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AS (2017) CR 18
Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2017

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(2. Teil)

BERICHT

18. Sitzung

Freitag, 28. April 2017, 10.00 Uhr

 

 

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC / SOC

(Dok. 14288, Dok. 14303)

Danke sehr Frau Präsidentin!

Danke auch von meiner Gruppe an Herrn Jean-Yves Le Déaut für diesen Bericht, in dem viel besorgniserregende Punkte angesprochen werden.

Wenn ich in die Zuschauerränge hinaufschaue, sehe ich viele junge Menschen. Der Unterschied zwischen Ihnen und den meisten von uns ist, dass Sie digital Natives sind. Sie sind bereits im Zeitalter der Smartphones und des Internets geboren. Aber auch junge Menschen müssen heute aufpassen, denn sonst könnten sie aus technologischer Sicht in 10 Jahren zu den Großeltern gehören.

Herr Comte könnte noch dazugehören und aus diesem Grund möchte ich einen Vergleich wagen. Alle unsere Versuche, die atemlose Geschwindigkeit der technologischen Entwicklungen zu regulieren, sehen wie folgt aus: Die großen Konzerne, die Technologie und die Forschung rasen in einem Ferrari über die Autobahn und wir in der Politik sitzen auf einem Traktor und glauben, diesen Ferrari einholen oder zumindest Umleitungen setzen zu können.

Ich bin kein Don Quichotte – weil mein Vorredner aus Spanien war –, aber das, was hier auf uns zukommt, sind besorgniserregende Entwicklungen. Von jedem von uns gibt es nicht nur gesammelte Daten, sondern tausende Profile unterschiedlicher Art. Wenn ein Mann zum Beispiel viele Seidenstrümpfe in einem Supermarkt einkauft, gerät sofort ein Algorithmus in seinem Profil durcheinander, obwohl diese als Geschenk gedacht sein könnten.

Aber was hier auf uns zukommt, sind die sozialen Verwerfungen. Es gibt derzeit Studien, dass bis zu 49 % der Arbeitsplätze durch die Digitalisierung und die Automatisierung verloren gehen. In diesem Fall gerät etwas Anderes in Gefahr. In den letzten hundert Jahren hatten wir ein gesellschaftliches Agreement, dass sowohl Arbeitnehmer als auch Unternehmen Steuern zahlen. Wenn aber zu wenig Menschen aktiv sind und nur mehr Roboter zum Einsatz kommen, fallen Steuern aus. Wenn dann andererseits durch diese Technologie Unternehmen immer transnationaler werden und alle Schlupflöcher suchen, um Steuern zu umgehen, dann gibt es keine ausreichende Finanzierung, damit der Staat seine Aufgaben für Soziales, Gesundheit, Bildung und Infrastruktur erfüllen kann. Das ist nur ein Punkt.

Herr Comte hat gesagt, dass immer ein Mensch die Letztverantwortung haben muss. In Australien lebt ein Roboter in Wasser, ohne Verbindung zu einer menschlichen Station. Er ist genau sechs Monate im Wasser und seine einzige Aufgabe ist zu töten. Derzeit tötet er Seesterne. Die Firma hat versprochen, diese Technologie nicht an das Militär zu verkaufen. Wir können es glauben. Aber zu diesem Roboter gibt es keine Verbindung und nach sechs Monaten kehrt er zurück und lernt dabei. Auch Herr Déaut hat erwähnt, dass diese Entwicklungen derzeit sehr stark sind. Am Ende eines arbeitsreichen und manchmal auch entbehrungsreichen Lebens steht als einziger Kontakt in der 24-Stunden-Pflege zum Beispiel oder in einem Altenheim ein Pflegeroboter zur Verfügung. Wollen wir das?

Daher benötigen wir Regelungen und nicht nur eine Konvention. Wir brauchen nationale Regelungen und eine Reihe von Konventionen. Wir müssen politisch entscheiden, ob diese Form der Technologie hilfreich bei der Erleichterung der Arbeitsprozesse und eine Entlastung bei Schwerarbeit ist oder ob sie dazu dient, Menschen aus dem Arbeitsprozess herauszunehmen und Gewinne zu maximieren. Das ist die entscheidende Frage.

So können wir soziale Verwerfungen vielleicht abwehren. Aber dieser Frage müssen wir uns stellen.

Ich entschuldige mich, dass ich überzogen habe.

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC / SOC

(Dok. 14300, Dok. 14290, Berichterstatter)

Sehr geehrter Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich bitte Sie Herr Präsident, jetzt nicht streng zu sein, denn ich möchte von meiner Redezeit zwei Minuten aus einer sehr persönlichen Betroffenheit sprechen.

Das, was heute Nacht in Mazedonien vorgefallen ist, ist eine Schande! Mit einer abgewählten Regierung in Verbindung stehende Schlägertrupps, die ein Parlament überfallen, Menschen blutig schlagen, Frauen, Abgeordnete an Haaren durch das Parlament zerren und somit neuerlich die Lunte in einen Konflikt zwischen Ethnien legen, ist ein unglaublicher Skandal.

Ich habe gestern Vormittag im Monitoringausschuss gesagt, dass wir zurück müssen in den strikten Zensus auf Monitoring am Ende des Post-Monitorings. Was gestern passiert ist, sollte die Betroffenheit der gesamten Versammlung haben: Gestern wurde ein Parlament blutend zusammengeschlagen.


Vielen Dank Herr Präsident, dass Sie mich diese Worte haben sagen lassen. Ich war fünfmal Vorsitzender einer Ad-hoc-Kommission der Versammlung in Mazedonien. Ich weiß, was dort los ist und bin wirklich persönlich sehr betroffen.

Wir haben hier unter einer urgent procedure einen Vorschlag des Ministerrates und ich hatte die Ehre und das Vergnügen, in den letzten Monaten mit Staatsanwälten, Richtern, mit der zuständigen Abteilung des Europarates für Kulturgüterschutz zusammenzuarbeiten und wir hatten eine Konferenz in Lucca, eine weitere einwöchige Konferenz hier in Straßburg, um die Dringlichkeit klarzumachen.

Heute zählt der Handel, der Raub mit Gegenständen unserer Geschichte, unserer Identität zu den Top 3 der Finanzierung von Terror, von terroristischen Gruppen. Deshalb ist diese Konvention, die eine Ergänzung zur Konvention zum Schutz des kulturellen – unseres – Erbes der UNESCO und zur Konvention zur Bekämpfung des Terrorismus ist, so wichtig.

Den Kulturgüterschutz in jedem Mitgliedsland auch im Strafrecht zu verankern, ist ein wichtiger Schritt und eine neue Qualität. Gleichzeitig fordere ich aus unserer Mitte vier Mitgliedsstaaten auf, die Konvention der UNESCO von 1970 zum Schutz der Kulturgüter zu unterzeichnen. Wohlgemerkt 1970, wir schreiben das Jahr 2017!

Ich möchte an dieser Stelle eine Polizeibrigade loben, die Carabinieri-Spezialbrigade in Italien: 300 Männer und Frauen. Sie kennen die Auktionskataloge der Welt wahrscheinlich besser als jede Kunstsammlung oder jegliche Universität. Machen Sie Ihren Sommerurlaub in Italien, besuchen Sie Florenz, gehen Sie in die Uffizien und überzeugen Sie sich von der Effizienz einer solchen Spezialbrigade, denn dort stellen die Carabinieri derzeit alle Kulturgüter aus, die sie in den letzten Jahren aus dem Schwarzmarkt, aus kriminellen Fängen gezogen und gefunden haben, weil sie entdeckten, dass Erblasser, die unglaubliche Werte haben stehlen lassen, vererbt haben und die Erben sie anschließend zur Auktion brachten.

Mit dieser Konvention schaffen wir auch in diesem Bereich eine Regelung, denn bisher konnten wir nur politisch und diplomatisch hier agieren. Sie werden Objekte sehen, wo Ihnen klar wird, dass Palmyra in Syrien zwar zerstört ist, aber nicht die Kulturgüter der Stadt. Die Carabinieri haben erst kürzlich wieder Statuen aus Palmyra auf dem Weg in die Schweiz abgefangen. Ich möchte als kritische Anmerkung hinzufügen, dass die Schweiz sich hier auch Gedanken machen muss, wie sie ihre die Gesetze verschärft, den viele für die USA bestimmten Gegenstände gehen über die Schweiz.

Ich möchte aber auch vier Staaten im Rahmen der Erarbeitung dieser Konvention besonders loben, denn es sind Staaten der Quellen, wo am meisten in den Handel gebracht wird: Griechenland, Italien, Spanien und Zypern. Diese Staaten sind Motoren hinter dieser Konvention.

Dass es jetzt so schnell geht, ist der Tatsache geschuldet, dass die Finanzierung des Terrors immer deutlicher sichtbar wird. Deswegen appelliere ich an Sie: Reden Sie mit Ihren Regierungen, mit Ihren Parlamenten. Bereits im Mai werden einige Minister ihre Unterschrift daruntersetzen und wir sollten es schaffen, diese Konvention verzögerungslos bis zum Jahresende durch die Ratifikation in Kraft zu setzen.

Sie werden heute ein Amendment von mir mitbeschließen, in dem ich den Ministerrat bitte, Drittstaaten, die nicht dem Europarat angehören, einzuladen, an dieser Konvention teilzunehmen, sodass wir diesem widerlichen Handel mit dem Erbe unserer Menschheit, unseres menschlichen Seins ein Ende bereiten können. Es muss aufhören, dass wertvollste Artefakte unserer Geschichte sich in privaten Kämmerchen zur Ergötzung vielleicht einer Person befinden oder der Gewinnmaximierung im weiteren Schwarzhandel und dadurch auch der Finanzierung terroristischer Gruppen dienen. Ich richte diesen Appell von hier aus an Sie.

Ich habe zum ersten Mal bei der Erarbeitung einer Konvention so hautnah mit Staatsanwälten und Richtern aus allen Mitgliedsländern gearbeitet und erlebt, wie hier um Formulierungen gerungen wird. Der Paragraph 10, den wir hier sozusagen im Vertrauen beschließen, da er noch nicht durch den Ministerrat ausformuliert ist, macht deutlich, mit welch hoch sensibler Materie hier umgegangen wird.

Wir sprechen hier in dieser Konvention von jetzt. Es ist keine historische Debatte darüber, ob Nofretete

nach Hause will – im übertragenen Sinn. Wir reden nicht über die historische Wanderung von Kulturgütern, sondern von Schwarzhandel, vom illegalen Markt, von heute!

Deshalb bitte ich Sie, Ihre Regierungen und Parlamente: Treten Sie dieser Konvention bei, machen wir sie stark und entziehen wir dem Terrorismus das Geld, das er aus diesem Handel mit Kulturgütern erzielt.


Ich danke Ihnen.

Yves CRUCHTEN, Luxemburg, SOC / SOC

(Dok. 14300, Dok. 14290)

Vielen Dank Herr Präsident!

Am Ende einer langen und schwierigen Sitzungswoche in Straßburg werde ich es uns leichtmachen und mich kurz fassen.

Ich bedanke mich zuerst bei Herrn Schennach für diesen exzellenten und durchaus wichtigen Bericht. Ich glaube, dass seinen Ausführungen nicht mehr viel hinzuzufügen ist.

Die sozialistische Fraktion hier in der parlamentarischen Versammlung des Europarates wird diese Vorlage unterstützen und ist der Meinung, dass der Kulturgüterschutz in allen nationalen Gesetzgebungen verankert werden muss. Der illegale Handel muss deshalb bestraft werden. Ich pflichte Herrn Schennach auch bei, dass diese Konvention dringendst und zwar noch dieses Jahr ratifiziert werden muss.

Vielen Dank.

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC / SOC

(Dok. 14300, Dok. 14290, Antwort des Berichterstatters)

Dank sehr Herr Präsident!

Ich bedanke mich bei Allen, die an der letzten Debatte dieser Woche teilgenommen haben.

Herr Schneider und andere Kollegen haben das Thema Kulturgüter in Kriegszeiten, in Konflikt-, Aufstands- und Kriegszonen, aber auch in „Frozen Areas of Conflicts“ angesprochen.

Carabinieri haben gesagt, dass nicht nur Kriege sondern auch Naturkatastrophen eine Quelle für Diebstahl sind. Bei den verheerenden Erdbeben in Italien war Aufgabe dieser Carabinieri, wertvolle Kulturgüter aus den Barockkirchen vor dem Schwarzhandel zu schützen.

Auch hier in der Versammlung möchte ich sagen, dass sowohl Aserbaidschan als auch Armenien mir eine ausführliche Dokumentation der Kulturgüter übergeben haben. Wenn der Ausschuss es wünscht, können wir und dies genauer ansehen.

Ich schlage vor, dass auch mehrere von Ihnen die Möglichkeit erhalten mit dieser unglaublichen Carabinieri-Brigade in Kontakt zu treten. Wir könnten sie zu einer Aussprache hierher einladen.

Ich möchte mich noch bei einer besonderen Frau bedanken, die vor 20 Jahren den 5-jährigen Krieg in Bosnien miterlebt hat: Ismeta Dervos. Schon einmal hat sie diese sehr wichtige Arbeit für den Europarat geleistet. Ismeta ist eine Sängerin und großartige Persönlichkeit aus Sarajewo, sie ist unsere Kollegin und war einmal Vize-Präsidentin der Versammlung.

Ich möchte mich ebenfalls bei Dana und Roberta herzlich für die Unterstützung in dieser Zeit bedanken. Ich möchte daran erinnern, dass die Museen von Bagdad, Alexandria und Kairo noch immer auf geplünderte Güter warten.

Ich möchte daran erinnern, dass derzeit eine menschliche Tragödie im Jemen stattfindet: der Diebstahl von Kulturgütern, wie die Originalhandschrift der Algebra, die bereits verschwunden ist. Der Jemen verfügt als Wiege der Kultur unserer Menschheit über unfassbare Kulturgüter, von dem unglaublich viel – laut einem derzeitigen Interpol-Bericht über 50 % – verschwunden ist. Und jeden Tag geschieht dies erneut.

In diesem Sinne bitte ich die Außenminister Zyperns zu unterschreiben und mit ihren Parlamenten zu diskutieren. Wir werden diese Arbeit im Ausschuss, wie auch vom Herrn Vorsitzenden erwähnt, weiterführen.

Zum Schluss bedanke ich mich, dass ich die Eingangsworte zu Mazedonien sagen durfte.

Ich bedanke mich auch für den Zuspruch. Hinsichtlich Mazedonien benötigen wir Aktionen. Ich wiederhole noch einmal die Forderung, dass wir auch hier eine klare Sprache sprechen und zurück in die Monitoring-Stufe müssen.

Der Europarat muss Tatkraft zeigen, denn ein Parlament wurde verwüstet, Kolleginnen und Kollegen blutig zusammengeschlagen, weibliche Abgeordnete schwer misshandelt. Wir können hier nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.

Ich danke allen.