AL18CR09

AS (2018) CR 09
Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2018

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(1. Teil)

BERICHT

9. Sitzung

Freitag, 26. Januar 2018, 10.00 Uhr

Volker ULLRICH, Deutschland, PPE/DC / EPP/CD
(Dok. 14443, Berichterstatter)

Herr Präsident!

Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Liebe Kollegen!

Wir sprechen heute Morgen über den Bericht betreffend die rechtliche Stellung von Mitarbeitern von internationalen Organisationen. Wenngleich es ein sehr spezifisches juristisches Thema ist, geht es doch um eine grundlegende Frage: Wie garantieren wir den Zugang zum Recht?

Internationale Organisationen genießen – ähnlich wie Staaten – eine sog. Immunität, welche es schwierig macht, diese Organisationen vor nationalen Gerichten in den Ländern zu verklagen, in denen sie ihren Sitz haben.

Dieses Prinzip der Immunität ist richtig und entspricht einer langen Tradition des Völkerrechts. Aber so, wie dieses Prinzip richtig ist, führt es immer dann zu Unwägbarkeiten, wenn die Rechte der Beschäftigten betroffen sind, die bei diesen internationalen Organisationen arbeiten.

Gerade im Bereich des Arbeitsrechts ist diesen Mitarbeitern der Weg zu einem ordentlichen Gericht versperrt, um ihre Ansprüche geltend zu machen oder Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis gerichtlich klären zu lassen.

Natürlich haben einige internationale Organisationen Streitbeilegungsmechanismen oder interne Gerichtsbarkeiten, an die sich die Mitarbeiter wenden können. Oftmals ist es aber so, dass die internen Streitbeilegungsmechanismen nicht die gleiche Wirkung entfalten und nicht den gleichen Rechtsschutz bieten, den normale grundständige Gerichte haben.

Vor diesem Hintergrund und gerade auch aufgrund aktueller Vorkommnisse – beispielsweise beim Europäischen Patentamt in München, wo es darum geht, dass sich viele Mitarbeiter über die eingeschränkte Möglichkeit Rechtsschutz zu erfahren beschweren –, sollte sich, und hat sich der Europarat im Rechtsausschuss mit der Frage beschäftigt, wie man den Rechtsschutz von Mitarbeitern verbessern kann.

Dieser Bericht sagt ganz klar, dass wir einen verbesserten Zugang zum Recht für die Mitarbeiter wollen, denn der Zugang zum Recht ist auch etwas, was sich in der Menschenrechtscharta verwirklicht.

Wir wollen nicht grundsätzlich die Immunität dieser Organisationen einschränken, sondern wir wollen die Stellung der Mitarbeiter verbessern.

Wir haben uns im Verlauf der Erarbeitung dieses Berichts auch mit dem Sozialausschuss zusammengesetzt und von dort kam die Anregung, nicht nur die Frage des Rechtswegs zu diskutieren, sondern auch grundlegende soziale Rechte mit in den Blick zu nehmen, denn die Frage der Arbeitnehmerrechte gehört auch zu den grundständigen Rechten eines Mitarbeiters in internationalen Organisationen.

Deswegen bin ich dem Herrn Kollegen Schennach sehr dankbar, dass er diese Anregungen mit eingebracht hat. Ich bedanke mich auch bei dem Team und bei der Geschäftsstelle des Rechtsausschusses, die mich sehr stark bei der Vorbereitung dieses Berichts unterstützt haben.

Gleichwohl jetzt der Vorsitzende des Rechtsausschusses noch nicht anwesend ist, bitte ich Sie als einfaches Mitglied um die Annahme dieses Berichts.

Vielen Dank.

Stefan SCHENNACH, Österreich SOC
(Dok. 14487, Berichterstatter zur Stellungnahme)

Sehr geehrte Damen und Herren!

Auch von meiner Seite möchte ich eingangs an eine Institution erinnern, die auch von Herrn Ullrich genannt wurde, nämlich das Europäische Patentamt mit Sitz in München, der auslösender Grund dieses Antrags war.

Im Patentamt kam es aufgrund durchgeführter Umstrukturierungen zu unglaublichen Vorfällen. Menschen wurden frühzeitig in Pension geschickt, gemobbt, willkürlich versetzt und es kam sogar zu Selbstmorden. Hier geht es um soziale Rechte, um Mitarbeiterinnen- und Mitarbeiterrechte. Auch das sind Menschenrechte.

Wie Herr Ullrich richtig ausgeführt hat, haben bei internationalen Organisationen arbeitende Menschen keine Möglichkeit nationale Gerichte anzurufen. Die administrativen Gerichte innerhalb dieser Organisationen sind mitunter nicht transparent, nicht arbeitnehmerinnen- und arbeitnehmerfreundlich und kennen – wie auch hier beim Europarat – nur eine Instanz. Die erste ist gleichzeitig die einzige Instanz. Das muss man sich auf dem Mund zergehen lassen! Ergeht in unseren Rechtssystemen eine Entscheidung kann man an eine nächsthöhere Instanz appellieren. Das kennt der Europarat nicht.

Gleichzeitig haben wird daran erinnert, dass es eine Reihe sehr kleiner internationaler Organisationen gibt. Dies bedeutet aber nicht, dass die dort arbeitenden Menschen im Konfliktfall – hier geht es immer um arbeitsrechtliche Konflikte – rechtlich besser dastehen. Deshalb haben wir in den Äußerungen des Sozialausschusses die Empfehlungen abgegeben, dass kleinere internationale Organisationen sich doch an eine internationale Organisation mit einem bereits eingerichteten administrativen Gericht wenden mögen, um für diese Organisation Untersuchungen durchzuführen und Entscheidungen zu treffen.

Dies ist im Europarat bereits der Fall. Internationale Organisationen wenden sich in Konfliktfällen an das administrative Gericht des Europarats zur Entscheidungsfällung. Aber der Schönheitsfehler im Haus ist, dass es nur eine Instanz gibt.

Gewerkschaften können sich zum Beispiel an dieses Gericht im Europarat wenden. Wir wollen aber, dass sich Betriebsräte und Betriebsrätinnen unabhängig von der Gewerkschaft an diese Gerichte wenden können. Deshalb lag uns der nächste Punkt besonders am Herzen und ich glaube, dass Sie das alle verstehen. Werden die Richter eines solchen administrativen Gerichts nur von einer Seite besetzt, ist das arbeitsrechtlich gesehen, wo es doch um Arbeits- und Sozialfragen geht, schier ein Ding der Unmöglichkeit. Deshalb haben wir gemeint, dass bei der Besetzung dieser Gerichte man achtgeben muss, dass diese von beiden Seiten entsprechend besetzt werden.

Besonders wichtig – dabei möchte ich auch wieder auf das Patentamt verweisen – ist die Weisungsfreiheit der Gerichte. Die Führung einer Organisation darf keine Weisung an das Gericht geben wie es in einem Arbeitskonflikt zu entscheiden hat, denn hier geht es um Menschenrechte. Deshalb haben wir ebenfalls einen Verweis auf die Europäische Sozialcharta eingebracht, damit klar ist, dass auch für mit Immunitäten arbeitenden Menschen in internationalen Organisationen die Menschenrechte gelten.

Ich komme nun zum Schluss. Sowohl im Sozialausschuss als auch im Justizausschuss wurden die von uns vorgelegten sechs Änderungsanträge einstimmig angenommen. Hier liegt daher ein Bericht mit 6 Änderungsanträgen in völliger Übereinstimmung zweier Ausschüsse vor.

Ich darf Sie daher ersuchen dieser Resolution Ihre Zustimmung zu geben.

Vielen Dank.

Volker ULLRICH, Deutschland PPE/CE / EPP/CD
(Dok. 14443, Antwort des Berichterstatters)

Vielen Dank Herr Präsident!

Ich werde diese acht Minuten nicht ausreizen müssen. Ich möchte mich zunächst für die guten Wortbeiträge bedanken, die sich sehr stark mit der Materie beschäftigt haben. Ich will meinem Kollegen VAN DE VEN sagen, dass ich wohl um die juristische aber auch die internationale Bedeutung von Immunität in internationalen Organisationen weiß. Internationale Organisationen können nur funktionieren, wenn sie Immunität haben, weil sie diese vor dem Zugriff von anderen Staaten oder Dritten schützt. Dieses Prinzip stellen wir grundsätzlich auch nicht in Frage, sondern es geht darum, im Rahmen dieser Immunität eine Verbesserung für die ganz konkrete persönliche Situation im Bereich des Arbeits- und Sozialrechts für die Angestellten zu erreichen.

Das heißt, dass aus meiner Sicht, sich Immunität und die Verbesserung der rechtlichen Situation nicht ausschließen sondern sich ergänzen. Nach diesem Bericht und nach einer etwaigen Annahme Ihrerseits müssten weitere Überlegungen – auch durch das Ministerkomitee – angestellt werden, um zu identifizieren, wie man innerhalb der juristischen Immunität eine Art Streitbeilegungsmechanismus etabliert – mit einer Berufungsinstanz –, welcher dem Rechtsschutzniveau des jeweiligen Staats entspricht, oder ob zumindest in Ergänzung der Immunität auch ein Zugang – gerade in manchen Bereichen des Arbeitsrechts – zu einem nationalen Gericht eröffnet werden kann.

Es geht nicht darum die Immunität als solche anzugreifen, sondern unser Ziel ist, die Stellung der Beschäftigten zu verbessern, weil der Zugang zum Recht und die Frage der Klärung grundsätzlicher arbeitsrechtlicher Bedingungen eben doch mit der Sozialcharta und der Gewährung grundlegender Menschenrechte zu tun hat.

Daher bitte ich um Annahme des Berichts.

Danke.

Stefan SCHENNACH, Österreich SOC
(Dok. 14487, Antwort des Berichterstatters zur Stellungnahme)

Ich möchte noch einmal einen Punkt erwähnen, weil das in wenigen Wochen und Monaten auch dieses Haus betreffen wird. Internationale Organisationen kennen arbeitsrechtliche Punkte nicht in der Form, wie dies in einem nationalen Rahmen der Fall ist, beispielsweise bei Kündigungsrechten – das sich von Entlassungen unterscheidet – und die anfechtbar sind. Vielfach ist es bei internationalen Organisationen so, dass diese Sozialrechte – daher auch so wichtig dies im Sozialausschuss anzusprechen – nicht respektiert werden, denn wenn etwas nicht passt, werden Personen einfach entlassen. Hier kommt nicht der Sicherungsmechanismus des Sozialrechts in den nationalen Gesetzgebungen zum Tragen, wie wir ihn auch in allen Konventionen und der Sozialcharta fordern.

Wie gesagt steht uns diese Diskussion auch hier im Haus noch bevor. Daher war es so wichtig, dies zu implementieren und dass der Europarat als Arbeitgeber gegenüber seinen Arbeitnehmerinnen und -nehmern explizit diese sozialen Rechte künftig anwendet und ein Zweiinstanzensystem einführt sowie Betriebsrätinnen und Betriebsräte zulässt.

Danke.

Frank SCHWABE, Deutschland, SOC
(Dok. 14454, in seiner Funktion als Ausschussvorsitzender)

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich möchte Herrn Huseynov und natürlich auch dem Sekretariat für den sehr engagierten Bericht und das hier eingesetzte entsprechende Engagement danken.

Wir können zusammenfassend – auch im Anschluss an diese Debatte – feststellen, dass es große Einigkeit im Kampf gegen die Folter und gegen die Todesstrafe gibt. Das zeichnet diese Organisation aus und ich hoffe auch alle Staaten, die hier mit uns assoziiert sind.

Aufgrund der hohen Übereinstimmung gibt es auch keine Änderungsanträge zu dem Bericht. Es ist wichtig zu verhindern, dass über Umwege aus den Staaten des Europarats Mittel verwendet werden, die woanders für die Todesstrafe oder für die Folter eingesetzt werden.

Wie das in der Praxis ist, weiß ich durchaus, weil ich in Deutschland Fälle erlebt habe, wo viele das nicht wollen und es trotzdem immer wieder vorkommt, dass solche Mittel entsprechend eingesetzt werden.

Umso wichtiger ist die internationale Regulierung und ich glaube, dass dieser Bericht diese internationale Debatte ein Stück weit mit unterstützen und entsprechend die Dinge voranbringen kann.

Es wäre gut, wenn es hier eine große Übereinstimmung gäbe und wir hier heute ein klares Signal setzen können. Deswegen würde ich mich freuen, wenn dieser Bericht große Unterstützung findet.

Danke!

Rustam MAKHMUDYAN, Armenien, EPP/CD / PPE/DC
(Freie Debatte)

Geehrter Herr Vorsitzender!

Geehrte Kollegen!

Während der Herbstsitzung der PACE hatte ich die Ehre, meinen Kollegen den von den terroristischen Kräften 2014 begangenen Völkermord gegen die Jeziden vorzustellen und durch Zahlen und Tatsachen zu unterlegen.

Ziel meines Auftretens war die Frage zu besprechen, ob es ein Völkermord war oder nicht. In dieser Situation ist es höchste Zeit, den Worten Taten folgen zu lassen, weil unschuldige Menschen enthauptet oder bei lebendigem Leib beerdigt werden. Reden halten nützt nichts, wenn man die Verbrecher nicht fasst.

Während der gleichen Sitzung präsentierte der holländische Abgeordnete, unser Kollege Pieter Omtzigt einen Bericht, in dem er vorschlug ein provisorisches Gericht zu gründen, um die Autoren des Islamischen Staates zu bestrafen.

Dies ist zweifelslos auch eine Möglichkeit, um Worten Taten folgen zu lassen und ich rufe daher meine Kollegen hier in der Versammlung auf, die Forderungen dieses Dokuments unbedingt zu unterstützen.

Armenien hat sich der Sache praktisch angenommen und drei Monate nach meinem Beitrag hier, haben alle politischen Kräfte des armenischen Parlaments einstimmig den Völkermord 2014 gegen das jezidische Volk, durch Kräftegruppen auf irakischem Territorium, das unter ihrer Kontrolle ist, verurteilt, bekanntgeben, und anerkannt.

Mit dieser Erklärung wurden nicht nur die erwähnten Handlungen verurteilt, sondern auch dazu aufgerufen, entsprechende institutionelle Gesetzeswege zu schaffen, um die Schuldigen zu bestrafen und sie zur Verantwortung zu ziehen.

Ich glaube, dass die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes und ihr siebzigjähriges Jubiläum auf der Ebene verschiedener Staaten ein Schritt zur Verurteilung des gegen die Jeziden begangenen Völkermords und die Feststellung der Verantwortlichen ist und einen Beitrag dazu leisten kann, die Katastrophen gegen die Menschheit, die vielen Völkern der Welt und insbesondere dem jezidischen Volk drohen, aufzuhalten.

Dankeschön.