AL17CR17

AS (2017) CR 17
Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2017

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(2. Teil)

BERICHT

17. Sitzung

Donnerstag, 27. April 2017, 15.30 Uhr

Frank SCHWABE, Deutschland, SOC
(Dok. 14283)

Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Preda hat hier einen sehr wichtigen Bericht vorgelegt, für den ich mich im Namen der sozialistischen Fraktion bedanke.

Ich möchte aber auch sagen, dass der Bericht recht schlank geraten ist und das Thema eher stichwortartig anspricht. Es ist wichtig, dass wir dieses Thema vor dem Hintergrund der Herausforderungen noch weiter bearbeiten, sollten den Bericht aber heute so verabschieden.

Die Situation in der internationalen humanitären Hilfe ist in der Tat absurd, weil wir uns ein System leisten, in dem die Folgen nicht geleisteter humanitärer Hilfe viel teurer sind, als wenn wir die humanitäre Hilfe leisten würden. Wir heizen mit mangelnder humanitärer Hilfe internationale Krisen an und müssen entsprechende Folgearbeit mit dem Militär leisten.

Die Situation ist aber auch, dass es viel teurer ist, Menschen zu versorgen, wenn sie in andere Länder flüchten als eine entsprechende Versorgung der Menschen im Herkunftsgebiet.

Die dramatische Situation, die am Ende dazu geführt hat, dass Geflüchtete sich auf den Weg gemacht haben, wird daran deutlich, dass zum Höhepunkt der sog. Flüchtlingskrise, in deren Rahmen die Menschen vor allem nach Europa gekommen sind, wir eine Versorgung von ca. 13,50 USD pro Monat im Libanon für syrische Flüchtlinge hatten und es war absehbar, dass sich Menschen weiterhin auf den Weg machen.

Wir müssen sowohl über finanzielle Sachen als auch die Qualität humanitärer Hilfe reden. In diesem Zusammenhang wurde der Grand Bargain angesprochen, der – auch unter Kooperation und Koordination von Deutschland – beim humanitären Weltgipfel in Istanbul im letzten Jahr vorgelegt wurde. Es geht tatsächlich darum, für größere Transparenz in der Finanzierung zu sorgen, lokale und nationale Akteure zu stärken – es macht keinen Sinn, mit internationalen Strukturen in Länder zu kommen, um humanitäre Hilfe zu leisten, sondern es ist sinnvoller, wenn wir am Ende die Akteure vor Ort stärken. Es geht auch darum, Cash-Programme zu stärken, mehr Verantwortung bei den Geflüchteten selbst einzufordern und letztlich damit lokale Ökonomien zu stärken. Wir müssen Doppelstrukturen vermeiden, damit effizienter werden und Finanzen einsparen. Wir müssen dafür sorgen, dass die Betroffenen, die Geflüchteten, an Entscheidungen zur Verwendung der humanitären Hilfe partizipieren können. Wir brauchen eine Mehrjahresplanung und nicht immer kurzfristige Krisenplanungen; mehrjährige Planungen sind günstiger im Mitteleinsatz und Akteure können sich besser darauf einstellen. Wir brauchen eine stärkere globale Finanzierung der humanitären Hilfe und nicht immer nur die Finanzierung einzelner Krisen, einzelner Organisationen, auch wenn es bestimmten Regierungen gut passt, dann entsprechend gezielt Geld zu vergeben.

Ich komme aber auf das zurück, was ich eingangs angesprochen habe: die Finanzfrage ist die zentrale Frage und der Dreh- und Angelpunkt. Wir haben eine absurd dramatische Unterfinanzierung des humanitären Systems. Wir haben 2017 einen Bedarf von etwas mehr als 21 Milliarden USD angemeldet und zur Zeit nur eine Zusage von 4,8 Milliarden USD, d. h. nicht einmal ein Viertel der Mittel ist abgedeckt. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass das im Verlauf des Jahres noch ansteigen wird, aber am Ende ungefähr die Hälfte der notwendigen Mittel nicht kommt.

Selbst eine solche Krise wie Syrien ist unterfinanziert, aber wir haben vor allem viele vergessene Krisen, wo Menschen jeden Tag sterben, weil nicht genug humanitäre Hilfe zur Verfügung steht, beispielsweise im Südsudan, in Nigeria, in Somalia und im Jemen.

Wie absurd das ist, wird daran deutlich, dass wir zum Beispiel eine Debatte führen, ob die Mitgliedsländer der Nato zwei Prozent des BIPs für Verteidigungsausgaben ausgeben sollten. Nur auf die Bundesrepublik Deutschland bezogen, bedeute dies, dass wir die Verteidigungsausgaben unseres Landes um mehr als 20 Milliarden Dollar erhöhen müssten. Man kann dazu stehen, wie man will, aber wir reden hier über einen Betrag, der dem gesamten Bedarf der humanitären Hilfe weltweit entspricht.

Es kommt ein Zusatzproblem auf uns zu, weil die USA als größter Geldgeber – das muss man dankbar zur Kenntnis nehmen – nach den Ankündigungen des US-Präsidenten möglicherweise demnächst nicht mehr in dieser Dimension zur Verfügung stehen werden.

Deswegen müssen wir ganz dringend von hier aus einen Appell an alle Länder des Europarats, an die Europäische Union aussenden, um die Mittel zu bestätigen und auch dauerhaft zu erhöhen.

Vielen Dank.