützen.

Ich darf der Berichterstatterin sehr herzlich gratulieren, weil dieser Bericht ohne Beschönigungen darstellt, wie die Situation vor Ort ist.

Dankeschön.

Alfred HEER, Schweiz, ALDE / ADLE

(Dok. 14082)

Sehr geehrter Herr Präsident!

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen!

Auch ich möchte mich bei den Rapporteuren für diesen Bericht bedanken. Ich möchte ausdrücklich erwähnen, dass ich anlässlich des Besuches der Ad-hoc-Kommission in Griechenland einen guten Eindruck über die Arbeit der griechischen Behörden gewonnen habe.

Auch möchte ich nochmals den türkischen Kolleginnen und Kollegen für das danken, was sie bislang in der Frage der Flüchtlingspolitik geleistet haben. Hier könnte sich Europa ein Vorbild nehmen. Wir diskutieren immer über Solidarität, aber wenn es darum geht, Flüchtlinge aufzunehmen, wird viel versprochen, aber nichts gehalten.

Die EU-Kommission hat bekanntlich beschlossen, dass es eine Umverteilung der Flüchtlinge geben sollte. Frau Strik hat in ihrem Bericht in Punkt 41 deutlich gesagt, dass bis jetzt nicht einmal 1000 Flüchtlinge transferiert wurden.

Daran wird deutlich, dass die EU nicht funktioniert, dass die Solidarität nicht funktioniert und dass es einige wenige Länder in Europa gibt, die die Hauptlast der Aufnahme tragen, insbesondere Schweden, Deutschland, die Schweiz, Österreich und Holland. Andere Länder tun eigentlich gar nichts, halten hier im Europarat aber schöne Sonntagspredigten.

Ich denke dabei vor allem an die Vertreter von Großbritannien, welche ihr Land ja komplett abgeriegelt haben. Sie können das natürlich, da sie eine Insel sind und gegenüber den Ländern auf dem europäischen Festland einen geographischen Vorteil besitzen.

Ich möchte betonen, dass wir alle betroffen sind, dass sich auch alle solidarisch zeigen sollten und dass es nicht sein kann, dass die Hauptlast auf nur wenige europäische Länder verteilt wird.

Der griechische Kollege hat bereits angesprochen, dass die Flüchtlinge nicht in Griechenland bleiben wollen. Das verstehe ich auch, denn die ökonomische Situation in Griechenland ist nicht so, dass man diese Leute über längere Zeit sozial betreuen oder in der Zukunft Arbeitsplätze gewährleisten kann.

Im Hinblick auf die Ägäis ist das Problem wenigstens halbwegs gelöst. Allerdings sind wir mit großen Flüchtlingsströmen konfrontiert, die zurzeit immer noch von Libyen nach Italien gelangen. Dieses Problem wurde bislang noch nicht angegangen.

Ich bitte deshalb die EU und auch die Vertreter hier im Europarat, dafür zu sorgen, dass die Mittel in die Länder gehen, in denen es Probleme gibt. Nur so kann man die Zustände dort verbessern, damit es keine Flüchtlingsströme mehr gibt, weil die Leute dort ein Auskommen haben.

Besten Dank.

Frank SCHWABE, Deutschland, SOC

(Dok. 14082)

Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir diskutieren hier über die Situation in Griechenland anlässlich der Reise, die dorthin stattgefunden hat. Doch eigentlich sprechen wir über etwas ganz anderes, nämlich darüber, dass 65 Millionen Menschen auf der Flucht sind, und dass die Welt dabei fundamental versagt. Denn wir sind nicht in der Lage, die Menschen dort, wo sie fliehen, vernünftig zu versorgen.

Wir sprechen auch deshalb über Griechenland, weil die EU nicht zu einer solidarischen und abgestimmten Haltung in der Lage ist. Auch das ist ein fundamentales Versagen von historischer Dimension. In der Folge erleben wir eigenmächtige Grenzschließungen und einen mit heißen Nadeln gestrickten EU-Türkei-Flüchtlingsdeal, der die Anforderungen des internationalen Rechts und die Anforderungen, die man eigentlich an den Schutz von Flüchtlingen haben muss, wirklich nicht erfüllt.

Ich war vor kurzem in einem Abschiebegefängnis in der Türkei. Dort waren 348 „Insassen“, von denen sich kein einziger in einem Asylverfahren befand. Das ist kein Vorwurf an die Türkei, sondern schlichtweg die Realität. Die Türkei ist zu solchen geordneten Asylverfahren z.Z. gar nicht in der Lage.

Zu dem, was der stellvertretende Minister für Migrationspolitik aus Griechenland, Ioannis Mouzalas, vorhin sagte, möchte ich eine Korrektur anbringen: Deutschland hat die Türkei nicht als sicheres Herkunftsland anerkannt, das möchte ich nur klarstellen. Auch kann ich mir nicht vorstellen, dass Deutschland das tun könnte.

Weil wir ein fundamentales internationales und europäisches Versagen haben, gibt es derzeit mehr als 50 000 Geflüchtete in Griechenland, einem Land, das in der Tat selber riesige wirtschaftliche und soziale Probleme hat. Deshalb ist es gut, dass es, wie mehrfach hier gesagt wurde, bei den Griechen eine unglaubliche Hilfsbereitschaft und eben keine Ressentiments gegenüber den Flüchtlingen gibt. Trotz der eigenen schwierigen sozialen Situation versucht man, den Menschen zu helfen.

Ich habe mir einige Orte in Griechenland angeschaut, z.B. einen Ort zwischen Trikala und Larissa, wo trotz der Schwierigkeiten zwischen dem griechischen Zentralstaat und den Kommunen in einem Camp mit 2500 Flüchtlingen alles versucht wird, diese Personen menschenwürdig unterzubringen.

Es ist gut, dass die EU Hilfsgelder aufgerufen hat, es wäre aber viel wichtiger, dass die EU insgesamt dazu beiträgt, dass Griechenland wieder auf die Beine kommt. Es wäre gut, wenn die EU ihre eingegangenen Verpflichtungen einhält, das Personal zu schicken, und wenn Europa zu einer solidarischen Resettlement-Lösung in der Lage wäre.

Am Ende müssen wir politische Lösungen finden. Ansonsten wird Griechenland durch die aktuelle Situation gerade ein wenig entlastet, doch es ist nicht absehbar, welche Belastungen in Zukunft noch auf das Land zukommen werden.

Deshalb ist es richtig, dass Griechenland die volle Unterstützung Europas erhält.

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC

(Dok. 14082)

Danke sehr, Herr Präsident!

Ich möchte mich ausdrücklich bei beiden Berichterstatterinnen für ihre Berichte bedanken, die wir heute bekommen haben. Auch bei Griechenland möchte ich mich bedanken, denn es hat vor dem Hintergrund einer sehr schwierigen eigenen wirtschaftlichen Lage Hilfe geleistet und etwas gezeigt, von dem wir auch in Europa lernen können: nämlich, dass man helfen kann und nicht ausländerfeindlich wird, auch wenn man an die Grenzen stößt.

In Österreich erinnern wir uns sehr gut an 1956. Damals, als Österreich sich mitten im Wiederaufbau nach dem Krieg befand, viele Gebäude noch zerstört waren und die Wirtschaft nicht funktionierte, kamen 200 000 Ungarn ins Land. Diese wurden in Österreich willkommen geheißen. Vielleicht kann man manchmal mit offenerem Herzen helfen, wenn man sich selbst in Schwierigkeiten befindet. Deshalb mein tiefer Respekt für das, was Griechenland hier geleistet hat.

Ich sage offen, dass ich kein Freud des EU-Türkei-Abkommens bin. In einigen Wortmeldungen hieß es, die Schlepper würden dadurch zurückgedrängt. Doch leider ist es so, dass jetzt mehr Menschen sterben, weil sie nun gefährlichere Routen über das Mittelmeer wählen müssen. Das sollten wir nicht vergessen.

Es wurde die europäische Verantwortung angesprochen. Die EU-Kommission will ihrer Verantwortung nachkommen, doch in Europa übernehmen diese Verantwortung lediglich 5 Staaten, nämlich Schweden, Deutschland, Österreich, Griechenland und Italien. Die Frage ist also: warum nur so wenige? Die EU hat bereits mehrfach gezeigt hat, dass sie handeln will, doch die Mitgliedsstaaten sind dem nicht gefolgt. Kritisieren wir also bitte nicht die EU dafür.

Obwohl es nicht notwendig ist, möchte ich mich hier bei Griechenland für eine Meldung aus Österreich entschuldigen, die die internationalen Medien beschäftigt hat: Die Aussage des Außenministers, dass man eine Insel nehmen und dazu verwenden sollte, um Menschen dort hinzubringen. Wir alle wissen, dass auf griechischen Inseln Menschen leben, die der Landwirtschaft und dem Tourismus nachgehen. Hier im Haus der Menschenrechte darf das australische Beispiel niemals ein Vorbild zur Bewältigung einer Flüchtlingskrise sein.

Danke.

Eduard KÖCK, Österreich, PPE/DC / EPP/CD

(Dok. 14082)

Sehr geehrter Vorsitzender!

Sehr geehrte Berichterstatterin!

Wir haben heute aus meiner Sicht zwei Ansichten zu diesem Thema gehört: Zum einen die etwas idealistische Ansicht der Berichterstatterin, zum anderen die realistische Ansicht des griechischen Außenministers.

Dies möchte ich mit zwei Themen herausarbeiten. Das erste ist die fehlende Solidarität in Europa. Wir sehen seit einigen Monaten und auch Jahren, dass es viele Länder gibt, die die die Ansicht vertreten, solange sie dieses Problem nicht betrifft, werden sie auch nicht mithelfen. Sie überlassen die Hilfe denjenigen, die gerade damit beschäftigt sind.

Deshalb müssen sich die Länder, die die Hauptlast tragen, schützen, damit sie selbst nicht zu stark belastet werden, wodurch es zu nationalistischen Verwerfungen kommen kann.

Das Schließen der Balkanroute und das Abkommen mit der Türkei haben zu positiven Veränderungen geführt. Es ertrinken keine Menschen mehr in der Ägäis und es kommen weniger Flüchtlinge nach Griechenland. Solche Schritte müssen wir auch in Zukunft unternehmen.

Wir in Österreich unternehmen jedenfalls alle Schritte, um sicherzustellen, dass wir die für dieses Jahr beschlossene Anzahl von rund 40 000 Asylsuchenden nicht überschreiten werden. Gemessen an unserer Bevölkerung und gemessen daran, was andere Länder hier in Europa tun, ist das eine sehr hohe Anzahl.

Das zweite Thema ist das Verhalten der Migranten - Idomeni wurde angesprochen. Wir müssen genau hinschauen, was dort passiert ist. Dort sind Menschen mit ihren Kindern in einem Lager geblieben, das in einem sehr schlechten Zustand war, anstatt in ein gutes Lager zu gehen, das sich unweit davon befand.

Das hat deutlich aufgezeigt, dass es hier nicht um Hilfe geht, sondern um das Erreichen eines Wunschziels. Denn in einer schwierigen Lage nimmt man jede erdenkliche Hilfe an. Auch war die Verärgerung darüber, dass dieses Wunschziel unerreichbar blieb, groß.

Viele andere Beispiele machen ersichtlich, dass das sehr oft der Fall ist. So hat beispielsweise Portugal die Aufnahme von 7000 Asylanten angeboten, aber nur 500 bekommen, denn offensichtlich will niemand dorthin gehen.

Europa muss handeln und die richtigen Maßnahmen ergreifen, sonst wird das Problem immer größer werden. Wir müssen Zeichen setzen, um die Einwanderung zu erschweren.

Hier wird doch deutlich, dass keine Länder mehr Einwanderer wollen. Also lassen Sie uns das auch sagen. Wir müssen Bootsflüchtlinge dorthin zurückbringen, wo sie in das Boot eingestiegen sind, denn je mehr Menschen gerettet werden, desto mehr setzen sich in ein Boot - und desto mehr ertrinken.

Wir müssen legale Asylwege finden, damit wir diese Menschen, die Hilfe brauchen, aufnehmen können.

Basis für alles Handeln ist die Solidarität in Europa, sonst wird sich Europa auseinander bewegen.

Danke an Griechenland: Sie haben hier Hervorragendes geleistet!