AL18CR07

AS (2018) CR 07
Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2018

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(1. Teil)

BERICHT

7. Sitzung

Donnerstag, 25. Januar 2018, 10.00 Uhr

Frank SCHWABE, Deutschland SOC
(Dok. 14484)

Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Im Gegensatz zu meinem Vorredner, Herrn Heer, finde ich, dass das genau unserer Verantwortung ist. Das Verständnis für Verantwortung, insbesondere für Israel – und ich sage das ausdrücklich als deutscher Abgeordneter – ist bei uns in Deutschland Staatsraison und das zu Recht.

Es ist wichtig, es an einem solchen Tag wie heute, wo wir dem Holocaust gedenken, zu betonen, denn es liegt in unserer Verantwortung, dafür zu sorgen, dass Israel eine dauerhafte Existenz hat.

Dazu gehört aber auch eine ausgewogene Entwicklung in der Region.

Herr CORLĂŢEAN hat genau so einen ausgewogenen Bericht vorgelegt und dazu möchte ich ihn beglückwünschen. Sein Bericht ist in keine Richtung einseitig, gibt aber eine europäische Antwort –beziehungsweise fordert eine solche Antwort – auf das Verhalten der Vereinigten Staaten.

Niemand behauptet hier, dass wir 1:1 an die Stelle der Vereinigten Staaten treten können, denn da würden wir uns vollkommen selbst überschätzen. Aber es ist auch klar, dass andere Institutionen in Europa und darüber hinaus in der Welt versuchen müssen sich entsprechend einzubringen, wenn die Vereinigten Staaten sich so verhalten wie sie sich verhalten und am Ende Öl ins Feuer des Konfliktes gießen anstatt ihn zu befrieden.

Es wurde von allen hier betont, dass es letztlich nur eine Zweistaatenlösung geben kann, so schwer sie auch ist. Wenn man heute in Israel im Westjordanland unterwegs ist sieht man, wie schwierig eine Zweistaatenlösung ist. Die Alternative dazu ist aber eine Einstaatenlösung, die eigentlich niemand will, auch nicht in Israel. 

Aus diesem Grund ist klar, dass es keine weiteren Siedlungen geben darf und dass die Verhandlungen für eine solche Zweistaatenlösung sofort aufgenommen werden müssen. Jeder weitere Tag, der vergeht und an dem weitere Siedlungen geschaffen werden, erschwert die Zweistaatenlösung.

Wir nehmen eine Bewertung der politischen Lage vor, wir müssen vor allen Dingen aber auf die Lage der Menschenrechte schauen. Auf palästinensischer Seite gibt es schwerste Menschenrechtsverletzungen – die Rechtfertigung von Attentaten, Exekutionen an Palästinensern u. ä. – aber auch auf israelischer Seite kommt es zu exzessiver Gewalt wie Schusswaffeneinsatz mit Tötung. Der UN-Menschenrechtskommissar hat sich zum Beispiel schockiert über die Tötung eines beinamputierten Palästinensers Ende Dezember gezeigt.

Wir müssen vor allem Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit verhindern. Das betrifft uns im Hinblick auf das Thema Migration, das wir ja intensiv diskutieren. Viele Menschen, Palästinenser, die in umliegenden Ländern gelebt haben, sind im Rahmen der Migrationsbewegung schon zu uns gekommen.

Deswegen ist es eine falsche Entscheidung, die US-Botschaft nach Jerusalem zu verlegen und es ist eine völlig absurde Entscheidung, UNRWA entsprechend die Mittel zu kürzen, denn genau das ist die Organisation, die dafür sorgt, dass 5 Mio. Palästinenser überhaupt eine Zukunftsperspektive haben.

Deshalb muss von hier eine wichtige Botschaft ausgehen: UNRWA muss in ihrer Arbeit sichergestellt werden. Die USA müssen ihren Verpflichtungen gerecht werden und wir – alle europäischen Staaten – gemeinsam müssen überlegen, wie wir dort entsprechend helfen können.

Vielen Dank.

Werner AMON, Österreich EPP/CD / PPE/DC
(Sitzungsvorsitzender)

Danke Herr Schwabe für Ihre Ausführungen.

Michele NICOLETTI, Italien SOC
(Präsident der parlamentarischen Versammlung, Sitzungsvorsitzender)

Sehr verehrter Herr Bundespräsident!

Wir alle freuen uns sehr, Ihre Ansprache an die parlamentarische Versammlung zu hören. Es ist mir deshalb eine große Freude, Ihnen das Wort zu erteilen.

Danke sehr.

Alexander VAN DER BELLEN, Bundespräsident der Republik Österreich
(Ansprache)

Sehr geehrte Damen und Herren!

Der Europarat, das wissen Sie alle natürlich, ist die älteste politische Organisation europäischer Staaten. Mit ihm nahm die politische Einigung unseres Kontinents nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust erste konkrete Formen an. Nahezu alle europäischen Staaten gehören mittlerweile dem Europarat an.

Die Geschichte Europas war davor über Jahrhunderte eine Geschichte von immer wiederkehrenden Konflikten und Kriegen. Der Einsatz für Menschenrechte – man kann das nicht oft genug betonen –, die Sicherung demokratischer Grundsätze, die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundprinzipien, die Bekämpfung des Terrorismus, die Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts sowie der kulturellen Zusammenarbeit bzw. des Umwelt- und Naturschutzes in Europa sind die deklarierten Aufgaben des Europarats.

Heute Vormittag, als ich dieses Gebäude betrat, wurde ich eingeladen mich ins Goldene Buch des Europarats einzutragen und ich habe folgendes geschrieben: „Österreich weiß sich dem Europarat, unserer ältesten, wahrhaft paneuropäischen Plattform, auf vielfache Weise sehr verbunden. Die Europäische Menschenrechtskonvention steht in Österreich im Verfassungsrang. Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit machen das Wesen Europas aus. Ohne sie kann es das Europa, das wir wollen, nicht geben. Sie müssen freilich jeden Tag neu errungen und gesichert werden.“

Fast siebzig Jahre nach seiner Gründung ist der Europarat eine der politischen Konstanten Europas. Diese Konstanz, diese grundlegende wertefundierte Basis braucht Europa heute mehr denn je. Die drei bereits angesprochenen Säulen des Europarats – Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit –  zeigen besorgniserregende Sprünge. Die Demokratie – im Sinne von echtem Pluralismus und korrekten demokratischen Wahlen, deren Ergebnisse tatsächliche Machtwechsel zulassen – scheint nicht überall in Europa gewährleistet. Die volle Ausübung der Menschenrechte ist in einigen Regionen Europas gefährdet und auch bezüglich der Unabhängigkeit der Justiz sind in mehreren Staaten besorgniserregende Entwicklungen und Tendenzen festzustellen. Wir müssen, so glaube ich, den Grundkonsens früherer Jahre, insbesondere nach dem Fall des Eisernen Vorhangs damals, wiederbeleben. Es geht um Europas Fähigkeit in der Welt Verantwortung zu tragen, Leadership zu zeigen und in andere nähere und fernere Regionen auszustrahlen.

Das geschieht beispielsweise durch das Öffnen von Europaratskonventionen für Beitritte außereuropäischer Staaten. Ich glaube wir sind stolz darauf, auf Europa als Beispiel verweisen zu können, wie mit oft gegensätzlichen Interessen umzugehen ist. Diese Fähigkeit müssen wir unbedingt erhalten.

Dennoch wissen wir alle, dass es gegenwärtig auch in Europa Spannungen und Krisenherde gibt. Sie spiegeln sich auch in der Arbeit internationaler Organisationen und des Europarats wider. Das hat Österreich gerade letztes Jahr, 2017, als Vorsitzland in der OSZE erfahren, wo uns gemeinsam Vieles gelungen ist. In Bezug auf akute Konfliktherde aber haben die aktuellen Rahmenbedingungen allerdings keine großen Fortschritte zugelassen.

Der Europarat ist zwar nicht der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und er ist auch nicht  die OSZE. Aber er verfügt doch über Instrumente, die wenn sie richtig angewendet werden, einen Beitrag zur Stabilisierung und zur möglichen künftigen Lösung von Konflikten leisten können. Denken wir etwa an einzelne Konventionen samt Monitoring zu Themen wie Folter, Minderheitendiskriminierung, Korruption und Menschenhandel. Ebenfalls wichtig ist, dass der Europarat bei der Erfüllung dieser Aufgaben nicht von anderen, internationalen Organisation abhängig ist.

Dieses ungeheure Potential des Europarats sollte voll ausgeschöpft werden und daran sollten alle Mitgliedstaaten verstärkt, fokussiert und flächendeckend arbeiten.

Ich möchte auf einen für Europa besonders schmerzlichen Krisenherd eingehen, der im Frühjahr 2014 entstanden ist. Eine nachhaltige und dauerhafte Lösung des Konflikts in und um die Ukraine kann nur durch den Willen zum Frieden und ernsthafte Anstrengungen aller Seiten erreicht werden. Dazu braucht es mehr Dialog, um Vertrauen zwischen den verschiedenen Seiten wieder aufzubauen.

Die Frage der möglichen Rückkehr der russischen, Parlamentarier-Delegation in die parlamentarische Versammlung ist derzeit einer der schwierigen, wenn nicht eines der schwierigsten Themen im Europarat. Ich hoffe sehr, dass es Ihnen hier in der parlamentarischen Versammlung in naher Zukunft gelingen wird, ein akkordiertes Vorgehen zu erzielen, welches eine Lösung auf Konsensbasis ermöglicht, ohne Sieger und ohne Besiegte. Die Suche nach einer derartigen Lösung ist ein Anliegen, das uns alle angeht und sie ist dringend.

Mir ist bewusst, dass der Europarat mit ernsten Budgetproblemen konfrontiert ist. Das geht einerseits auf die Suspendierung aller russischen Budgetbeiträge seit Juni 2017 zurück, andererseits auf die Entscheidung der türkischen Regierung, ihren Status als sogenannter großer Beitragszahler im Rahmen des Europarats-Budgets ab 2018 nicht weiter fortzuführen.

Ich hoffe, dass die russische Föderation ihre Entscheidung mit der gebotenen Dringlichkeit noch einmal überprüfen wird. Ich würde mir wünschen, dass es möglich ist gemeinsam mit der Türkei eine gangbare Vorgehensweise zu akkordieren. Auch hier ist der Dialog der Schlüssel für eine tragfähige Lösung.

Die Venedig-Kommission des Europarats spielt eine führende Rolle in Verfassungsfragen. Sie wird von Organen des Europarats oder von einzelnen Mitgliedstaaten immer wieder angerufen. Ihre Gutachten werden in und außerhalb Europas wegen ihrer hohen Kompetenz, Sachlichkeit und Unvoreingenommenheit geschätzt und anerkannt. Ihre Mitglieder sind bekanntlich unabhängig, auch gegenüber den Regierungen, die sie nominiert haben. Mit Sorge sehe ich aber, dass die Venedig-Kommission mitunter wegen Gutachten angegriffen und infrage gestellt wird, die nicht den politischen Präferenzen der Regierung des betroffenen Landes entsprechen. Dabei hat es die Venedig-Kommission immer wieder verstanden, durch sachbezogene Argumente und Beurteilungen einiges an politischem Konfliktpotenzial aus Streitthemen herauszunehmen. Bestärken wir sie in der Fortführung dieser Rolle!

Die Europäische Menschenrechtskonvention und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sind seit langem herausragende, positive Markenzeichen Europas. Im Zentrum steht der Schutz der Rechte der Bürgerinnen und Bürger, auch gegenüber dem eigenen Staat. Mit Besorgnis verfolge ich, dass es immer wieder Versuche gibt, diesen Menschenrechtsschutz und insbesondere auch Urteile des EGMR (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) nicht umzusetzen oder diese einschränkend zu interpretieren. Diesen Versuchen ist entschieden entgegenzutreten. Wir alle sollten ein nachhaltiges Interesse an einem klaglosen Funktionieren des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte haben. Wir müssen dafür sorgen, dass der EGMR auch weiterhin imstande ist, neue Fälle zu bearbeiten und binnen angemessener Frist zu entscheiden. Ich freue mich daher sehr darauf, heute Nachmittag ein Arbeitsgespräch mit Präsident Guido Raimondi führen zu können.

Lassen Sie mich abschließend auch etwas über mein Heimatland sagen. Wie Sie wissen, fanden im Oktober des Vorjahres Parlamentswahlen in Österreich statt und im Dezember wurde eine neue Bundesregierung gebildet. Zu dieser Regierungskoalition gab es in Österreich aber auch außerhalb der Grenzen verschiedene positive aber auch kritische Kommentare.

Es ist mir daher wichtig zu betonen, dass die weit überwiegende Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher in allen Umfragen die Mitgliedschaft Österreichs in der Europäischen Union befürwortet. Sie ist klar proeuropäisch eingestellt.

Meine erste Reise als Bundespräsident letzten Jahres führte daher bewusst zuerst nach Brüssel zur Europäischen Kommission, zum Europäischen Rat sowie nach Straßburg ins Europäische Parlament.
Vielleicht ist es gut, wenn ich heute hier bekräftige, was ich am 14. Februar letzten Jahres vor dem Europaparlament gesagt habe: Wir sind ein Kontinent des „und“ und nicht des „entweder oder“! Das macht uns auf dieser Erde einzigartig.

So verstehe ich mich zum Beispiel seit langer Zeit als Tiroler, Österreicher und Europäer. Das eine schließt das andere nicht aus. Meine Heimat ist Tirol, Wien, Österreich und Europa.

Außerdem ist es politisch gesehen meine tiefe Überzeugung, dass Österreich als relativ kleiner Staat seine politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Interessen nur in einem vereinten Europa verwirklichen kann. Ich betone das, weil ich auch bei der Regierungsbildung in Österreich größten Wert darauf gelegt habe, dass die Regierung ein klares Bekenntnis zu diesem Europa abgibt und dass eine Kontinuität unserer Außenpolitik ebenso wie die Einhaltung der Grund- und Freiheitsrechte wichtige, unverhandelbare Grundprinzipien sind. Das ist im Regierungsübereinkommen auch so festgehalten.

Wie Sie wissen, wird Österreich im zweiten Halbjahr 2018 den Vorsitz im Rat der Europäischen Union führen. In Absprache mit unseren Triopartnern Estland und Bulgarien sind die Vorbereitungen hierfür in vollem Gange. Ich bin überzeugt, dass Österreich dabei die Kernthemen des Europarats und die zwischen dem Europarat und der EU bestehenden Schnittstellen wie im Bereich der Menschenrechte, der Grundsatzfragen der Justiz und der Demokratie in seinen Planungen voll berücksichtigen wird.

Österreich wurde im April 1956 in den Europarat aufgenommen. Die Europäische Menschenrechts-konvention steht in Österreich im Verfassungsrang. Das ist ungewöhnlich, auch unter den Mitgliedern des Europarats. Nicht wenige Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte haben maßgeblich zur Fortentwicklung des österreichischen Rechtsstaats beigetragen.

An unserer Unterstützung für den Europarat hat auch der 1995 erfolgte Beitritt zur Europäischen Union keine Änderung bewirkt. Ganz im Gegenteil ist Österreich entschlossen dieses positive Engagement fortzuführen.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Mitglieder der parlamentarischen Versammlung, ich danke sehr für Ihre Aufmerksamkeit und stehe Ihnen für Ihre Fragen gern zur Verfügung.

Vielen Dank.

Michele NICOLETTI, Italien SOC
(Präsident der parlamentarischen Versammlung, Sitzungsvorsitzender)

Verehrter Herr Präsident!

Ich bin Ihnen sehr dankbar für die starke Botschaft der Einheit und des Vertrauens, die Sie dieser Versammlung vermittelt haben. Abschließend, Herr Präsident, möchte ich einen berühmten Südtiroler erwähnen, der sein Leben den Werten des Zusammenlebens widmete, Alexander Langer, ein Brückenbauer zwischen Menschen, Kulturen und Ideen. Langer sagte, es gäbe keine Alternative zur Kultur des Zusammenlebens und blickte voller Zuversicht auf eine multinationale vereinte Gemeinschaft. In einem Artikel schrieb er: „Nein zu Ausschlüssen und erzwungenen Einschlüssen, Ja für eine menschliche Koexistenz, die Komplikationen akzeptiert, Unterschiede respektiert, Unvollkommenheiten toleriert.“

Daher, vielen Dank Herr Präsident.