AL17CR23

AS (2017) CR 23
Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2017

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(3. Teil)

BERICHT

23. Sitzung

Mittwoch, 28. Juni 2017, 10.00 Uhr

Domagoj HAJDUKOVIĆ, Kroatien, SOC
(Dok. 14342 und Dok. 14341)

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich glaube, wir können uns alle einig sein, dass die großen Herausforderungen der Migrationskrise gezeigt haben, dass wir noch angesichts der Konfrontation mit globalen Herausforderungen weit entfernt von einer Übereinkunft sind.

Die derzeitige Migrationskrise ist bestimmt nicht die letzte. Die Hauptmotive hinter der letzten Auswanderungswelle waren der Mangel an politischer Stabilität und Sicherheit. Durch den radikalen Klimawandel werden diese jedoch bald durch mit dem Klima verbundene Motive ersetzt werden.

Gerade deshalb ist es nötig, eine einhellige Antwort auf die kommenden Migrationsherausforderungen und Lösungen für die sozialen, politischen und alle anderen Aspekte der großen Zuwanderungsströme in Europa zu finden.

Ich möchte betonen, dass es eine Reihe von Initiativen und Übereinkünften gibt, die sich mit Lösungen für die besagten Probleme befassen. Diese werden aber leider nur teilweise bzw. überhaupt nicht durchgeführt.

Die Aufgabe der Parlamentarischen Versammlung im Ganzen und unsere Aufgabe als Abgeordnete in unseren Heimatländern ist es, unablässig auf diese Fakten aufmerksam zu machen. Auch in unserer Rolle als Aufsicht der Exekutive sollten wir unaufhörlich die Aufmerksamkeit auf dieses Problem ziehen, das sich nicht von alleine lösen wird.

Europa als Ganzes braucht für diese Herausforderungen Lösungen, die sich auf den ganzen Kontinent beziehen. Isolation und das Errichten von Mauern sind keine Lösungen. Das sollte uns allen klar sein. Deshalb hoffe ich, dass die Unterstützung dieser Resolution ein Schritt in die richtige Richtung ist.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC / SOC
(Dok. 14342 und Dok. 14341)

Danke sehr, Herr Vorsitzender!

Ich möchte mich ganz herzlich bei den Berichterstattern, aber auch bei Herrn Bürgermeister Kaminis aus Athen bedanken. Auch meiner Vorrednerin danke ich, denn ich kann nahtlos an sie anknüpfen. Vor allem bedanke ich mich bei ihr dafür, dass sie nicht von Migration, sondern ganz klar von Flüchtlingen gesprochen hat.

Das ist die eigentliche Frage, um die es hier geht, denn zwischen beiden Begriffen besteht ein großer rechtlicher Unterschied. Flüchtlinge haben nach der Genfer Flüchtlingskonvention ein Recht auf Schutz und Aufnahme, sie können nicht „quotiert“ werden; sie haben ein generelles Menschenrecht.

Vor wenigen Tagen hatten wir den Welttag der Flüchtlinge. 66 Millionen Menschen befinden sich derzeit auf der Flucht, so viele wie nie zuvor. Europa ist mit derzeit 1,5-1,6 Millionen Flüchtlingen konfrontiert, leistet hier also im Grunde nur einen bescheidenen Beitrag. Aber Europa hat eine solidarische und eine rechtliche Verpflichtung, zu helfen.

Man kann hier nicht falsche Debatten führen. Ich bin froh, dass in den Berichten nicht gesagt wird, man habe nach der Schließung der Balkanroute nun die Mittelmeerroute zu schließen. Ein Blick auf den Atlas zeigt schon, dass eine Schließung der Mittelmeerroute ins Reich der Fantasie gehört.

Aber noch schlimmer ist es, wenn man darüber diskutiert, gerettete Flüchtlinge in „gefallene“ Staaten zurückzuführen, wie z.B. Libyen, wo die Flüchtlinge unter entsetzlichen Bedingungen leben. Ich möchte hier besonders auf die katastrophale Situation der Frauen und Kinder hinweisen; wie haben hier viele Fälle von Sklaverei und Ähnlichem.

Wir müssen in unseren Ländern einige Dinge mit offenen Worten ansprechen: Erstens die Notwendigkeit der Solidarität, zweitens, dass wir aufhören sollten, Waffen zu exportieren. Drittens muss darauf hingewiesen werden, dass wir alle unsere Verpflichtungen im Rahmen der UNHCR erfüllen müssen. Denn der UNHCR geht das Geld aus und viele Staaten Europas erfüllen ihre Verpflichtungen nicht. Zudem brauchen wir endlich auch einen innersolidarischen Mechanismus in Europa. Wir werden die Flüchtlingskommission um den  Klimawandel dringend auszudehnen haben.

Anders als hier vorhin gesagt, finde ich den Deal mit der Türkei nicht positiv, denn wir haben nicht erreicht, dass die Flüchtlinge in der Türkei auch als Flüchtlinge anerkannt werden, sondern nur als Gäste. Sie genießen dort also nicht den Schutz, der Flüchtlingen zusteht.

Zuletzt möchte ich noch auf die „missing children“ hinweisen: 20 000 Kinder werden in Europa vermisst. Diese Zahl wurde vor anderthalb Jahren von Generalsekretär Jagland genannt; mittlerweile ist sie größer. Wir haben z.B. in Österreich ein Aktionsprogramm geschaffen, denn wir vermissen dort 700 Kinder.

In ganz Europa werden mehr als 20 000 Kinder vermisst, eine dramatische Situation, die aller unserer Anstrengungen bedarf.

Vielen Dank.

Frank SCHWABE, Deutschland, SOC / SOC
(Dok. 14342 und Dok. 14341)

Vielen Dank, Frau Präsidentin!

Vielen Dank auch an die Berichterstatter, die dafür gesorgt haben, dass mit Änderungsanträgen die Menschenrechtskomponente in den Beschlüssen hoffentlich doch noch deutlich gestärkt wird.

Auch ich war gestern in der von den Italienern organisierten Veranstaltung. Die Bilder dort waren herzzerreißend. Wir erliegen mittlerweile selbst der Situation, indem wir nur noch über Zahlen reden, aber diese schrecklichen Einzelschicksale nicht mehr sehen.

Deswegen ist es wichtig, dass wir uns diese Bilder anschauen und auch darauf achten, wie wir darüber reden: Wir sprechen davon, wie man die Rechte von Menschen schützen kann, ebenso wie wir auch über Menschen, nicht über Illegale sprechen; auch der Sprachgebrauch ist wichtig.

Gerade in solchen schwierigen Zeiten ist es unsere Aufgabe, die über viele Jahrzehnte gewachsenen Rechte zu schützen und nicht, sie in Frage zu stellen. Wir brauchen ein sehr realistisches Bild von der Lage und Lösungen, die mit gewachsenen Menschenrechtskonventionen in Einklang stehen. Dazu müssen wir einige Dinge zur Kenntnis nehmen:

Erstens: Von den Menschen, die jetzt in Europa sind, werden die wenigsten wieder zurückgehen, das muss man sich klar machen. Da können wir Abschiebeshows organisieren wie wir wollen – die meisten Menschen werden bleiben. Wenn wir wollen, dass sie zurückgehen, brauchen wir faire Abkommen mit ihren Herkunftsländern.

Zweitens: Es gibt keine Möglichkeiten - das muss man auch dem österreichischen Außenminister Kurz und anderen sagen -, die Menschen auf irgendwelche Inseln oder zurück nach Nordafrika zu verbringen; das ist weder rechtlich noch realistisch möglich. Wenn jemand eine solche Idee hat, soll er mir mal realistisch zeigen, wie das funktionieren soll.

Drittens: Wir müssen so viele Menschen retten, wie wir können. Wenn sie dann europäisches Festland erreichen, brauchen sie ein möglichst schnelles Asylverfahren. Dann bedarf es in der Tat klarer Abkommen mit den Herkunftsländern, damit diese diejenigen, die kein Asylrecht bekommen haben, auch wieder sehr schnell zurücknehmen. Die Menschen, die bleiben, brauchen eine vernünftige Verteilung innerhalb der Europäischen Union. Die Staaten, die sich daran nicht beteiligen, müssen entsprechend sanktioniert werden.

Wir brauchen also Realismus und müssen zusehen, dass wir unsere Menschenrechtsinstitutionen schützen, dass wir Fluchtalternativen, Korridore schaffen und Kontingente einrichten.

Ich bin bei all denen, die die grundsätzliche Frage nach der Gerechtigkeit stellen. Nichts kommt von selbst und natürlich suchen die Menschen nach Perspektiven, weil sie in ihren eigenen Ländern zurzeit keine haben. Deswegen müssen wir uns Gedanken über die Gerechtigkeit machen und uns fragen, ob unsere Handelsabkommen gerecht sind oder nicht.

Was ich überhaupt nicht verstehe, ist, dass wir nicht alles Geld aufwenden, um im Rahmen der humanitären Hilfe den Menschen vor Ort zu helfen. Es gibt auf der Welt 130 Millionen Menschen, die akuten Schutz brauchen. Dafür bräuchten wir 25 Milliarden US-Dollar, sind aber nur in der Lage, die Hälfte davon aufzubringen.

Das ist ein wirklicher Skandal und wir sollten alle sehen, was wir in den nationalen Haushalten entsprechend ändern können.

Eduard KÖCK, Österreich, PPE/DC / EPP/CD
(Dok. 14342 und Dok. 14341)

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Wir behandeln heute ein sehr wichtiges Thema, das wichtigste Thema Europas in diesen Jahren. Ich möchte mich sehr herzlich bei den Berichterstattern für ihre Berichte bedanken, die sehr gut sind, die Situation treffend schildern und die richtigen Maßnahmen anführen. In diesen Berichten wird die Entwicklung auf dem Balkan behandelt, an der Österreich ja sehr stark beteiligt war. Deshalb werden wir – auch hier – sehr stark kritisiert. Aber letzten Endes haben sich die  Dinge dort zum Besseren entwickelt und das Sterben in der Ägäis hat nahezu aufgehört.

Schon Albert Einstein sagte: „Wenn man will, dass sich etwas ändert, darf man nicht immer das Gleiche machen.“ So müssen wir auch die Situation im Mittelmeer betrachten. Wenn es immer so weitergeht, dass die Menschen dorthin kommen, auf die Schiffe verladen werden, gerettet werden und nach Europa kommen, dann werden immer mehr Menschen im Mittelmeer ertrinken.

Deshalb müssen wir unsere Position dort überdenken. Ich glaube, der Balkan gibt ein sehr gutes Beispiel dafür, wie wir dort weiterarbeiten müssen. Es gibt auch bereits die ersten Stellungnahmen von afrikanischen Ländern in Richtung Europa, dass wir etwas tun müssen, damit die Schlepper ihren Menschen nicht das ganze Ersparte abnehmen und ihre jungen Menschen nicht im Mittelmeer ertrinken.

Auch müssen wir sehen, wie die Schlepper mittlerweile arbeiten und uns die NGOs genau anschauen. Ich drücke es bewusst etwas überspitzt aus, aber so wird es bei uns in den Medien bereits dargestellt: Die Schlepper inszenieren eine Seenot und sagen ihren Migranten: nach 20 Meilen wartet bereits das Taxi nach Europa (so nennen sie mittlerweile die Schiffe der NGOs). Dort wird eine Rettung inszeniert und die Migranten werden nach Europa gebracht. Es gibt auch Meldungen, dass die NGOs bereits mit den Schleppern kommunizieren.

Hier müssen wir m.E. einen Schritt weitergehen und sehen, wie die Abläufe dort wirklich sind. Denn natürlich sind auch wir für die Menschenrechte. Jeder, der stirbt, ist uns einer zu viel. Aber sehr oft ist gut gemeinte Hilfe die schlechte Hilfe.

Dieser Bericht spricht einige Möglichkeiten an, wie die Situation verbessert werden kann. So müssen wir mit Libyen zusammenarbeiten, damit das Land seine Küsten kontrolliert. Wir müssen mit den Libyern diskutieren und bei ihnen vor Ort die Sachlage besser betrachten. Natürlich müssen wir den Afrikanern auch Quoten geben, damit wir Wirtschaftsflüchtlinge annehmen – aber wir müssen diese eben vor Ort abholen, damit das Sterben im Mittelmeer beendet wird.

Ein Wort zu meinem Vorredner: Er sagte, der österreichische Außenminister würde etwas fordern, was nicht machbar sei. Gleich in den nächsten Sätzen nannte mein Vorredner selbst jedoch 3 oder 4 Maßnahmen, bei denen wir seit Jahren sehen, dass sie nicht machbar sind.

Noch einmal zu Einstein: Wenn wir immer das Gleiche tun, dürfen wir uns nicht wundern, wenn sich nichts ändert.