AL17CR07      

AS (2017) CR 07
Provisorische Ausgabe

 

SITZUNGSPERIODE 2017

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(1. Teil)

BERICHT

07. Sitzung

Donnerstag, 26. Januar 2017, 10.00 Uhr

 

Annette GROTH, Deutschland GUE/UEL

(Dok. 14248)

Danke schön!

In dem Bericht steht viel Richtiges. Zum Beispiel weist er darauf hin, dass das Versprechen der EU 166.000 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland in andere EU-Mitgliedsstaaten zu transferieren, nicht eingehalten worden ist.

Wir alle wissen, dass die Situation der Geflüchteten in diesen beiden Ländern schrecklich ist; einige sind schon erfroren. Die Situation dort verletzt die Menschenwürde und die Menschenrechte.

Der Bericht empfiehlt auch, die Fluchtursachen zu thematisieren, die die Geflüchteten in die Arme der Schleuser treiben. Wir müssen die Fluchtursachen wieder viel stärker in das Zentrum der Migrationsdebatte stellen, anstatt immer wieder die Sicherheit der Außengrenzen zu thematisieren und darüber zu debattieren, wie man Flüchtlinge außerhalb von Europa halten kann.

Die enormen Waffenlieferungen an alle möglichen Rebellengruppen, darunter auch der IS, fördern die kriegerischen Auseinandersetzungen. Das Ergebnis sind zerfallende Staaten, etliche Gruppierungen, die sich gegenseitig bekämpfen und die Zivilbevölkerung in die Flucht treiben oder wie in Jemen, wo die Zivilbevölkerung unsäglich leidet. Im Jemen haben wir nach Aussagen der UN die größte humanitäre Katastrophe, die allerdings in unseren Medien weiterhin verschwiegen wird. Auch in dem Bericht wird der Jemen leider nicht erwähnt.

Meine Fraktion ist höchst alarmiert über die Resolution, die in 9.1.1. die Mitgliedstaaten des Europarats auffordert, in einen Dialog mit UNHCR über die Interpretation der Genfer Konvention von 1951 einzutreten. Wenn dieser Passus angenommen wird, steht er im Widerspruch zur Genfer Konvention.

Will der Europarat als Hüter der Menschenrechte eine so wichtige Konvention ändern oder aushebeln?

Das können wir alle nicht wollen und darum darf dieser Paragraph nicht in der Resolution stehen.

Wir müssen in der Debatte über die Asyl- und Migrationspolitik wieder viel stärker die Menschenrechte und das internationale Völkerrecht in das Zentrum stellen. Das ist die ehrenhafte und moralisch-ethische Aufgabe des Europarats.

Wir müssen die Ankunft von vielen Flüchtlingen auch als Chance und Bereicherung für unsere Länder sehen. Darüber hinaus sollten wir auch immer daran denken, dass die meisten der 65 Millionen der weltweit Geflüchteten in den armen Ländern sind. Europa beherbergt nur einen Bruchteil der Flüchtlinge und das können wir uns sehr wohl leisten!

Wir müssen Länder wie den Libanon und Jordanien unterstützen, wo fast 40 % der Bevölkerung Geflüchtete sind. Das große Flüchtlingscamp Zaatari ist jetzt die viertgrößte Stadt Jordaniens; das haben wir gestern gehört.

Das ist eine echte Herausforderung. Wir brauchen einfach mehr Solidarität und Menschenrechte in der Flüchtlingsdebatte.

Danke schön.

Tobias ZECH, Deutschland PPE/DC / EPP/CD

(Dok. 14248)

Herr Präsident,

meine Damen und Herren!

Ich möchte erst einmal dem Berichterstatter für den vorliegenden Bericht und für die Debatte, die wir heute führen können danken. Wir haben alle in unseren Ländern erlebt, wie uns in den letzten Monaten die Fragen der Migration und der Flucht beschäftigt haben.

Wir haben auch gemerkt wie schnell wir bei diesem schwierigen Punkt sowohl in der politischen Debatte als auch bei der operativen und logistischen Umsetzung an Grenzen stoßen und dass wir das Große, für das Europa – nicht nur die Europäische Union sondern auch wir hier im Europarat – steht, operativ nicht verwirklichen konnten. Wir waren darauf nicht vorbereitet. Wir hatten keine Möglichkeiten mit dieser Fluchtbewegung, die erst über den Balkan begann und sich anschließend nach dem schrecklichen Bürgerkrieg im Nahen Osten weiterentwickelt hat, zurechtzukommen.

Wichtig ist für mich, dass wir ganz klar unterscheiden, wer zu uns kommt, weil er flieht, weil er zu Hause politisch verfolgt wird, aufgrund kriegerischer Auseinandersetzungen Schutz und Obdach braucht oder wer zu uns kommt als Migrant, als jemand der arbeitssuchend ist und sich in unseren Ländern niederlassen und integrieren möchte.

Ich möchte, dass den Menschen, die vor Bürgerkriegen fliehen geholfen wird, ich möchte, dass ihnen vor allem in der Region, in der sie sind, geholfen wird. Die meisten Flüchtlinge sind Binnenflüchtlinge. In Syrien sind zum Beispiel 8 Millionen Menschen auf der Flucht. Sie befinden sich noch im Land. Der Großteil der aus Syrien Geflohenen befindet sich in den Nachbarländern in der Türkei, in Jordanien und im Libanon. Diesen Ländern müssen wir eine Vision geben und ihnen politische, aber auch finanzielle Unterstützung gewähren.

Natürlich sind es nicht nur, wie im Bericht erwähnt die Türkei und Deutschland, die sich eingesetzt haben. Hier möchte ich erwähnen, dass Ungarn und Mazedonien – zwei Länder die hier im Europarat Mitglieder sind – große Flüchtlingsströme zu bewältigen hatten und eine große logistische Leistung ohne den Rückhalt großer Länder wie der Türkei oder auch Deutschland vollbracht haben. Auch diesen Ländern möchte ich danken.

Für mich ist wichtig, dass wir die Hilfe vor Ort weiter ausbauen, die Hilfe in der Region stärken, dass wir Regeln in unseren Ländern schaffen wie reguläre Migration stattfinden kann, dass wir sie aber trennen von Flucht. Denn Flucht ist nicht etwas, an dem wir uns bereichern dürfen. Flucht heißt, wir müssen den Menschen ermöglichen wieder ihre Heimat bewohnen zu können. Das ist das, was wir wollen: wir müssen den Menschen ermöglichen in Sicherheit bei uns zu bleiben, aber dann auch wieder zurückzukehren.

Ich möchte daher, dass wir gemeinsam gegen den Menschenhandel vorgehen, der jetzt weltweit sich so entwickelt, dass er mehr Geld umsetzt als der Drogenhandel. Ich möchte, dass wir uns für Transitzentren in den Krisenregionen einsetzen, damit sich die Menschen die Flucht weder über die Balkanroute noch über das Mittelmeer antun müssen und wir hier echte Hilfe anbieten.

Herzlichen Dank.

Frank SCHWABE, Deutschland SOC / SOC

(Dok. 14248)

Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir leben ganz zweifellos in herausfordernden Zeiten. Es ist schwierig unter den Bedingungen, in denen wir leben Werte aufrechtzuerhalten. Wir leben in einer globalisierten Welt und das, was wir erleben – nämlich Menschen, die zu uns kommen – ist die andere Seite der globalisierten Welt. Ich sage das jetzt ausdrücklich als jemand der aus Deutschland kommt, denn Deutschland lebt vom Welthandel: Wer glaubt, dass dies funktionieren und dass man davon profitieren kann, dass wir unsere Waren in alle Welt schicken, dass wir die Rohstoffe aus anderen Ländern bekommen, die zum Teil unter erbärmlichen Bedingungen abgebaut werden und am Ende die Entwicklung, dass Menschen, die unter den Bedingungen in anderen Teilen der Welt nicht mehr leben können und sich entsprechend auf den Weg machen aufhalten können, kann sich dementsprechend ausmachen, dass dies schwierig wird.

Die weltweit existierenden Konflikte lassen sich heute nicht mehr regional begrenzen. Am Ende muss uns interessieren was auch aus unserer Sicht im hintersten Winkel der Welt passiert. Wir müssen die Werte des Europarats – Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie – in diesen schwierigen Zeiten verteidigen. Das ist unsere zentrale Aufgabe hier.

Wir müssen immer wieder deutlich machen und betonen, dass wir hier von Menschen sprechen. Es sind nicht irgendwelche Subjekte oder Flüchtlinge, sondern Menschen, die unter schwierigsten Lebensbedingungen leben müssen und sich deswegen auf der Flucht befinden. Wir sind keine utopische Organisationen sondern eine Organisation von Realpolitikern. Deswegen können wir auch nicht die Wünsche jedes Menschen erfüllen, dort zu leben, wo er auf der Welt leben möchte.

Aber wir müssen jedem Versuch widerstehen durch Sprache oder gar durch Taten Klassifizierungen von Menschen vorzunehmen und dass am Ende die Menschenwürde nicht so geachtet wird wie sie eigentlich geachtet werden sollte. Bei manchen Entwicklungen habe ich große Sorge und frage mich, ob die Menschenwürde von allen Menschen noch gleich gewichtet wird. Wenn ich mir ansehe, dass wir es mittlerweile fast achselzuckend hinnehmen, dass im letzten Jahr fast 5000 Menschen im Mittelmeer ertrunken sind und dass es im Moment relativ wenig Versuche gibt den Menschen, die auf der Route unter Hunger und Kälte leiden – allein 1200 Menschen in Serbien – entsprechend zu helfen, dann habe ich große Sorge darüber, dass wir die Menschenwürde wirklich weiterhin im Mittelpunkt unseres Handelns haben.

Ich finde wir müssen über die Genfer Flüchtlingskonvention reden. Das ist für mich der entscheidende Punkt in dieser Resolution. Wir müssen darüber reden, wie wir sie unter den aktuellen Bedingungen erfüllen und Aufrecht erhalten können. Das ist richtig. Was wir aber auf gar keinen Fall machen dürfen ist im Geringsten den Eindruck zu erwecken, dass diese Institution in irgendeiner Art und Weise die Genfer Flüchtlingskonvention infrage stellt. Meine Sorge ist, dass dies ein bisschen im Duktus des Antrags enthalten ist. Deswegen ist meine ganz herzliche Bitte, dass wir alle gemeinsam dem Änderungsantrag 9 zustimmen und am Ende das Ganze zu einem guten Beschluss bringen.