AL17CR08

AS (2017) CR 08
Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2017

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(1. Teil)

BERICHT

08. Sitzung

Donnerstag, 26. Januar 2017, 15.30 Uhr

Roland Rino BÜCHEL, Schweiz ALDE / ADLE
(Debatte zum Zeitgeschehen: Die Situation in Syrien und ihre Auswirkungen auf die Nachbarländer)

Geschätzter Herr Vorsitzender,
geschätzte Kolleginnen und Kollegen!

Ich bin der Präsident der außenpolitischen Kommission einer der beiden Parlamentskammern meines Landes. Wie viele Politiker der 47 Länder des Europarats befassen wir uns seit geraumer Zeit intensiv mit der Situation in Syrien. So hatte meine Kommission auch die Gelegenheit sich zum Beispiel mit dem UN-Sondergesandten Staffan de Mistura auszutauschen.

Es ist ernüchternd feststellen zu müssen wie machtlos wir alle sind. Ich werde nicht wiederholen, was so beeindruckend auf Englisch, Spanisch, Türkisch und Französisch gesagt wurde. Ich könnte es nie so gut und beeindruckend sagen wie Sir Roger und nie die guten und treffenden Worte finden wie Kollege Jordi Xuclà.

Ich konzentriere mich deshalb auf die Syrien-Gespräche in Astana. Wie Sie wissen, sind diese vorgestern Dienstag zu Ende gegangen.

Ebenfalls nicht in Kasachstan eingeladen waren die kurdischen Einheiten, die im Norden entlang der türkischen Grenze ein Autonomiegebiet haben. Die Anwesenden machten sich gegenseitig verantwortlich, die vereinbarte Waffenruhe gebrochen zu haben. Es wurde ziemlich viel Theater gespielt.

Bedeutend waren wohl die Gespräche zwischen Iran und Russland und der Türkei hinter verschlossenen Türen und hinter den Kulissen. Nur darüber haben wir bis jetzt wenig erfahren. Was man aber feststellen kann war der weiter abnehmende Einfluss der USA, die an der Konferenz nur durch ihren Botschafter in Kasachstan vertreten waren.

Die humanitäre Tragödie in Syrien und dessen Nachbarstaaten kann man nicht in Worte fassen in. Auch Europa ist vom Syrienkonflikt massiv betroffen, Sie haben es gehört. Die Folgen werden uns noch Jahre, ja jahrzehntelang beschäftigen, Herr Xuclà hat das sehr gut gesagt. Ob es uns passt oder nicht, die europäischen Staaten werden sich künftig intensiver und seriöser um Syrien kümmern müssen als bis dahin. Sir Roger hat schön gesagt:

 „Let’s go home and let’s do something, now! Europe must finally wake up!

Stefan SCHENNACH, Österreich SOC
(Debatte: Die Fortschritte des Monitoring-Prozesses der Versammlung (September 2015- Dezember 2016) und periodische Prüfung der Einhaltung der von Österreich, der Tschechischen Republik, Dänemark, Finnland, Frankreich und Deutschland eingegangenen Verpflichtungen)

Danke schön Herr Präsident!

Ich möchte mich bei meinem Nachfolger als Vorsitzender im Monitoring-Ausschuss für diesen umfassenden Bericht bedanken. Er zeigt die Wichtigkeit und Bedeutung des Monitoring Ausschuss sowie die immense Arbeit der Berichterstatter.

Der Bericht ist gegliedert in Fortschritte, Rückschritte und Aufforderungen. Wenn wir das letzte Jahr Revue passieren lassen, sieht man Fortschritte – das ist immer schön zu sehen – zum Beispiel im Bereich der Justiz, wo es tatsächlich zu einer Stärkung, Trennung oder mehr Unabhängigkeit der Justiz gekommen ist. Wir können aber auch Erfolge verzeichnen, so etwa die Freilassung von Chadidscha Ismailowa in Aserbaidschan.

Rückschritte gibt es leider Gottes im Bereich des Medienwesens, im Bereich der Korruption aber auch bei Wahlen.

Aufforderungen dieses Berichts gehen in Richtung der Umsetzung der Urteile des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes. Dies ist ein sehr ernstes Thema. Immer wieder wird in Mitgliedsländern und aktuell in einem Land darüber diskutiert diesen nicht Folge zu leisten. Das ist sehr bedauerlich. In diesem Bericht wird klargemacht, dass im Rahmen von „Sejdic-Finci“ Bosnien erneut und ich glaube schon zum 8. oder 10. Mal aufgefordert wurde diesem Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes Rechnung zu tragen; dass auch Aserbaidschan im Fall von Ilgar Mammadov der Erkenntnis des europäischen Menschenrechtsgerichtshofes Rechnung zu tragen.

Das ist eine sehr sensible Sache denn es berührt die Grundverträge der Mitgliedschaft zum Europarat. Die Urteile des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes sind umzusetzen, das ist nicht diskutierbar. Deshalb auch mein Appell hier noch einmal, nicht in Diskussionen wie in manchen Nationalstaaten zu verfallen und sich zu fragen, wie man mit den Urteilen umzugehen hat, sondern sie umzusetzen, so wie es die Mitgliedschaft hier im Europarat vorsieht.

Eine weitere Empfehlung ist die Ratifizierung von Konventionen des Europarates. Hier appelliere ich vor allem die Europäische Sozialcharta Stück für Stück und Mitgliedsland für Mitgliedsland zu ratifizieren. Ein Sonderfall ist die Türkei, das kommt auch in dem Bericht vor, mit den Massenverhaftungen, dem Ende des Medienpluralismus, dem Ende der Medienfreiheit, ein Land, in dem Abgeordnete in Haft sind. In keinem Mitgliedsland sollten Abgeordnete in Haft sein. Hier gilt unsere absolute Solidarität mit den inhaftierten Abgeordneten. In Kürze wird ohnedies zur Türkei ein Bericht vorgelegt.

Es gab auch wichtige Debatten zur Religionsfreiheit. Zum ersten Mal wurde der Bashkan, Gouverneur der gagausischen Minderheit eingeladen und es fand ein Spezialseminar statt. Wie geht man hier mit Minderheiten um.

Wichtig ist hier, das war ein Ziel der letzten Jahre, keine Zweiklassengesellschaft zu haben. Jedes Land wird unter Monitoring genommen. Dieses Mal sind es Österreich, Deutschland, Frankreich, Dänemark, Tschechische Republik und Finnland.

Das letzte Mal waren es u.a. Zypern, Belgien und Andorra.

Ich darf jetzt hier aus österreichischer Sicht und als Mitglied des Europarats sagen, dass ich mich für die intensive und ausführliche Diskussion bedanken darf. Auch über die Erkennung der besonderen Leistung, denn über 1 Million Flüchtlinge haben unsere Grenzen erreicht, 10 % sind geblieben, 1 Million wurden medizinisch und in jeder anderen Weise versorgt. Das ist eine besondere Herausforderung. Es gibt eine Reihe von Aufforderungen, Österreich wir diese sehr ernst nehmen und in die Umsetzung dieser Aufforderungen gehen.

Seitens Österreich einen herzlichen Dank für die faire, intensive und umfassende Befassung mit unserem Land.

Vielen Dank.

Tobias ZECH, Deutschland PPE/DC / EPP/CD
(Dok. 14226, Berichterstatter)

Frau Präsidentin,
meine Damen und Herren!

Ich freue mich heute mit Ihnen dieses wichtige Thema diskutieren zu dürfen. Wenn wir über den Libanon sprechen dann geht es um ein kleines Land im Nahen Osten, das die Freiheit und die Vielfalt der europäischen Werte aber beispielhaft mit unterstreicht und daher unsere Unterstützung und Aufmerksamkeit, wie Sie mit dieser Debatte unter Beweis stellen, verdient.

Das Land steht vor gravierenden Problemen, ich möchte hier nur ein paar aus dem Bericht herausgreifen. Der Bürgerkrieg in Syrien, der jetzt schon seit über sechs Jahren in der direkten Nachbarschaft des Libanon herrscht, hat seine Schatten auf das Land geworfen, nicht nur durch eine volatile Sicherheitslage, über die wir heute garantiert noch diskutiert werden, sondern natürlich auch durch einen Zustrom von Flüchtlingen.
So ist der Libanon als kleines Land direkt damit konfrontiert.

Mittlerweile ist es das Land auf der Welt, das die meisten Flüchtlinge pro Kopf aufgenommen hat, allein über 1 Million Flüchtlinge aus der direkten Nachbarschaft aus Syrien plus circa 350.000 Palästinenser, die teilweise schon seit 70 Jahren in Lagern im Libanon sind.

Am meisten sind die Kommunen im Libanon an der Grenze betroffen. Ich habe Kommunen besucht, die 5.000 Einwohner und 5.000 Flüchtlinge haben, ich denke da an Karun in der östlichen Baalbekebene.

Sie können sich vorstellen, dass das gesellschaftliche Zusammenleben, die kommunale Infrastruktur aber auch das politische System maximal angespannt sind. Das hat dazu geführt, dass wir eine „No Camp policy“ im Libanon erleben. Dies ist historisch bedingt aber auch darauf zurückzuführen, dass der Libanon aufgrund seiner Unfähigkeit einen Präsidenten zu wählen Schwierigkeiten hatte in den letzten 2 ½ Jahren eine gute Regierungsführung zu organisieren. Dadurch war das Land legislativ und exekutiv sehr stark eingeengt und konnte auf die großen Herausforderungen durch den Krieg in Syrien und die Fluchtbewegung nicht legislativ aber auch nur bedingt exekutiv reagieren.

Die Sicherheitslage ist natürlich bedingt durch den Krieg in Syrien höchst volatil. Bestimmte Grenzabschnitte können nicht richtig bewacht werden, ich denke hier an das Gebiet von Arsal, dass immer noch von Al-Nusra und Daesh als Rückzugsort genutzt wird. Der Libanon hat nicht die Sicherheitskräfte, um sich im Süden aber auch gegen Syrien komplett abzuschirmen. Auf der einen Seite gibt es den militärischen Arm der Hisbollah, der als kämpfende Truppe – entgegen der vom Libanon unterzeichneten grundsätzlichen Nichteinmischungspolitik –aus dem Libanon in Syrien erwiesenermaßen in Kampfhandlungen auf Seiten des Regimes eingreift. Des Weiteren gibt es zwölf Palästinenserlager, die auch einen Unsicherheitsherd im Libanon darstellen und immer wieder für Unruhen sorgen, die große Sicherheitsmaßnahmen notwendig machen. Auch wenn die libanesischen und palästinensischen Sicherheitskräfte diese noch unter Kontrolle haben gibt es hier ständig Schwierigkeiten.

Zweieinhalb Jahre lang gab es keinen Präsidenten: das lag vor allem daran, dass im Libanon, wie ich es im Bericht auch dargestellt habe, die wichtigsten Ämter nach Zugehörigkeit religiös-soziologischer Gruppen aufgeteilt werden. So ist das Amt des Präsidenten ein Amt, das immer den Christen zusteht. Die christlichen Parteien, die auf die Allianz des 14. März und 8. März aufgeteilt sind – in ein pro- und anti-syrisches Lager – konnten sich zweieinhalb Jahre lang nicht auf einen Präsidenten einigen.

Durch den Rückzug des Vorsitzenden der „Lebanese Forces“ Geagea kam letztes Jahr Bewegung in die Diskussion. Seit 31. Oktober kann Michel Aoun als Präsident im Libanon wieder politische Verantwortung übernehmen. Seit 18. Dezember hat Hariri das Amt des Premierministers übernommen und auch eine Regierung gebildet.

Für uns ist eine aktive Nachbarschaftspolitik, auch als Europarat, notwendig. Viele Diskussionen, die wir auch heute Vormittag über die Notwendigkeit der Migrationspolitik und der Änderung unserer Außenpolitik hatten sind durch unsere Nachbarstaaten mitgeprägt. Deshalb ist es notwendig, dass wir uns auch um diese Länder kümmern. Bei meinem Besuch im Libanon – ich habe das Land jetzt mehrmals bereist und fliege auch am Montag wieder nach Beirut, um dort mit den Verantwortlichen zu sprechen – war der Wunsch groß, dass wir uns auch um den Libanon kümmern. Es bestand die Angst: „Habt ihr uns denn alle vergessen? Seht ihr nicht was uns passiert?“

Ich denke, nachdem wir in der London Geberkonferenz vor einem Jahr Mittel für die Fluchthilfe bereitgestellt haben ist heute auch der Tag, an dem wir uns hier in diesem Gremium politisch mit dem Libanon beschäftigen. Vor allem auch deshalb, weil der Einfluss von anderen Ländern auf den Libanon sehr stark ist, ob dieser von Hisbollah aus Teheran oder von sunnitischen Gruppen aus Saudi-Arabien kommt. Es gibt massivsten externen Einfluss auf die Politik im Libanon.

Ich denke, wenn wir ein Land im Nahen Osten haben, das auch beispielgebend für das multiethnische und multireligiöse Zusammenleben und für eine gelebte Demokratie sein kann, die sicherlich noch Verbesserungsmöglichkeiten hat, dann sollten wir uns diesem Land auch annehmen.

Die größte Herausforderung war die Wahl des Präsidenten und der Regierung. Das ist erledigt. Jetzt steht die Vorbereitung der Parlamentswahlen vor der Tür. Dazu gibt es auch Diskussionen das Wahlrecht zu ändern. Ich wünsche mir heute eine rege Debatte aber auch, dass wir ein klares Signal aussenden, dass uns die Situation im Libanon wichtig ist, dass wir die Hand zur Zusammenarbeit ausstrecken, dass wir stärker mit dem libanesischen Parlament zusammenarbeiten – wenn es beidseitig gewünscht wird, das ist zumindest mein Eindruck, zumindest von libanesischer Seite. Dann kann man am Ende den Libanon als Partner für Demokratie des Europarates gewinnen.

Ich möchte auch ein Angebot an das libanesische Parlament machen: Wir bieten den Sachverstand unserer Venedig-Kommission an, wenn es Fragen bei der Neustrukturierung des Wahlrechts gibt. Wir haben Erfahrung. Wenn es Länder in unserer Nachbarschaft gibt, die darauf zugreifen wollen, dann sollten wir ihnen dies nicht verwehren sondern aktiv anbieten, das ist gelebte Nachbarschaftspolitik. Das möchte ich heute nicht mehr besprechen.

Ich möchte mich zum Schluss und hoffentlich vor der regen Debatte vor allem beim Ausschuss und João Ary bedanken. der mich bei meiner Reise begleitet hat und den Bericht maßgeblich mit mir vorbereitet hat. Jetzt freue ich mich auf die Debatte. Herzlichen Dank.

Tobias ZECH, Deutschland, PPE/DC
(Dok. 14226, Antwort des Berichterstatters)

Herr Präsident,
meine Damen und Herren!

Ich glaube nicht, dass ich die 6 Minuten brauche. Ich möchte nach der guten und lebendigen Debatte noch auf einen Punkt eingehen, bei dem es noch das größte Fragezeichen gab. Es handelt sich um die Frage danach, wie wir mit der Hisbollah umgehen.

Wir haben die Hisbollah in diesem Bericht auch gewürdigt und wie von Kollegen Howell ausgeführt, kann es nicht sein, dass wir Terror unterstützen. Dem kann ich nur zustimmen. Mit dem militärischen Arm der Hisbollah haben wir eine Terrororganisation, die auch in meinem Heimatland verboten und als solche eingestuft ist.

Natürlich haben wir uns und ich mich als Berichterstatter mit der Frage Hisbollah beschäftigt, sowohl mit dem militärischen als auch dem politischen Zweig der Hisbollah, der in den letzten Jahren an der Regierung auch beteiligt war. Ich habe mich nicht nur damit beschäftigt, sondern auch mit Vertretern der Hisbollah im Parlament getroffen.

Ich habe mich tatsächlich mit allen Parteien getroffen, um Ihnen hier ein vernünftiges und absolutes Bild darstellen zu können.

Die Vorschläge die wir machen und die ich Ihnen unterbreiten darf – die Unterstützung mit der Venedig-Kommission bei der Änderung des Wahlrechts sowie eine weitere Zusammenarbeit im Hinblick auf die Verbesserung der demokratischen Strukturen – sind aus meiner Sicht eben kein Werkzeug, um terroristische Strukturen zu fördern, sondern genau das Gegenteil.

Die beste Waffe gegen Terrorismus ist Demokratie und wenn wir als Europarat mithelfen können, Demokratie zu stützen und weiter auszubauen, ist das meines Erachtens ein gutes Zeichen, das wir hier abschicken, vor allem aber auch, dass wir die Situation im Libanon erkannt haben und dass wir uns damit beschäftigen.

Ich möchte mich noch einmal bei Ihnen für die Debatte bedanken und um Zustimmung zum Bericht bitten.

Herzlichen Dank.

Tobias ZECH, Deutschland, PPE/DC
(Dok. 14226, Sub-Amendment)

Mit der Aufnahme des Unteränderungsantrags der auch mit den Antragstellungen des Änderungsantrags abgestimmt ist, bin ich sowohl mit der Änderung als auch mit dem Unteränderungsantrag einverstanden.

Der Änderungsantrag ist richtig und unterstützenswert. Wir haben den Bericht am 15. Dezember abgeschlossen, 3 Tage später wurde die Regierung gebildet. Das wird hier noch einmal mit abgebildet. Vielen Dank an die Antragsteller.

Ich möchte nichtsdestotrotz darauf hinweisen, dass allein das Bilden einer Regierung noch keine Probleme löst.