AL17CR33

AS (2017) CR 33
Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2017

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(4. Teil)

BERICHT

33. Sitzung

Mittwoch, 11. Oktober 2017, 15.30 Uhr

Domagoj HAJDUKOVIĆ, Kroatien, SOC / SOC
(Dok. 14396)

Danke, Frau Präsidentin,

liebe Freunde!

Wir können uns wohl alle einig sein, dass Europa im Jahr 2017 sich radikal von Europa im Jahre 2005 unterscheidet. Europa hat sich verändert. Damit haben sich auch die Herausforderungen verändert, mit denen Europa konfrontiert ist.

Leider ist auch heute, 72 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, der europäische Raum nicht frei von offenen und latenten Konflikten. Wie bereits von anderen Kolleginnen und Kollegen gesagt, sind Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit, Euroskeptizismus, Mangel an Solidarität und Terrorbedrohung nur einige der Probleme, für die ein modernes Europa Lösungen finden muss.

Ich bin besorgt, weil mir scheint, dass die große paneuropäische Idee, eine Familie europäischer Völker, die zusammen ihre Zukunft bauen, langsam an Schwung verliert. Deshalb ist ein Gipfeltreffen nötig, um die europäische Einigkeit zu bestätigen und die Bereitschaft zu demonstrieren, die Demokratie und Sicherheit in Europa zu verteidigen. Ein Gipfel, mit dem wir den Weg einer neuen Vision Europas gehen.

Ich halte es für gut, dass die Initiative dafür aus der Parlamentarischen Versammlung kommt, weil wir damit unsere politische und soziale Verantwortung gegenüber den vor uns liegenden Herausforderungen, sowie unsere Ergebenheit der europäischen Idee betonen. Auch unsere Institution steht Herausforderungen gegenüber und ich würde in Zukunft lieber mehr, keinesfalls weniger Abgeordnete in unserer Versammlung sehen.

In diesem Sinne möchte ich meine Rede mit den Worten Winston Churchills beenden, die er 1946 an der Universität Zürich sprach: „Under and within that word concept we must recreate the European family in a regional structure called, it may be, the United States of Europe. Therefore I say to you: let Europe arise.“

Liebe Freunde, lassen Sie diese Resolution ein Schritt in diese Richtung sein.

Danke.

Amendments zu Dok. 14396:

Rustam MAKHMUDYAN, Armenien, PPE/DC / EPP/CD
(Dok. 14396, Amendment 18)

Liebe Kollegen!

das Ziel dieses Abänderungsantrags ist es, die Verbindung mit der Europäischen Union zu verdeutlichen. Wir bestätigen noch einmal den schon 2006 angenommenen Bericht.

Dankeschön.

Bernd FABRITIUS, Deutschland, EPP/CD / PPE/DC
(Dok. 14405, Berichterstatter)

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Arbeit an diesem Report begann vor mittlerweile fast 3 Jahren, im Dezember 2014, als ich zum Rapporteur für „Strengthening the rule of law in South-East European countries through targeted reform of the legal system“ benannt wurde.

Ursprünglich war es meine Absicht, mich auf die Situation im südosteuropäischen Teil Europas zu konzentrieren.

Nach den Entwicklungen in Polen und dem gescheiterten Putsch in der Türkei habe ich im Oktober 2016 beschlossen, eine neue, andere Motion zum Thema „Neue Bedrohungen der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedsstaaten des Europarates“ einzubringen.

Im November 2016 bschloss das Präsidium, dass die Motion in meinen bestehenden bericht integriert werden solle. Im April 2017 stimmte unser Ausschuss zu, den Titel dieses Reports in „New threats to the rule of law in Council of Europe member states: selected examples“ zu ändern.

Im September beschloss der Ausschuss für Recht und Menschenrechte in Paris nach einiger Diskussion die jetzt vorliegende Fassung. Gerade hat eben jener Ausschuss noch, wie ich finde, sehr zweckdienliche Amendments empfohlen, die nachher ebenfalls zur Abstimmung stehen.

Für die Arbeit an diesem Bericht habe ich Anhörungen mit Experten aus Bulgarien, Polen und Rumänien organisiert und im Mai 2016 eine Fact-Finding-Mission in die Republik Moldau und nach Rumänien unternommen.

Auch eine Fact-Finding-Mission in die Türkei war geplant. Wenige Tage vor meiner Abreise und direkt nachdem die Parlamentarische Versammlung beschlossen hatte, die Türkei wieder in das Monitoringverfahren aufzunehmen, wurden alle meine bereits fest vereinbarten Termine leider wieder abgesagt.

Die Achtung der Rechtstaatlichkeit ist einer der Kernwerte des Europarates und eng mit Demokratie und der Achtung von Menschenrechten verknüpft. Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention formuliert einen Grundgedanken der Rechtsstaatlichkeit: Das Prinzip der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz.

Der Begriff „Rechtsstaatlichkeit“ ist in keinem verbindlichen Rechtstext definiert worden, doch hat der Europarat in diesem Bereich zahlreiche juristische und politische Dokumente erstellt und verabschiedet, insbesondere durch die Arbeit des Ministerkomitees, der Parlamentarischen Versammlung, der Venedig-Kommission, der GRECO und der CEPEJ.

Die Versammlung verabschiedete mehrere Resolutionen zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit und zur Korruptionsbekämpfung in den Mitgliedsstaaten des Europarates. Heute steht wie bekannt auch die „Rule of Law Checkliste“ der Venedig-Kommission auf der Grundlage des Berichts von Herrn Mahoux auf der Tagesordnung. Ich danke Herrn Mahoux sehr, dass er diese Initiative ergriffen hat, die der Checkliste und der Arbeit der Venedig-Kommission mehr Sichtbarkeit verleiht.

In meinem Bericht konzentriere ich mich auf die fünf genannten Mitgliedsstaaten des Europarates: Bulgarien, Polen, die Republik Moldau, Rumänien und die Türkei. Dass diese Länder ausgewählt wurden, ist keinesfalls eine Gleichsetzung; es ist nicht ein direkter Vergleich, das sei vorweg gesagt.

Ich habe mögliche Bedrohungen für die Rechtsstaatlichkeit in diesen Ländern untersucht, insbesondere Bedrohungen für die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz, und bin zu dem Schluss gekommen, dass jüngste Ereignisse in den genannten Staaten die dortige Rechtsstaatlichkeit teilweise in sehr erheblichem Maße bedrohen.

Komponenten wie Rechtmäßigkeit, Rechtssicherheit, Verbot der Willkür und Zugang zur Justiz haben sich mir als besonders gefährdet dargestellt.

In Bulgarien, der Türkei und Polen wird die Unabhängigkeit der Justiz durch den Versuch gefährdet, die Richterwahlgremien und Gerichte zu politisieren. In der Türkei, versuchsweise auch in Polen, entstehen Gefahren für die Unabhängigkeit der Justiz durch Massenentlassungen von Richtern, Staatsanwälten und anderen Beamten.

In der Republik Moldau, Rumänien und der Türkei gibt es außerdem Tendenzen, die gesetzgebende Gewalt des Parlaments zu begrenzen, die Judikative unter die Kontrolle der Exekutive zu bringen. Ich bin besonders besorgt über die häufige Nutzung von Notverordnungen, etwa durch die rumänische Regierung im Bereich des Strafrechts: Diese Praxis verhindert, dass das Parlament seine gesetzgebende Gewalt ausübt.

Des Weiteren ist zu beachten, dass Korruption ein weit verbreitetes Phänomen in Bulgarien, der Republik Moldau und auch in Rumänien bleibt, selbst wenn dort beachtliche Fortschritte zu erzielen waren.

Ich mache mir besonders Sorgen um die Situation in der Türkei, wo die jüngsten Entwicklungen nicht nur das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit bedrohen, sondern auch die Demokratie untergraben und die Menschrechte verletzen.

Ich fordere die türkischen Behörden auf, die Normen des Europarates in dieser Hinsicht einzuhalten und insbesondere die jüngsten Verfassungsänderungen zu überdenken, den Ausnahmezustand aufzuheben und dafür zu sorgen, dass per Dekret verordnete Gesetze von einem funktionierenden Parlament bestätigt werden.

Ferner müssen Entlassungen von Richtern und Staatsanwälten im Einklang mit Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention und den Empfehlungen der Venedig-Kommission stehen.

In Bezug auf Bulgarien, die Republik Moldau und Rumänien lade ich die Regierungen und Behörden ein, ihre Bemühungen zur Bekämpfung der Korruption zu stärken, die Gewaltenteilung zu gewährleisten und die Unabhängigkeit der Justiz im Lichte der Empfehlungen des Europarates zu stärken.

In Bezug auf Polen begrüße ich ausdrücklich, dass der Präsident im vergangenen Juli zwei umstrittene Gesetzesentwürfe zum Nationalen Justizrat und dem Obersten Gerichtshof abgelehnt hat. Am 26. September 2016 stellte er dem Sejm zwei neue Gesetzesentwürfe vor, die bald diskutiert werden sollten.

In diesem Kontext fordere ich die Regierung auf, jede Reform zu unterlassen, die die Achtung der Rechtsstaatlichkeit und insbesondere das Funktionieren des Nationalen Justizrates und die Unabhängigkeit der Justiz gefährden würde.

Ich ermutige sie auch, von den einschlägigen Normen des Europarates Gebrauch zu machen und mit dessen Organen, einschließlich der Venedig-Kommission, vollumfänglich zusammenzuarbeiten. Die aktuelle Situation des Verfassungsgerichts sollte erneut überprüft werden, um die Einhaltung der Grundsätze der Rechtmäßigkeit und Rechtssicherheit zu gewährleisten.

Konkrete Empfehlungen für diese fünf Länder wurden in den Resolutionsentwurf aufgenommen. Die Versammlung sollte in Bezug auf jedwede neue Bedrohung der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedsstaaten des Europarates wachsam sein und wenn nötig rasch reagieren. Ebenso sollte sie alle Mitgliedsstaaten ermutigen, eine rechtliche und politische Kultur zu fördern, die der Umsetzung des Rechtsstaatlichkeitsprinzips förderlich ist.

Ich bitte deswegen um Zustimmung zu diesem Resolutionsentwurf mit den besprochenen Amendments und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Bernd FABRITIUS, Deutschland, EPP/CD / PPE/DC
(Dok. 14405, Antwort des Berichterstatters)

Meine Damen und Herren!

Ich danke zuerst den Kollegen im Rechtsausschuss für die Begleitung in dieser über dreijährigen Arbeit. Ich danke ausdrücklich auch den Experten, die sehr fundiert über die Situation in ihren eigenen Ländern berichtet haben.

Herr Efstathiou, Sie selbst haben die Kernwerte des Europarates betont und Unterstützung für die Gremien, insbesondere die Venedig-Kommission gefordert. Diesem schließe ich mich aus vollem Herzen an; es ist auch Inhalt des Berichtes.

Herr Howell, Sie haben die Ergebnisse des Berichtes als gute Grundlage für Beratungen dargestellt. Auch diese Meinung teile ich ausdrücklich.

Herr Marukyan, Sie haben eine starke Reaktion auf jede Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit gefordert. Nun, auch wenn ich diese Meinung teile, so ist der Bericht aus meiner Sicht in dem Empfehlungsteil durchaus ausgewogen, weil er eben gerade nicht belehren und angreifen will, sondern begleiten und beraten möchte.

Herr Kürçü, Sie haben bestätigt, dass bezüglich der Türkei keine Stigmatisierung stattgefunden hat. Auch das ist richtig; der Bericht will nicht stigmatisieren, sondern sachlich untersuchen. Auch meinten Sie, dass die Staatenliste verlängert werden könnte. Selbstverständlich – ich habe eingangs aber erklärt, wie es zu dieser Auswahl kam. Ich lade natürlich alle Kolleginnen und Kollegen ein, selbst Motions einzubringen, um weitere Staaten mit zu untersuchen.

Ich bedaure, dass der von mir sehr geschätzte Kollege Corlătean nicht mehr im Raum ist. Auch er hat Enttäuschung über die Auswahl der Staaten geäußert, dann allerdings leider seinen Vorwurf wiederholt, der Berichterstatter habe „in parteiischer Weise den politischen Kampf aus seinem Land in den Europarat getragen“. Genau das Gegenteil ist der Fall – wir haben gerade versucht zu verhindern, dass der politische Kampf aus Rumänien in dieses Gremium getragen wird!

Wenn der Kollege Corlătean noch hier gewesen wäre, hätte ich ihn jetzt eingeladen, aufgrund Art. 13 Abs. 2 unseres Regelwerkes eine Ad-hoc-Erklärung zu Interessenskonflikten abzugeben. Vielleicht hätte er uns dann auch erklärt, welche die besonders hochrangigen Politiker in Rumänien sind, die ein Verfahren zur Aufhebung der Immunität gerade durch die Antikorruptionsbehörde DNA tragen müssen, vor dem sie von der eigenen Partei bewahrt worden sind. Das wäre vielleicht für einige Positionen aufschlussreich gewesen.

Herr Corlătean hat natürlich die Einhaltung der Regeln im Strafverfahren angemahnt. Das ist absolut richtig und Teil des Berichtes und seiner Forderung. Er hat Achtung vor dem rumänischen Verfassungsgericht eingefordert. Auch das ist richtig und Teil der Forderung des Berichts. Aber genauso wichtig ist auch die Antikorruptionsbehörde DNA, die in Rumänien eindeutig ein Beispiel bester Praxis darstellt und anerkanntermaßen gute Arbeit gegen Korruption leistet – sehr zum Missfallen von wenigen hochrangigen Politikern, die eben angegriffen werden und dann versuchen, diese Institution politisch zu diskreditieren. Genau dagegen will dieser Bericht sich deutlichst positionieren.

Frau Șahin Usta, Sie meinten, die Beispiele zur Türkei seien falsch. Nun, leider sind sie es nicht – genau das haben die Experten bestätigt. Leider hatte ich nicht die Gelegenheit, in Ihrem Land mit den Vertretern des Landes zu sprechen, was ich sehr gerne getan hätte. Es hätte vielleicht auch erklärt, warum die eine oder andere Maßnahme nicht stattfindet, aber wenn ein Land schon einen Berichterstatter nicht ins Land lässt, ist auch das schon eine Aussage an sich.

Herr Dișli, auch Sie haben die Länderauswahl kritisiert. Dazu habe ich bereits etwas gesagt.

Herr Venizelos, Sie haben eine Gratulation und einen Dank ausgesprochen. Aufgrund Ihrer Erfahrung ist mir genau diese Wertschätzung ganz besonders wichtig.

Genau das Gleiche sage ich zu Frau Gorghiu, die die Ergebnisse des Berichtes in einem genauen Kontrapunkt zu Herrn Corlătean bestätigt. Ich bin Ihnen ausgesprochen dankbar dafür, dass Sie gerade die Antikorruptionsbehörde als wichtiges Instrument in Ihrem Land bestätigt haben. Sie haben auch die Menschen in Rumänien angesprochen, auch dafür bin ich Ihnen dankbar.

Wir wissen, dass Rumänien inzwischen eine erwachsene Zivilgesellschaft hat, die dafür sorgt, dass Rechtsstaatlichkeit auch in Rumänien wichtig ist und von keiner politischen Partei missbraucht werden kann. Ich gratuliere Ihnen zu Ihrer Zivilgesellschaft in Rumänien.

Sie haben die Änderungen angesprochen, die Ihr Justizminister im August vorgenommen hat. Ich selbst sehe dies mit sehr großer Sorge. Es ist ein weiterer Schritt, zu versuchen, die Justiz unter die Kontrolle der Exekutive zu bringen. Leider ist das nach Erstellung des Berichts erfolgt. Es wird aber ein wichtiges Thema für die Postreportphase sein. Es wird wichtig sein, darauf ein Auge zu halten.

Herr Ghimpu, Sie haben von Herrn Plahotniuc und dem Unwesen gesprochen, das er in Ihrem Land treibt. Von weiteren Drangsalierungen ist uns auch bekannt, etwa, dass der Bürgermeister aus Chișinău plötzlich verhaftet wurde. Auch das ist leider zu bestätigen und zeigt ganz eindeutig, dass die Empfehlungen des Berichtes auch in Republik Moldau sehr wichtig sind.

Herr Hajduković, Sie selbst haben auch bemängelt, dass zu wenige Länder Inhalt dieses Berichts waren. Sie sind ein junger Kollege; ich möchte Sie dazu ermuntern, zwei oder drei Motions zu starten, in denen Sie sich andere Länder aussuchen und Berichte erstellen. Es ist äußerst lohnenswert, sich mit der Frage der Rechtsstaatlichkeit zu befassen.

Herr Tarczynski, Sie haben eine interessante Show geboten; hier teile ich absolut die Auffassung des Präsidenten. Ich bin ja schon froh, dass Sie nicht wieder über die Anwendung von Schariarecht im Europarat fabuliert haben, um das dann postwendend auf Youtube zu posten. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie das diesmal nicht getan haben.

Herr Munyama, Sie haben genau bestätigt, was die Experten uns zu Polen gesagt haben. Die nichtdemokratischen Tendenzen der Reformen sind genau der Punkt, den wir in diesem Bericht aufgegriffen haben.

Ich halte das für genau richtig und bitte deswegen die Versammlung, den Bericht mit den im Ausschuss beschlossenen Änderungsanträgen zu verabschieden.

Dankeschön.