AL18CR12

AS (2018) CR 12
Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2018

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(2. Teil)

BERICHT

12. Sitzung

Dienstag, 24. April 2018, 10.00 Uhr

Mustafa YENEROĞLU, Türkei, FDG/GDL
(Dok. 14506)

Sehr geehrter Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich danke dem Berichterstatter, dass er diesen wichtigen Bericht mit Begeisterung und Sensibilität vorbereitet hat.

Die Türkei war und ist immer bereit, mit dem Europarat zusammenzuarbeiten. Wenn wir eng, konstruktiv und mit gegenseitigem Respekt zusammenarbeiten, werden wir erfolgreich sein. Wir möchten, dass unsere Konsultationen in diesem Sinne fortgesetzt werden, indem wir mit der Versammlung debattieren und zusammenarbeiten. In diesem Sinne möchte ich dem Berichterstatter nochmals für seinen konstruktiven Dialog danken.

Die Umstände und Bedrohungen, die zur Verhängung des Ausnahmezustands in der Türkei geführt haben, haben ihre eigene Realität. Als souveräner Staat hat die Türkei das Recht und die Pflicht, den Umfang und die Dauer der Maßnahmen gegen diese Bedrohungen festzulegen. Die Türkei ist auch verpflichtet Maßnahmen zu ergreifen, um nicht nur die Einheit und die Kontinuität des Staates zu schützen, sondern auch die Rechte der Menschen, die unter dem Putschversuch gelitten haben.

Die türkische Regierung ist sich der Tatsache und der Verpflichtung bewusst, dass sie rigoros und präzise mit diesen Umständen und Bedrohungen umgehen muss um Menschenrechtsverletzungen zu vermeiden. Als ehemaliger Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses unseres Parlaments kann ich Ihnen versichern, dass sich die türkische Regierung diesen Grundsätzen verpflichtet fühlt und versucht, im Rahmen der Möglichkeit ihr Bestes zu geben.

Wir versuchen Sie seit Beginn des Ausnahmezustands zu informieren und auf dem Laufenden zu halten. Aber leider bin ich der Meinung, dass die Schwere der terroristischen Bedrohungen, denen die Türkei ausgesetzt ist, von einigen Mitgliedern nicht verstanden oder leider gar ignoriert wird. Eben hat der französische Kollege deutlich gemacht, dass die Beendigung des Ausnahmezustands dann schwierig ist, wenn die terroristische Bedrohung anhält. Was in Frankreich in der Vergangenheit passiert ist, ist in der Türkei nach wie vor tägliche Aktualität.

Deshalb frage ich, wie würden andere Staaten reagieren, wenn Terroranschläge einen permanenten Zustand hätten und wie würden Sie reagieren, wenn Parlamentarier den Terrorismus nicht nur nicht verurteilen, sondern darüber hinaus in einigen Fällen sogar unterstützen würden. Ich verweise Sie auf die Batasuna-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, wo gerade die Distanzierung von Terrorismus und Gewaltanwendung für die demokratische Legitimität einer Partei als Voraussetzung ausgewiesen wird.

Wir haben gestern wieder in einem Side-Event hier unter dem Dach des Hauses erlebt, dass eine Partei einen Führer einer terroristischen Organisation eingeladen und hier eine Veranstaltung durchgeführt hat. Das zeigt uns wieder sehr deutlich, dass wir in aller Deutlichkeit und gemeinsam den Terrorismus ablehnen und alle jene Staaten unterstützen die täglich den terroristischen Bedrohungen ausgesetzt sind.

Ich danke Ihnen.

Andrej HUNKO, Deutschland, UEL/GUE
(Dok. 14506)

Vielen Dank Herr Präsident!

Wir diskutieren hier die drei Fälle der Anwendung des Artikels 15 der Europäischen Menschenrechts-konvention durch die Ukraine, Frankreich und die Türkei.

Ich begrüße es außerordentlich, dass wir das in dem Kontext diskutieren – so unterschiedlich die Gründe in den einzelnen Ländern auch gewesen sein mögen. Ich teile auch die generelle Linie dieses Berichtes und des Berichterstatters.

Zunächst kam es zur Aufhebung des Artikels 15 in der Ukraine im Zuge des Bürgerkriegs im Donbas, dann in Frankreich aufgrund der Terroranschläge in Paris und dann in der Türkei, aufgrund des Putschversuches. Jede Aufhebung – das wird an diesen Beispielen deutlich – führt auch dazu, dass es anderen Staaten leichter fällt, selbst den Artikel 15 in Kraft zu setzen. Gerade in der Türkei war es so, dass der Ausnahmezustand und auch die jeweilige Verlängerung des Ausnahmezustandes mit Verweis auf Frankreich ausgerufen wurden.

Ich will aber auch daran erinnern, dass in anderen Situationen in Europa in den letzten Jahren nicht immer dieser Weg gegangen wurde. Auch in anderen Ländern gab es Terroranschläge. Ich denke insbesondere an den Anschlag in Norwegen im Jahre 2011 durch den Rechtsextremisten Breivik, der 77 Menschen erschossen und bei dem gleichzeitig eine Bombe in Oslo gezündet wurde. Wenn wir damals in Norwegen eine Regierung gehabt hätten, deren Ziel ein autoritärer Umbau Norwegens gewesen wäre, hätte sie ganz anders reagiert. Aber die Reaktion der norwegischen Regierung ging aus den Worten des Ministerpräsidenten hervor, der sagte: „Ihr werdet unsere Demokratie und unser Engagement für eine bessere Welt nicht zerstören. Noch sind wir geschockt, aber wir werden unsere Werte nicht aufgeben.

Unsere Antwort lautet: mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Menschlichkeit.“

Ich will nicht sagen, dass man Artikel 15 nie in Kraft setzen sollte, aber ich will schon darauf hinweisen, dass es nur mit äußerster Zurückhaltung und mit äußerster Vorsicht passieren darf; so wie es im Bericht auch festgehalten wurde.

Die aktuelle Situation in der Türkei ist wie folgt: Vor einem Jahr fand ein Referendum statt, durch das ein neues System eingeführt wird, das unter einem Ausnahmezustand stattfindet.

Am 24. Juni werden in der Türkei die Wahlen stattfinden –  wiederum unter den Bedingungen eines Ausnahmezustandes –, die schicksalhaft für das Land sein können. Ich glaube, dass das einen Missbrauch in der Anwendung des Artikels 15 darstellt.

Vielen Dank.

Martin GRAF, Österreich (NR)
(Dok. 14505, Änderungsantrag 2)

Danke Herr Präsident!
Sehr geehrter Herr Berichterstatter!

Frankreich hat sich nicht bloß gegen terroristische Attacken zur Wehr gesetzt. Das würde zu kurz greifen. Frankreich befand sich im Krieg gegen den IS und Frankreich wurde vom IS der Krieg, ja sogar der „Heilige Krieg“ erklärt. Sohin sollte der präzisere Begriff „Dschihad“ anstelle von terroristischen Attacken im Bericht Niederschlag finden.

Mustafa YENEROĞLU, Türkei, FDG/GDL
(Dok. 14505, gegen Änderungsantrag 2)

Ich möchte dem Antrag widersprechen, denn der Begriff „Dschihad“ wird nicht nur von Terroristen missbraucht, sondern, wie wir immer wieder und auch heute erlebt haben, auch von Rechtspopulisten und Rechtsextremisten. Wir sollten denen nicht in die Hände spielen.

Martin GRAF, Österreich (NR)
(Dok. 14505, Änderungsantrag 3)

Sehr geehrter Herr Vorsitzender!

Ich verweise auf das vorhin Erwähnte aufgrund der kurzen Redezeit.

Mustafa YENEROĞLU, Türkei, FDG/GDL
(Dok. 14505, Änderungsantrag 3)

Ich erkenne hier die Motivation Moscheen zu kriminalisieren. Wir sollten hier deutlich machen, dass der Kampf gegen Terrorismus nicht ein Kampf gegen eine Religion ist, sondern mit den Angehörigen aller Religionsgemeinschaften durchgeführt werden muss.

Mustafa YENEROĞLU, Türkei, FDG/GDL
(Dok. 14505, Änderungsantrag 4)

Beim Änderungsantrag 4 geht es darum, – wie auch aus der offiziellen Mitteilung der Türkei hervorgeht – dass vermerkt werden müsste, dass die von den türkischen Behörden im Rahmen des durch das Übereinkommen anerkannten Rechts und der Möglichkeit zu Ausnahmen von den Verpflichtungen der Türkei aus dem Übereinkommen führen können. Dem ist die Türkei gefolgt.

Mustafa YENEROĞLU, Türkei, FDG/GDL
(Dok. 14505, Änderungsantrag 7)

Es wäre angebracht die Verurteilung der Terroranschläge in der Türkei in den Entschließungsentwurf mit aufzunehmen, da die Terroranschläge in Frankreich im Entschließungsentwurf scharf verurteilt wurden.

Mustafa YENEROĞLU, Türkei, FDG/GDL
(Dok. 14505, mündliches Sub-Amendment)

Ich enthalte mich.

Mustafa YENEROĞLU, Türkei, FDG/GDL
(Dok. 14505, Änderungsantrag 8)

Es wäre zweckmäßig eine Verallgemeinerung zu vermeiden, daher mein Vorschlag.

Mustafa YENEROĞLU, Türkei, FDG/GDL
(Dok. 14505, Änderungsantrag 12)

Wir haben diese Änderung bereits in Punkt 14 aufgenommen. Deshalb wäre die Änderung in diesem Punkt eine Bestätigung eines Faktes, ansonsten würde der Bericht eine falsche Tatsachenbehauptung enthalten.

Mustafa YENEROĞLU, Türkei, FDG/GDL
(Dok. 14505, Änderungsantrag 13)

Alle Änderungen wurden von der großen Nationalversammlung der Türkei verabschiedet und die notwendigen Änderungen vorgenommen. Die Bestimmungen des Gesetzesdekrets haben das normale Gesetzgebungsverfahren damit durchlaufen. Somit würde auch der Weg für die Prüfung des Verfassungsgerichts geebnet, insofern muss hier eine Änderung vorgenommen werden.

Mustafa YENEROĞLU, Türkei, FDG/GDL
(Dok. 14505, Änderungsantrag 14)

Die Erinnerung an die Kernprinzipien wie Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und volle Transparenz würde gerade die Aussage in diesem Paragraphen stärken. Dies wurde auch von Herrn Jagland bei seinem letzten Besuch in der Türkei als Sprache bevorzugt. Diese Begriffe wurden von ihm für die Arbeit der Kommission verwendet, deshalb schlage ich die Änderung vor.

Mustafa YENEROĞLU, Türkei, FDG/GDL
(Dok. 14505, Änderungsantrag 15)

Die erlassenen Dekrete wurden auch in diesem Beispiel von der großen türkischen Nationalversammlung genehmigt. Damit wurden die Bestimmungen der Dekretsgesetze im normalen Gesetzgebungsverfahren verabschiedet. Somit gibt es keine Dekrete mehr, die aufgehoben werden könnten. Deshalb hat ein solcher Anruf nunmehr keinen Sinn.

Mustafa YENEROĞLU, Türkei, FDG/GDL
(Dok. 14505, Änderungsantrag 16)

Hier wäre es angebracht auf den Expertendialog zwischen dem Europarat und der Türkei zu verweisen. Meine Ergänzung würde dies bewirken.

Mustafa YENEROĞLU, Türkei, FDG/GDL
(Dok. 14505, Änderungsantrag 17)

Der Satz deutet auf einen Zeitdruck hin. Die Umstände und Bedrohungen, die zur Verhängung des Ausnahmezustandes geführt haben, haben jedoch ihre eigene Realität und eigene Dynamik. Deshalb muss rigoros und präzise mit diesen Umständen umgegangen werden um Menschenrechtsverletzungen zu vermeiden. Daher sollte von solchen genauen Fristen Abstand genommen werden.

Andrej HUNKO, Deutschland, UEL/GUE
(Frage an Nikola DIMITROV Außenminister der „Ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien“)

Vielen Dank Herr Außenminister!

Wir waren in den letzten Wochen Zeugen dieses furchtbaren Giftanschlags in Salisbury. Die Untersuchungen laufen, Beweise gibt es noch nicht. Dennoch haben viele europäische Länder Diplomaten ausgewiesen, andere haben das nicht gemacht.

Meine Frage: Warum hat Mazedonien sich an dieser Ausweisung von Diplomaten beteiligt? Ich denke, es ist aus rechtsstaatlicher Sicht kein kluges Verfahren, schon während der Untersuchung Urteile zu fällen.

Vielen Dank.