AL18CR06

AS (2018) CR 06
Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2018

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(1. Teil)

BERICHT

6. Sitzung

Mittwoch, 24. Januar 2018, 15.30 Uhr

Frank SCHWABE, Deutschland SOC
(Fragen an Herrn Lars Løkke RASMUSSEN, Premierminister des Königreichs Dänemark)

Herr Premierminister!

Die Debatte über den Anwendungsbereich der europäischen Menschenrechtskonvention ist nicht neu, aber neu ist, dass eine Präsidentschaft ein Gericht in Frage stellt, so wie Sie das, glaube ich, heute auch in aller Offenheit getan haben. Diese Versammlung ist dazu berufen – wahrscheinlich ist dies auch ihre wichtigste Aufgabe – den Menschenrechtsgerichtshof zu schützen. Insofern haben Sie uns heute eine Herausforderung gegeben.

Ich würde gerne wissen, wie Sie die Unterstützung im Ministerkomitee sehen. Gibt es bestimmte Länder, die Sie in Ihrer Haltung unterstützen?

Andrej HUNKO, Deutschland UEL / GUE
(Debatte zum Zeitgeschehen: Die türkische Militärintervention in Syrien)

Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren!

Ich wende mich an die türkische Regierung sowie an die Kollegen hier, die für diese militärische Intervention in Syrien gesprochen haben. Ich möchte ganz deutlich sagen: Sie haben kein Recht, das Völkerrecht zu ignorieren und Ihre eigenen Regeln aufzustellen. Es gibt klare Regeln und ein Gewaltverbot, das nur in Ausnahmefällen aufgehoben werden kann, wenn etwa die syrische Regierung um Hilfe bittet, wenn eine unmittelbare Bedrohung existiert oder wenn der UN-Sicherheitsrat das beschließt.

All das ist aber in diesem Fall nicht passiert. Sie schaffen sich Ihr eigenes Recht, wenn Sie sagen, dass Sie nur den Terrorismus bekämpfen. Die in Afrin angegriffene YPG wird von den meisten Staaten nicht als Terrororganisation eingestuft. Es gibt keine Anschläge der YPG in Paris, London, Berlin oder Brüssel, sondern es waren Anschläge des Islamischen Staates oder anderer Dschihadisten. Die YPG und syrischen Kurden haben sich besonders aufgeopfert um gegen den Islamischen Staat zu kämpfen. Sie haben auch kein Recht, die Opfer der Terroranschläge in Europa in diesem schmutzigen Krieg als Begründung heranzuziehen. Wir weisen das sehr deutlich zurück.

Ich möchte Herrn Tiny Kox, den Einleiter dieser Debatte für die ausgewogene Darstellung des Konfliktes danken und auf die anfangs genannten vier Punkte eingehen. Dies ist wichtig, da es sich hier um einen klaren Völkerrechtsbruch handelt. Dies sollte von uns deutlich verurteilt werden. Wir sollten die türkische Regierung auffordern, diese militärische Intervention sofort zu stoppen und die Truppen zurückzuziehen. Wir sollten unsere Länder auffordern, für die eben genannten Ziele im UN-Sicherheitsrat einzutreten und wir sollten auch die anderen Institutionen des Europarates dazu bringen in diesem Sinne aktiv zu werden.

Es führt kein Weg daran vorbei.

Ich war erschreckt von dieser Debatte. Man spricht von Säuberungen, zum Beispiel dass die Städte von Terroristen „gesäubert“ wurden! Der einzig mögliche Weg ist der zurück zum Friedensprozess, der 2015 aufgekündigt wurde.

Dies ist auch die klare Position dieser Versammlung, die sie auch mehrfach in verschiedenen Resolutionen zum Ausdruck gebracht hat.

Bitte kehren Sie zum Friedensprozess zurück und ziehen Sie das Militär aus dem syrischen Kurdengebiet ab!

Stefan SCHENNACH, Österreich SOC
(Dok. 14465)

Danke sehr Frau Präsidentin!

Lieber Tiny Kox, ich gratuliere zu diesem Bericht, der sehr nachdenklich stimmt. Aber zuerst möchte ich ein paar Sätze, die Tiny zu dieser Fraktion und zu Caroline gesagt hat unterstreichen: „Danke Caroline, Du bist unsere großartige Expertin für Bosnien und viele andere Staaten.“ Auch ich möchte Dir für Deine Arbeit danken, Tiny Kox hat es auf den Punkt gebracht, selbst wenn wir anonym abstimmen, Du würdest es nicht respektieren.

Aber kommen wir zurück zur Sache.

Bosnien ist durch seine besondere Nähe mein Herzblut. Unfassbar schrecklich ist die Agonie und dieses Verharren in Agonie, die der Jugend geraubte Zukunft. Letztes Jahr habe ich ein Buch veröffentlicht, in dem sehr viele junge Menschen aus Bosnien zu Wort kommen. Alle sehen nur eine Perspektive in dieser Agonie: das Land zu verlassen! Sie sehen keine Zukunft in diesem Land, in dem sich nichts bewegt und in dem der erste, der sich bewegt verliert.

Das ist eine unerträgliche Situation. Dies raubt der Jugend die Möglichkeit ihr Land zu gestalten.

Eines ist klar: In diesem Fall müssen die Parteien einmal über ihren Tellerrand hinaussehen und gemeinsam Führungskraft zeigen, denn die Dayton-Verfassung ist keine Verfassung eines Staates! Dieser Vertrag kennt keine Bürgerinnen und Bürger, nur drei ethnische Gruppen werden genannt und die anderen werden ignoriert. Niemand denkt daran das „Sejdic-Finci“ Urteil des Menschenrechtsgerichtshofs umzusetzen.

Was für Junge noch schlimmer ist, ist wenn die Mutter Serbin und der Vater Bosniake ist und sie einen Elternteil verstoßen und sich zu einer nationalen Ethnie bekennen müssen. Sie wollen das nicht tun müssen. Zwanzig junge Menschen kommen dann und sagen, dass sie doch Bürgerinnen oder Bürger Bosniens sind und nicht als Serbe, Kroate oder Bosniake gelten wollen.

Als ehemaliger Vorsitzender des Monitoring-Ausschusses und in diesem Sinne ist es meines Erachtens untragbar, dass die bosnische Seite zu einem Bericht weder antwortet noch Stellung nimmt, zu dem, was im eigenen Land passiert. Aber manchmal funktioniert dies dann doch.

Die einzige Institution, die mit einem Präsidenten auskommt ist der nationale Fußballverband, da ihm angedroht wurde, dass er sonst nicht an der Fußballweltmeisterschaft teilnehmen könne. Da hat es funktioniert, wieso dann nicht in den anderen Bereichen?

Im Bericht werden klar die „Spielchen“ in der Republika Srpska angesprochen, die nicht – auch nicht vom Europarat – akzeptiert werden dürfen. Man muss gemeinsam agieren, den Brčko-Korridor achten und die Stadt Mostar als solche funktionieren lassen und sie nicht weiter unter Kuratel behalten. Das ist eine Schande für diese Stadt und für Alle, die dort politisch Verantwortung tragen.

In diesem Sinne danke ich für diesen klaren Bericht.

Ich musste diese klaren Worte sprechen, denn Bosnien liegt mir sehr am Herzen.

Andrej HUNKO, Deutschland UEL / GUE
(Dok. 14465)

Herr Präsident!
Meine Damen und Herren!

Ich will mich zunächst bei den beiden Berichterstattern, Herrn Roger Gale, und Herrn Tiny Kox, bedanken.

Ich glaube, dass in diesem Bericht und Resolution die wichtigsten Punkte und entscheidenden Reformschritte auf politischer Ebene sowie auf Ebene der Rechtsstaatlichkeit angemessen benannt sind.
Genau wie Stefan Schennach habe auch ich den Eindruck, dass die teilweise mit Dayton eingetretene Zwangsethnisierung ein Problem ist, das es zu überwinden gilt.

Auch ich habe mit jungen Menschen aus Bosnien gesprochen, die genau das zum Thema gemacht haben, denn auch in der politischen Partizipation läuft alles entlang der ethnischen Linien.

Ich bin kein Experte für Bosnien, aber ich habe viele Länder des Westbalkans im Rahmen der Tätigkeit für den Europarat in den letzten Jahren besucht und habe mit vielen Menschen in Mazedonien, Albanien, Serbien, Montenegro und anderen Ländern gesprochen. Ich möchte einen Grundgedanken zum Ausdruck bringen: Wir leisten mit diesen Berichten sehr gute Arbeit und fordern politische Reformen in Richtung Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Gleichzeitig sind wir in diesen Ländern – so unterschiedlich sie auch sind –  mit sozialen und wirtschaftlichen Problemen der Menschen konfrontiert, die uns sozusagen die Basis wegziehen. Wenn Menschen keine Arbeit und keine soziale Zukunft haben, denn passiert genau das, was Herr Schennach gerade angesprochen hat: Die Jugend wandert aus, weil sie keine Zukunft mehr hat! Damit fehlt wiederum die Basis dafür, dass die notwendigen Reformen stattfinden.

Das werden wir im Rahmen der Mandate der Berichterstattung für diese Länder nicht lösen können, aber ich möchte es ansprechen.

Auch halte ich die wirtschaftlichen Auflagen im Rahmen der EU-Annäherungsprozesse für nicht zielführend, denn sie setzen alle auf Kürzungen und auf Haushaltsdisziplin, aber es finden in diesen Ländern keine Investitionen statt. Es gibt kein großes Aufbauprogramm – einen neuen Marshallplan – so wie es auf dem ganzen Balkan und auch in Griechenland notwendig wäre.

Ich glaube, dass diese Probleme mit dazu führen werden, dass unsere Arbeit hier möglicherweise immer wieder behindert wird. Ich sage das nicht als Entschuldigung für die Länder und stimme Tiny Kox zu, dass das umgesetzt werden muss, aber auch über diese grundlegenden Probleme müssen wir weiter nachdenken und reden.

Vielen Dank.

Josip JURATOVIC, Deutschland SOC
(Dok. 14465)

Vielen Dank Herr Präsident!

Ich möchte den Berichterstattern meine Anerkennung zollen und mich bei ihnen bedanken.

Kolleginnen und Kollegen!

Ich unterstütze ausdrücklich und in allen Punkten den Entschließungsentwurf in Kenntnis der Tatsache, dass wir keine anderen Instrumente haben. Dennoch muss ich feststellen, dass vor Ort die Kriegsprofiteure jeglicher Art und ganz besonders die Nationalisten seit zwei Jahrzehnten mit unseren politischen Instrumenten ganz gut zurechtkommen.

Der ärmste Staat Europas mit ca. 3,2 Millionen Einwohnern hat über 100 Multimillionäre mit ca. 5 Milliarden € Kapital bei einer Jugendarbeitslosigkeit von über 40%.

Menschenrechte, für die wir stehen, sind dort unbekannt.

Die kommunistische Ideologie wurde durch eine nationalistische ersetzt. Leider haben auch unsere Institutionen vor Ort völlig an Glaubwürdigkeit verloren. Bosnien-Herzegowina ist zu einem Tummelplatz globaler Interessen jeglicher Art verkommen. Die Menschen verlieren zunehmend den Glauben an einen Ausweg und verlassen fluchtartig das Land. In den letzten fünf Jahren allein flohen 20% der Jugendlichen.

Deshalb fordere ich uns alle in dieser Versammlung auf:

In Anbetracht der aufkommenden, antidemokratischen und nationalistischen Bewegungen ist Bosnien-Herzegowina für uns ein Lackmustest unserer eigenen Handlungsfähigkeit und Glaubwürdigkeit. Wenn man daher noch die globale Lage hernimmt und sieht wie Bosnien-Herzegowina zum Spielball internationaler Interessen wird, dann erkennt man, dass wir diesen Staat mehr benötigen als er uns, denn dieses Land ist nicht nur ein Risikofaktor für die Sicherheit der eigenen Region, sondern für ganz Europa.

Es liegt nicht an den Menschen. Die Flutkatastrophe vor zwei Jahren hat dies bestätigt. Es liegt an politischen Voraussetzungen, die nach politischer Logik und Einzelinteressen geschaffen wurden und nicht nach menschlichen Bedürfnissen.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.