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AS (2016) CR 24
Addendum 1

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2016

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(3. Teil)

BERICHT

24. Sitzung

Dienstag, 22. Juni 2016, 15.30 Uhr

NICHT MÜNDLICH GEHALTENE
REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH

Annette GROTH, Deutschland, UEL/GUE
(Dok. 14078)

Erst einmal möchte ich den Berichterstatterinnen für den guten Bericht bedanken!

„Ausweitung der Kampfzone“ war der Titel eines Artikels, der letzte Woche im „Stern“ erschienen ist, einer der meist gelesenen Zeitschriften Deutschlands. Wenn man das Wort Kampfzone hört, denkt man an Krieg. Aber in besagtem Artikel geht es um die massiven Morddrohungen gegen meine Kollegin Sevim Dagdelen, deren Eltern aus der Türkei stammen, und um die Drohungen gegen 10 weitere Abgeordnete des deutschen Bundestags mit türkischen Wurzeln.

Wie Sie vielleicht wissen, hat der Bundestag kürzlich eine Resolution verabschiedet, die den Völkermord an den Armeniern durch das Osmanische Reich verurteilt hat. Schon vor der Abstimmung hagelte es massive Kritik von Seiten des türkischen Präsidenten Erdogan und seiner Regierung, Beschimpfungen und Drohungen wurden ausgesprochen. Erdogan bezeichnete die elf Abgeordneten mit türkischen Wurzeln als „Sprachrohr von Terroristen“ und behauptete, ihr Blut sei „verdorben“! Der türkische Justizminister Bekir Bozdag sagte über Deutschland: „Erst verbrennst Du Juden, dann klagst Du das türkische Volk an.“ Der Oberbürgermeister Ankaras verbreitete über Twitter gar Steckbriefe der elf Abgeordneten mit der Überschrift: „Sie fielen uns in den Rücken“.

Der Präsident des deutschen Bundestags eröffnete in Reaktion auf diese Ungeheuerlichkeiten  eine Parlamentssitzung mit den folgenden Worten: „Dass ein demokratisch gewählter Staatspräsident im 21. Jahrhundert seine Kritik an demokratisch gewählten Abgeordneten […] mit Zweifeln an deren türkischer Abstammung verbindet, hätte ich nicht für möglich gehalten[…].“

Türkische Verbände, die Erdogan nahestehen, haben inzwischen gegen die 11 Abgeordneten Klage eingereicht. Rechtliche Grundlage hierfür: Artikel 301 des türkischen Strafgesetzbuches, der Strafen von sechs Monaten bis zu zwei Jahren gegen Personen vorsieht, die „die türkische Nation, den Staat der türkischen Republik und die staatlichen Justizorgane öffentlich herabsetzt.“ Das ist quasi ein Einreiseverbot für die 11 Abgeordneten. Sie alle haben jetzt erhöhten Personenschutz.

Regierungsmitglieder, die zentrale Bestandteile der Europäischen Menschenrechtskonvention in Frage stellen und im In- wie im Ausland Menschen mit anderer Meinung verfolgen und mit dem Tod bedrohen, dürfen in keinem Fall hofiert werden!

Ich möchte meine Solidarität mit den inhaftierten Journalist*innen, Menschenrechtler*innen und mit den 138 türkischen Parlamentarier*innen erklären, denen die Immunität entzogen wurde und die aller Voraussicht nach verurteilt werden!

Wenn wir die Kampagne des Europarats No hate - no fear ernst nehmen, müssen wir Erdogan klar ein Stopsignal setzen. Wir werden die  massiven Menschenrechtsverletzungen, das Töten unschuldiger Kinder, Frauen und Männer, die massive Bedrohungen und Inhaftierungen von Journalist*innen, Akademiker*innen und  Menschenrechtsverteidiger*innen nicht akzeptieren.