AL17CR31

AS (2017) CR 31
Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2017

________________

(4. Teil)

BERICHT

31. Sitzung

Dienstag, 10. Oktober 2017, 15.30 Uhr

Andrej HUNKO, Deutschland, UEL/GUE
(Fragen an Thorbjørn JAGLAND, Generalsekretär des Europarats)

Herr Generalsekretär!

Vielleicht erinnern Sie sich: Wenige Tage nach dem Umsturz in der Ukraine auf dem Maidan im Jahre 2014 fragte ich Sie, ob der Umsturz nicht verfassungswidrig sei. Sie sagten in einem Ausschuss in Malta, die Verfassung sei in einem solchen politischen Prozess nicht so wichtig, sie dürfe nicht so absolut gesehen werden. Jetzt in der Katalonienkrise argumentieren Sie genau andersherum: Sie sagen, die Verfassung sei das Absolute und erwähnen nicht einmal die Europäische Menschenrechtskonvention.

Ich finde, das sind doppelte Standards. Warum wird einmal so und einmal so mit der Verfassung der Mitgliedsstaaten umgegangen?

Eduard KÖCK, Österreich, PPE/DC / EPP/CD
(Fragen an Thorbjørn JAGLAND, Generalsekretär des Europarats)

Herr Generalsekretär!

Die Satzung des Europarates besagt in Art. 1a: „Der Europarat hat die Aufgabe, einen engeren Zusammenschluss unter seinen Mitgliedern zu verwirklichen.“
Unter 1d steht: „Die Fragen der nationalen Verteidigung gehören nicht zur Zuständigkeit des Europarates.“

Wie sehen Sie das bezüglich unserer derzeitigen Beziehung zu Russland?

Erhoffen sich nicht manche Länder etwas Falsches im Europarat?

Frank SCHWABE, Deutschland, SOC
(Dok. 14407)

Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen!

Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei, Herr Fischer, hat es durchaus als demokratischen Fortschritt bezeichnet, dass wir heute zwei Kandidaten der EPP hatten. Ich möchte ihn da gerne beim Wort nehmen. Mit Herrn Zingeris hatten wir auch einen guten Kandidaten, aber mit Frau Kyriakides besitzen wir meines Erachtens jetzt eine hervorragende neue Präsidentin, die wirklich geeignet ist, neue Integrität und neues Vertrauen in diese Versammlung zurückzubringen. Ich möchte ihr sehr herzlich zu ihrer Wahl gratulieren.

Auch möchte ich mich bei Herrn Liddell-Grainger, dem Berichterstatter, und all jenen bedanken, die an diesem Bericht mitgewirkt haben, in dem Bewusstsein, dass wir uns in einer historischen Phase befinden.

Auch rückblickend wird man wohl einmal feststellen, dass es sich heute um eine historische Phase handelt, wo es anscheinend nicht nur Netzwerke zum Schutz autoritärer Regierungen gibt – das wäre schon schlimm genug -, sondern wo das Schlimmste zumindest im Raum steht: Korruption.

Wir verlieren unsere gesamte Glaubwürdigkeit und jede Möglichkeit, irgendetwas in irgendeinem Mitgliedsstaat anzuprangern, wenn wir hier nicht selbst für schonungslose Aufklärung sorgen. Zugleich müssen wir alles tun, um neue Regeln zu schaffen, die so etwas in Zukunft verhindern können.

Dass wir solche Regeln gegenwärtig eben nicht haben, sehen wir ganz konkret bei aktuellen Fällen: Da gibt es die Korruptionsvorwürfe gegen Alain Destexhe, der nicht länger Mitglied dieser Versammlung ist. Ich bin mir nicht sicher, wie wir mit diesem konkreten Fall eigentlich jetzt umgehen sollen.

Zudem gibt es den aktuellen Fall einer deutschen Abgeordneten, Karin Strenz, gegen die es nicht nur Korruptionsvorwürfe gibt. Ende 2015 war sie bei der Wahlbeobachtung in Aserbaidschan mit dabei. Zuvor musste sie eine Declaration of no Conflict of Interest unterzeichnen, was sie wohl auch getan hat. Durch ihre eigene Aussage ist jedoch jetzt bekannt geworden, dass sie Ende 2014 und Anfang 2015 zwischen 14 000 und 30 000 Euro aus Aserbaidschan erhalten hat. Das heißt, diese Declaration zu unterzeichnen war eine Lüge.

Ich weiß nicht, wie wir das mit den heutigen Regularien sanktionieren wollen. Deswegen ist das, was vorgeschlagen wurde, überaus wichtig: Als erster Schritt ist jetzt zu prüfen, wie man damit eigentlich umgehen kann.

Wir müssen vermeiden, uns bei der Frage, wann der Europarat und wann die nationalen Parlamente zuständig sind, die Zuständigkeit wie beim Pingpong gegenseitig zuzuspielen. In der deutschen Debatte sagen manche, das sei Sache des Europarats, da wir ja Abgeordnete im Europarat sind. Doch andere, denen ich hier in Straßburg begegne, sind der Meinung, der Deutsche Bundestag sei zuständig, da ich nationaler Parlamentarier in Deutschland bin. Das in allen 47 Mitgliedsstaaten hinzubekommen, wird eine riesige Herausforderung sein.

Zu Herrn Divina möchte ich noch sagen: Es ist nicht lächerlich, Geschenke angeben zu müssen und es ist auch nicht falsch zu sagen, mit welchen Experten man sich trifft. Ich bin nicht gegen Lobbyismus, den gibt es immer und überall. Aber wir brauchen volle Transparenz, um am Ende auch die Kolleginnen und Kollegen zu schützen, die sich vielleicht manchmal unsicher sind, ob sie ein Geschenk annehmen können oder nicht, und die am Ende auf einen Weg geraten könnten, auf den sie nicht geraten sollten.

Insofern ist es ein guter erster Schritt, den Bericht so zu verabschieden, und ich bin dafür, dass wir das heute tun.

Doris FIALA, Schweiz, ALDE / ADLE
(Dok. 14399, Dok. 14399 Add.)

Frau Präsidentin,
meine Damen und Herren,
liebe Josette Durrieu!

Ich werde Sie von Herzen vermissen, das möchte ich als erstes sagen. Sie sind eine herausragende Persönlichkeit und ich habe Sie in Wahlbeobachtungen selbst erleben dürfen.

Jordanien ist unser Europarat-Partner für Demokratie. Zur Erreichung dieses Status‘ ist Jordanien eine Reihe politischer Verpflichtungen eingegangen, die dokumentieren, dass wir die gleichen Werte zu teilen und leben bereit sind: Jordanien lernt!

Wir verfolgen interessiert Verfassungsreform, institutionelle, politische und rechtliche Reformen, welche auf Anregung von König Abdullah II. trotz instabiler Landeslage an den Grenzen vorangetrieben werden. Wer Flüchtlingslager, ja Flüchtlingsstädte wie Azari mit 1,3 Millionen Flüchtlingen erlebt hat, wird mit Ratschlägen und Belehrungen etwas stiller und vielleicht sogar ein wenig demütiger.

Wie die äußerst erfahrene Berichterstatterin, der ich sehr herzlich für ihren Bericht danke, begrüße ich, dass die Wahlen vom 20.9.16 frei und fair waren, dass Frauen im neuen Parlament erheblich besser vertreten sind und ich bin wie sie erleichtert, dass Vergewaltigung bei Heirat des Opfers nicht straffrei bleibt, dass Gleichstellung sichergestellt werden soll und geschlechterspezifische Gewalt bekämpft wird.

Hingegen erwarten auch wir Liberale entschieden, dass unser Partner für Demokratie die Todesstrafe abschafft.

Es mag uns vieles in Jordanien zu langsam gehen und wir werden in zwei Jahren eine Neubewertung der Partnerschaft vornehmen. In der Zwischenzeit gebührt Jordanien aber Respekt und Unterstützung, allein schon für die Bewältigung der enormen Flüchtlingsproblematik.

Sicherheit wird dank Förderung der Rechtstaatlichkeit noch wachsen müssen, ebenso die Stärkung der Menschenrechte und der Demokratie. Aber ich glaube, es ist mehr als fair, wenn wir zuversichtlich und vor allem Jordanien gegenüber unterstützend bleiben.

Ich danke Ihnen.

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC
(Dok. 14399, Dok. 14399 Add.)

Dankeschön, Frau Präsidentin!

Beim letzten Bericht von Josette Durrieu wollte ich unbedingt sprechen, um einmal mehr auszudrücken, dass sie eine Lehrerin für mich war. Als ich 2010 in den Europarat kam, habe ich einfach Josette beobachtet und ihr zugehört. Ich habe größte Hochachtung vor Deiner Arbeit.

Nun zu Jordanien: Ich war acht Jahre lang Vorsitzender der Union für das Mittelmeer und habe Jordanien mindestens ein Dutzendmal besucht. Ich kenne das Land sehr gut und kann vieles teilen, was Josette in ihrem letzten Bericht schreibt. Diese Partnerschaft ist wichtig. Aber unter Partnern muss man auch manchmal klare Worte sprechen. Das bedeutet, dass Todesurteile nicht „ein Problem“, sondern aus Sicht des Europarates letztlich inakzeptabel sind.

Auch so manche Vorfälle, bei der letzten Wahl geschehen, sind inakzeptabel: Es wurden Wahlurnen gestohlen, Namen von Frauen herausgenommen und nach fünf Tagen die Urnen zurückgegeben, was einfach akzeptiert wurde - das geht in einem Rechtsstaat nicht!

Ich weiß, in welcher besonderen Lage Jordanien sich befindet. Schon zuvor hat Jordanien viele Flüchtlinge aufgenommen. Aufgrund dessen stellen Palästinenser und Iraker (eine halbe Million Flüchtlinge kommen aus dem Irak) bereits fast die Mehrheit der Bevölkerung. Dazu kommen nun die syrischen Flüchtlinge. Palästinenser und Iraker haben die jordanische Staatsbürgerschaft.

In den letzten Jahren hat der König mit dem Wahlrecht extrem viel herumexperimentiert, doch langsam wird in Jordanien eine Kontinuität in der Regierung notwendig werden. Denn man kann nicht alle drei oder fünf Monate die Regierung entlassen, sobald sie arbeitet, um an einem Wahlrecht herum zu probieren.

Wenn ich in Jordanien war, war man immer überrascht, wenn ein Minister länger als ein oder zwei Jahre im Amt war, weil gleich wieder eine Änderung vollzogen wurde. Wir brauchen also Stabilität.

Für die Sicherheit des Königshauses sind Beduinen zuständig, was diesen eine Reihe von Sonderrechten eingebracht hat. Sie stehen ein wenig über dem Gesetz. Hier ist nicht alles gleich, was gleich sein sollte. Wer sich in einer Partnerschaft befindet, sollte das auch wahrnehmen.

Ich verstehe, dass es in einem Land, in dem Haschemiten und Beduinen vielleicht noch 30% der Bevölkerung stellen, schwierig ist, ein Wahlrecht zu finden, das verhindert, dass die Palästinenser die Mehrheit erhalten. Damit Israel nicht sagt: Ihr habt ja jetzt euer Palästina. Diese Themen sind extrem sensibel.

Noch einmal vielen Dank an Josette für diesen Bericht. Ich finde, die Partnerschaft mit Jordanien ist wichtig.

Ute FINCKH-KRÄMER, Deutschland, SOC
(Dok. 14399, Dok. 14399 Add.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin!

Ich möchte Jordanien in einem Punkt loben, der ein wenig von den hier üblicherweise behandelten Menschenrechtsthemen entfernt ist, aber indirekt auch einen wichtigen Bezug dazu hat: Jordanien ist für mich als Außenpolitikerin eines der Länder der Region, die am häufigsten gut mit internationalen Organisationen zusammenarbeitet – sowohl den Organisationen der Vereinten Nationen, die in der Region aktiv sind und oft ihr Regionalbüro in Amman haben, als auch mit einer Organisation, die angesichts dessen, was im Augenblick mit dem Atomwaffenprogramm Nordkoreas in Ostasien passiert, für uns sehr wichtig ist: der Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty Organisation (CTBTO).

Jordanien ist mir besonders in der Zusammenarbeit mit der CTBTO aufgefallen, weil diese dort ein field experiment, eine Feldübung zur Aufklärung von Verdachtsfällen nuklearer Tests durchgeführt hat. Das ist eine sehr wichtige Aufgabe, wenn ein Land sein Territorium für eine internationale Übung zur Verfügung stellt, die der nuklearen Abrüstung dient.

Zu Recht wurde die Todesstrafe als kritischer Punkt angesprochen. Als Mitgliedsstaaten des Europarats, als Beobachter- und assoziierte Staaten (Partners for Democracy) müssen wir darauf achten, welche Länder, die uns von den Werten her eng verbunden sind, nach wie vor die Todesstrafe vollziehen - insbesondere die USA und Japan.

In bi- oder multilateralen Kontexten sollten wir auch auf Staaten wie die USA und Japan Einfluss nehmen, weil wir dann eine Chance haben, auch die Staaten, die uns in unserer eigenen Umgebung in Bezug auf die Todesstrafe Kopfzerbrechen bereiten, nämlich Belarus und Jordanien, besser davon zu überzeugen, dass die Todesstrafe mit den europäischen Grundsätzen von Menschenrechten und juristisch einwandfreien Verfahren nicht kompatibel ist.

Zuletzt möchte auch ich Josette Durrieu sehr herzlich für ihre Arbeit danken. Auch für mich war sie ein Vorbild. Ich wünsche ihr für ihr weiteres politisches und sonstiges Leben alles Gute.