AL17CR30

AS (2017) CR 30
Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2017

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(4. Teil)

BERICHT

30. Sitzung

Dienstag, 10. Oktober 2017, 10.00 Uhr

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC
(Dok. 14401)

Danke, Frau Vorsitzende!

Was für eine kraftvolle Rede unseres Generalsekretärs. Dazu möchte ich ihm herzlich gratulieren. Gratulation aber auch an die beiden Rapporteure.

Die Wirtschaft wächst, aber wir müssen uns die Frage stellen, ob es nur um Quantität, oder auch um Qualität geht. Geht es um die Qualität, wächst die Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit, Ökologie und gerechte Verteilung, oder geht es nur darum, Wachstumszahlen von 4 oder 5% zu schreiben?

Gleichzeitig sehen wir ja unsere derzeitigen großen Probleme: dass die Löhne nicht steigen, dass die Kaufkraft normaler Angestellter und Arbeiter sinkt, während die hohen Einkommen, vor allem in Zeiten der Krise, noch mehr gestiegen sind, während vielfach die Beschäftigten die Zeche gezahlt haben.

Ein weiteres Problem ist die Digitalisierung, die – da mache ich jetzt eine Fußnote zum Herrn Generalsekretär – in Europa noch zu großen sozialen Verwerfungen führen wird. Wir sehen die Bereiche, die durch die Digitalisierung bald ohne Menschen sein werden. Man kann nicht all jene, die z.B. in Supermärkten an der Kasse sitzen, zu IT-Expertinnen oder –Experten ausbilden.

Das wird uns noch vor extreme Herausforderungen stellen. Vor allem, wenn wir im Bereich der Pflege und der Krankenhausversorgung immer mehr auf Robotertechnik gehen, stellt sich die Frage: Wer tut dann welche Arbeit?

Hier wird die ganze Verteilungsfrage angesprochen: die Ungerechtigkeit der Wohlstandsungleichheit zwischen den OECD-Staaten und innerhalb der Gesellschaften.

Der Kampf gegen Steuervermeidung und Steuertricks wird ebenfalls hier angesprochen. 100 Milliarden entgehen allein dem EU-Raum durch solche Machenschaften. Ich erinnere nur: Apple hat in Irland 13 Milliarden zu zahlen, jetzt muss Amazon eine Viertelmilliarde in Luxemburg nachzahlen. Wir müssen auch eine aggressive Steuerpolitik unter den Mitgliedsstaaten verhindern, denn sie führt dazu, dass die großen Konzerne keine Steuern zahlen, während Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dazu verpflichtet sind, ihre Steuern in ihren Ländern zu zahlen.

Auch die Jugendarbeitslosigkeit wird in diesem Bericht angesprochen. Wenn die Jugend keine Arbeit findet bzw. nicht von ihrer Arbeit leben kann, dann wird auch die Vision von Europa zerstört, dann glauben die jungen Leute nicht mehr an Europa. Deshalb brauchen wir eine Ausbildungs- und eine Jobgarantie, damit niemand mit 15 Jahren auf der Straße steht.

Wir müssen im gesamten OECD-Raum wie auch im gesamten Europaratsraum zu einem dualen Ausbildungssystem kommen: Nach der Schule beginnt man eine Lehre gekoppelt mit Schule, und zwar garantiert durch den Staat. Nur so können wir Gerechtigkeit schaffen und erreichen ein nachhaltiges Wachstum. Und wir müssen es den Städten und Gemeinden ermöglichen, endlich wieder zu investieren, denn sie schaffen die Arbeitsplätze.

Danke.

Roland Rino BÜCHEL, Schweiz, ADLE / ALDE
(Dok. 14401)

Geschätzte Vorsitzende,

geschätzte Damen und Herren!

Ich warte immer noch darauf, dass jemand von Armenien oder Aserbaidschan über ein Thema spricht, ohne den Gegner zu erwähnen. Das wäre einmal schön.

Jetzt aber zu dem Rapport: besten Dank für diesen ausgezeichneten, ausgewogenen Bericht von Herrn Heer, der aufschlussreiche Elemente enthält. Die OECD versucht weltweit, Transparenz herzustellen und gleichlange Spieße zu schaffen. Die größte Wirkung haben dabei der automatische Informationsaustausch und die Initiative gegen Base Erosion und Profit Shifting.

In meiner Heimatregion, dem Osten der Schweiz, ist die Wirtschaft sehr stark exportorientiert; nicht umsonst nennt man das St. Galler Rheintal das Silicon Valley Europas. High Tech steht bei uns an vorderster Stelle. Mit dem angrenzenden Fürstentum Liechtenstein und dem Vorarlberg in Österreich bilden wir eine Region, welche die Ideale des Europarats nicht nur verspricht, sondern tagtäglich lebt.

Ich möchte etwas zu Herrn Schennach von den Sozialisten sagen: Es sind eben genau die privaten Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen, nicht der Staat. Der Staat darf das nicht verhindern. Bei uns sind sich die Menschen einig, dass ein level playing field hilft, damit sich diejenigen durchsetzen, welche die beste Arbeit liefern, nicht diejenigen, welche die besten Steuerkniffs kennen und anwenden. Die Unternehmen und Menschen sollen Güter produzieren, nicht Formulare.

Kommen wir nun zum Automatischen Informationsaustausch (AIA). Mein Land hat Vertrauen in seine Bürger; die Privatsphäre der Menschen wird im Großen und Ganzen noch respektiert. Deshalb gilt bei uns immer noch das Bankkundengeheimnis für die Personen, die in unserem Land leben und dort steuerpflichtig sind. Ich will, dass der Staat dieses Vertrauen in die Bürgerinnen und Bürger weiterhin aufrechterhält. Und ja, dieses Vertrauen muss gegenseitig sein. (An den OECD-Generalsekretär:) You are absolutely right, Mr. Gurría, we need to recover trust.

Es ist so: Beim Automatischen Steuer-Informationsaustausch ist mein Land kein early adopter. Trotzdem hat der Nationalrat soeben beschlossen, den Austausch mit weiteren 39 Staaten einzuführen. Welche Staaten sind dies? Z.B. Brasilien, Russland, Mexiko und verschiedene Kleinstaaten in der Karibik. Das stieß im Parlament auch auf Kritik; leider habe ich nicht die Zeit, darauf einzugehen.

Selbstverständlich sind wir vom AIA stark betroffen; bei uns werden mehr als ein Viertel der weltweit grenzüberschreitend angelegten Vermögen verwaltet. Für die Schweiz ist es daher wichtig, dass der AIA-Standard möglichst praktikabel und fair ist. Deshalb möchte ich daran erinnern, dass die Schweiz die Praxisprüfung bestanden hat, und zwar, ebenso wie unser Nachbarland Liechtenstein, mit „largely compliant“. Daher bin ich überrascht, wenn ich, gerade in dieser Versammlung, immer wieder höre, wie die beiden Finanzplätze wider besseres Wissen an den Pranger gestellt werden.

Christoph WENAWESER, Liechtenstein, ADLE / ALDE
(Dok. 14401)

Danke sehr, Frau Vorsitzende!

Danke an den Kollegen Roland Büchel für die Erwähnung der Österreichisch-Schweizerisch-Liechtensteinischen Region Rheintal als Sinnbild für die gelebten Werte des Europarates.

Danke auch an den Kollegen Alfred Heer, sein Bericht ist umfassend und zutreffend.

Liechtenstein unterstützt die Initiativen der OECD zur Herstellung von Transparenz und Standards im Steuerbereich, namentlich den Automatischen Informationsaustausch (AIA) und BEPS.

Liechtenstein hat schon im November 2013 den Automatischen Informationsaustausch als neuen Standard der Steuerkooperation anerkannt. Die gesetzlichen Grundlagen sind seit dem 1. Januar 2016 in Kraft. Als early adopter hat Liechtenstein Ende September dieses Jahres erstmals Informationen automatisch ausgetauscht.

Liechtenstein hat sich zudem früh zur Umsetzung der BEPS-Mindeststandards bekannt. Ein erstes Umsetzungspaket ist seit dem 1. Januar 2017 in Kraft. Insbesondere das Country-by-Country-Reporting, die Definition von Tax Rulings, IP-Box und das Korrespondenzprinzip bei der Dividendenbesteuerung.

Zum spontanen Informationsaustausch, insbesondere zum Austausch von Steuer-Rulings hat unser Parlament im September 2017 eine Vorlage zur Anpassung des Steueramtshilfegesetzes in erster Lesung beraten. Das Inkrafttreten ist für den 1. Januar 2018 geplant.

Liechtenstein unterstützt die BEPS-Initiative der OECD insbesondere auch, weil ein level playing field für seine starke exportorientierte Wirtschaft unerlässlich ist. Die OECD ist mit dem von ihr geschaffenen globalen institutionellen Rahmen bestens geeignet, Fragen der Unternehmensbesteuerung bei gleichzeitiger Erhaltung eines gewissen nationalstaatlichen Handlungsspielraums einheitlich zu regeln.

Ein zentrales Ziel von AIA und BEPS ist die Herstellung eines level playing field. Die weltweite lückenlose Umsetzung der Standards ist unabdingbar für die Wirksamkeit der Maßnahmen. Dieses level playing field ist noch nicht vollständig hergestellt - auch und gerade hier ist die Führungsrolle der OECD entscheidend.

Das Global Forum prüfte mit Peer reviews in allen Mitgliedsstaaten die Übereinstimmung nationalen Rechts und abgeschlossener internationaler Abkommen mit den Standards sowie die Anwendung des Informationsaustausches durch die zuständigen Behörden in der Praxis. Liechtenstein hat diese Prüfung genau wie Deutschland, das Vereinigte Königreich, die Niederlande, unser enger, bewährter Partner, die Schweiz und andere mit dem Gesamtrating „largely compliant“ bestanden.

Abschließend halte ich fest, dass Liechtenstein compliance mit internationalen Standards und die rechtssichere rechtzeitige Umsetzung als klaren Wettbewerbsvorteil sieht.

Danke.

Alfred HEER, Schweiz, ALDE / ADLE
(Dok. 14401)

Frau Vorsitzende,

Thank you for cutting my time. But it’s not a problem.

Zu Herrn Schennach: Er hat das duale Bildungssystem angesprochen, das tatsächlich ein Erfolgsmodell ist, vor allem in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Aber ich bin nicht mit ihm einig, dass der Staat dies garantieren soll; die Ausbildungsplätze, die sie brauchen, sollten eigentlich Privatunternehmen garantieren können.

Zu Lord Blencathra: (weiter auf Englisch).