AL16CR36      

AS (2016) CR 36
Provisorische Ausgabe

 

SITZUNGSPERIODE 2016

________________

(4. Teil)

BERICHT

36. Sitzung

Freitag, 14. Oktober 2016, 10.00 Uhr

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC

(Dok. 14143)

Danke sehr Herr Präsident,

liebe Berichterstatterin!

Das ist ein großartiger Bericht, ich danke Ihnen sehr.

Anders als mein Freund Lord Andersen gehe ich nicht mit Angst an diesen Bericht, sondern ich sehe die positiven Potentiale darin. Würden alleine in meinem Land einen Tag lang Menschen mit Migrationshintergrund nicht arbeiten, würde unser Land wird die stillstehen. Das heißt die Migration hilft uns derzeit.

Ich möchte Ihnen besonders zu Ihrer sehr spannenden Wortschöpfung des „demografischen Winters“ gratulieren. Sie zeigt, dass unsere Gesellschaften überaltert sind. In Wien zum Beispiel haben ein Drittel aller Unternehmen einen Migrationshintergrund. Es sind genau diese Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen, denn sie sind in jenen Bereichen tätig, wo menschliche Arbeitskräfte benötigt werden.

Sehen wir uns die Zahlen in der medizinischen Versorgung im Bereich der Altenpflege an: 95 % aller Menschen, die in der Altenpflege arbeiten, haben einen Migrationshintergrund. Im Bauwesen zum Beispiel hätten unsere Kräne nichts mehr zu arbeiten, hätten wir keine Menschen mit Migrationshintergrund.

Allerdings sollte man auch nicht übersehen, dass ein Großteil der Migranten in Österreich aus Deutschland kommen. Auch das ist nicht so einfach, und es müssen Maßnahmen der Integration ergriffen werden.

Aber wichtig ist, dass wir erkennen, dass Integration eine sehr schwierige Aufgabe ist. Integration passiert nicht einfach, sondern erfordert große Anstrengungen und auch den Integrationswillen seitens jener, die kommen.

In Ihrem Bericht steht, dass wir alles tun müssen, um die Abwanderung junger Menschen aus den ländlichen Gebieten zu stoppen. Das ist sehr schwer. Um dies zu erreichen, müssen wir mit den jungen Frauen reden, denn vor allem sie wandern ab und wenn junge Frauen ein Dorf verlassen, stirbt es. Diese Situation ist uns bekannt, wir haben eine enorme Zuwanderung aus den ländlichen Gebieten.

Das bedeutet, dass wir hier anpacken müssen, wo es geht und die Gleichstellung der Frau bei der Entlohnung aber auch die Verpflichtung des Mannes in der Kindererziehung stärken. Man kann nicht das eine ohne das andere fordern und sagen, dass man Beruf und Arbeit vereint, aber dass weiterhin die Frauen sich alleine um die Kinder kümmern müssen. Das geht nicht. Da muss man klare Maßnahmen setzen.

Die von Ihnen genannten Maßnahmen im Bereich Sprachausbildung, Berufsausbildung, die Erleichterung der Anerkennung von Bildungsabschlüssen müssen jetzt umgesetzt werden. Wir vergeuden Humankapital! Was wir jetzt in den Mitgliedsländern benötigen, sind ordentliche und anständige Einwanderungsgesetze, die für alle klar verständlich sind.

Die Blue-Card der Europäischen Union, zu der wir eben eine Stellungnahme abgegeben haben, hat sich nicht als sehr wirkungsvoll erwiesen und muss daher reformiert werden.

Ich danke Ihnen noch einmal für diesen beeindruckenden Bericht.

Danke.

Eduard KÖCK, Österreich, PPE/DC / EPP/CD

(Dok. 14143)

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

sehr geehrte Berichterstatterin!

Es handelt sich um einen sehr guten Bericht zu einem sehr wichtigen Thema, das uns in Zukunft noch sehr stark beeinträchtigen wird.

Ich habe ein Gespräch zwischen einem Journalisten und einem Zukunftsforscher im Kopf, wo er diesen fragt: „Was glauben Sie, Welches Volk wird in zwei- oder dreihundert Jahren die Welt beherrschen, China, Amerika oder ein anderes Land?“. Der Forscher antwortet: „Jenes Volk, das Kinder bekommt!“

Das ist eine wichtige Aussage und der Bericht zielt auf zwei Punkte ab. Zum einen, dass die Europäer immer weniger Kinder bekommen und zum anderen, ob wir das mit Migranten ausgleichen können.

Der Bericht enthält gute Ansätze dazu, wie wir Europäer ermutigen können, mehr Kinder zu bekommen, aber vielleicht ist doch ein Aspekt übersehen worden. Ich war plötzlich erst mit einem Arzt zusammen und er erzählte mir von einem Studienkollegentreffen: 26 Ärzte mit ihren Ehepartnern haben sich getroffen, sie sind um die 65 Jahre alt, sie haben gemeinsam 17 Kinder und sechs Enkelkinder. In zwei Generationen hat sich diese Gesellschaftsschicht auf ein Zehntel reduziert. Und sie haben genug Geld, um sich Kinderbetreuung leisten zu können, sie haben kein Problem mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und haben genug Geld, um die Ausgaben für die Kinder zu decken, aber sie wollen keine Kinder!

Aus den Statistiken geht hervor, dass es in den reichsten Ländern und Regionen die wenigsten Kinder gibt. Wir kennen diese Entwicklung aus Japan. Dort heißt es: double income, no kids. Das ist ein Problem, mit dem wir uns in Zukunft auseinandersetzen müssen.

Zum zweiten Punkt, der Migration. Hier müssen aufpassen, dass wir uns nicht zu naiv an das Thema Migration annähern. Ich möchte hier einen Zeitungsbericht der Forscherin Ayaan Hirsi Ali in der Frankfurter Allgemeinen zitieren, die eine Studie zur Integration gemacht hat. Sie kommt zu dem Ergebnis: „Sie alle kommen aus unfreien Gesellschaften, (...). Ihre Einstellungen zu Religion, Gewalt, Sex, Geld und Zeit unterscheiden sich radikal von denen der Europäer.“ Sie teilt sie in vier fast gleich große Gruppen ein. Die einen sind integrationswillig und tun das auch sehr rasch, die anderen sind religiöse Fanatiker und nicht sehr integrationswillig. Dann gibt es den Teil der Gewaltopfer, die traumatisiert sind, sehr viel Hilfe brauchen und sich langfristig auch integrieren werden. Dann gibt es noch den größeren Teil der Desinteressierten, die sich ein soziales Netz aussuchen, in das sie sich integrieren und die Verwandten nachholen können.

Wir müssen auch darüber diskutieren, wie wir uns an diese Ströme annähern und nicht die Entwicklungen zu uns holen, die wir vielleicht gar nicht wollen. Ayaan Hirsi Ali kommt in dieser Studie auch zu dem Ergebnis, dass 65 % der Migranten sagen, dass ihnen die Gesetze ihrer Religion wichtiger sind als die Gesetze der Länder, in die sie integrieren.

Wir stehen vor großen Herausforderungen in der Veränderung unserer Population. Es ist sehr gut, dass dieses Thema aufgegriffen wurde und ich denke, wir müssen es in der nächsten Zeit noch näher betrachten.

Danke, ich werde dem Bericht zustimmen.

Elisabeth SCHNEIDER-SCHNEITER, Schweiz, EPP/CD / PPE/DC

(Freie Debatte)

Herr Vorsitzender,

geschätzte Kolleginnen und Kollegen!

Lassen Sie mich im Namen meiner Fraktion über die Zukunft der EU und von Europa sprechen. Eine Zukunft, welche für die Zielerreichung des Europarates zentral ist.

Die Europäische Union ist unter Druck. Brexit ist nur die Spitze des Eisberges. Damit das EU-Projekt weitergeführt werden kann, braucht es grundlegende Reformen. Nur so kann das Vertrauen in die EU von den Mitgliedern der EU und auch solchen Staaten, welche nicht Mitglied sind, in diese wichtigste europäische Organisation wiederhergestellt werden.

Ein großer Teil der Gesellschaften in Europa fühlt sich verunsichert. Derjenige, der diese Verunsicherung ausspricht, wird deswegen nicht gleich zum Antieuropäer oder Globalisierungsgegner, sondern trägt nur berechtigte Sorgen vor. Er hat Anspruch darauf, dass die Politiker ihn ernst nehmen und Vorschläge machen, wie man damit fertig werden kann.

Meine Fraktion ist besorgt über diese Verunsicherung und über die Folge davon, nämlich das Auseinanderdriften der Mitgliedstaaten der EU, was ein Auseinanderdriften auch von Europa an sich bedeutet. Wie können die EU und Europa gemeinsam auf die Schwächen reagieren und wie können wir die anstehenden Aufgaben gemeinsam angehen?

Der Europarat hat alles Interesse daran, sich hier eine klare Agenda zu wünschen. Eine Agenda, welchen den einzelnen Mitgliedstaaten wieder mehr Kompetenzen gibt, eine Agenda, welche der Demokratie wieder mehr Raum lässt und eine Agenda, welche v.a. die Sorgen, Hoffnungen und Wünsche der Menschen aufnimmt. Nur ein Beispiel: Das Chaos der Flüchtlingspolitik des letzten Jahres darf sich nicht wiederholen.

Viele Menschen in Europa glauben, dass die EU die Ursache vieler Probleme ist. Probleme, welche aber nicht einfach Probleme der EU, sondern meist Ausfluss einer weltweiten Globalisierung sind. Wir müssen die Menschen davon überzeugen, dass die EU ein Mittel zur Lösung der Probleme ist und eben nicht die Ursache. Nur eine kleine Minderheit dieser Menschen sind fundamentale Nationalisten. Die große Mehrheit hält die Kooperation von Nationen und Staaten für sinnvoll.

Damit Europa aber wieder ein Mittel zur Lösung unserer Herausforderungen wird, brauchen wir eine andere EU, ein anderes Europa durch grundlegende Reformen, welche die EU wieder zurück zu ihren Kernaufgaben bringt

Die EU ist ein einmaliges Friedensprojekt für und in Europa. Es steht zu viel auf dem Spiel als der Europarat sich hier zurücklehnen könnte. Der Europarat wird aufgefordert dieses Friedensprojekt bei seinem Reformprozess zu unterstützen.

Gestatten Sie mir noch eine kleine persönliche Anmerkung. Wir haben festgestellt, dass das Kunstwerk draußen durch einen grausamen Vandalenakt zerstört wurde. Eine derartige Kommunikation steht dem Europarat nicht zu und ich bitte, dass sich die Verantwortlichen dafür offiziell entschuldigen.

Besten Dank.