AL18CR17

AS (2018) CR 17
Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2018

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(2. Teil)

BERICHT

17. Sitzung

Donnerstag, 26. April 2018, 15.30 Uhr

Andrej HUNKO, Deutschland, UEL / GUE
(Debatte zum Zeitgeschehen)

Vielen Dank Herr Präsident!

Wir haben gestern Abend hier über die Situation in Libyen gesprochen und viele Redner haben festgestellt, dass Libyen nicht das ist, was wir uns vom „Arabischen Frühling“ gewünscht haben und auch, dass die Interventionen des Westens, auch der NATO nicht zielführend waren.

Nun sprechen wir über Syrien. Das ist ein zweites Beispiel, wie der „Arabische Frühling“ nicht hätte enden sollen. Was ist passiert: Zuerst gab es in Syrien Demonstrationen, die vom diktatorischen Regime unter Baschar al-Assad unterdrückt worden sind. Dann aber wurden sehr schnell die zivilgesellschaftlichen Proteste auch von außen militarisiert, durch Waffenlieferungen und durch Einsickern von terroristischen und dschihadistischen Gruppen, Herr Kürkçü hat eben darauf hingewiesen. Politisch wurden diese von großen Teilen der internationalen Gemeinschaft unterstützt. Es gab Waffenlieferungen aus der Türkei, aus den Golfmonarchien – Katar, Saudi-Arabien – aus den USA und politisch Deckung von den europäischen Ländern.

Auch Europa war nicht untätig, seit 2012 gab es seitens der EU ein Totalembargo gegen Syrien. Es wurde zwar nicht weggeschaut, aber dahinter lag die Vorstellung eines militarisierten Regimewechsels in Syrien mit anschließend besserer Situation. Aber das Beispiel Syrien hat gezeigt, dass dies so nicht funktioniert.

Es muss sehr deutlich werden, dass die Vorstellung Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit militärisch herbeiführen zu können, gescheitert ist. Die auch oft kritisierte Intervention Russlands in Syrien kam erst dann, als bereits eine sechsstellige Zahl an Menschen ums Leben gekommen war.

Was können wir also heute tun? Es muss Abstand genommen werden, auch von solchen Strafaktionen wie der Bombardierung von drei Zielen in Syrien durch die USA, Großbritannien und Frankreich. So etwas ist  eindeutig völkerrechtswidrig, unterminiert internationale Regeln und schwächt die Glaubwürdigkeit in anderen Fragen.

Der Krieg in Syrien muss nun gestoppt werden, von allen Seiten. Ein politischer Prozess muss beginnen, der insbesondere den Menschen in Syrien das Selbstbestimmungsrecht gibt, damit die Menschen dort und nicht Länder von außen über ihre Zukunft entscheiden können.

Vielen Dank.

Ulrich OEHME, Deutschland, NR / NI
(Debatte zum Zeitgeschehen)

Sehr geehrter Herr Präsident!
Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen!

Ich freue mich, dass wir heute hier im Europarat über die Rolle Europas im Friedensplan Syriens sprechen. Gestatten Sie mir geschichtlich etwas auszuholen.

Im März 2003 begann der Krieg gegen Saddam Hussein mit der Suche nach nicht vorhandenen Chemiewaffenlaboren. Nun beginnen wir in Syrien auch wieder Bomben zu werfen. Als Grund nennen wir einen Giftgasangriff Assads, bei dem bisher weder der Verursacher noch der Angriff zweifelsfrei festgestellt wurden.

Um mir eine von Propaganda unabhängige Meinung bilden zu können, bin ich im März dieses Jahres in die Ninive-Ebene gereist. Ich wollte mir ein Bild über die Lage in den Flüchtlingslagern und über die Lage der verfolgten Minderheitenchristen der Yesiden machen.

Allein die Zahl der Christen hat sich im Irakkrieg von ca. 2 Millionen unter Saddam auf nunmehr 400.000 verringert. Ähnlich ist die Lage in Syrien. Meine Gesprächspartner waren die religiösen Führer der Minderheiten. Auf meine Frage, was sie von Assad halten, bekam ich eine bemerkenswerte Antwort: „Ja, Assad ist ein Diktator, unter dem sich die Wirtschaft entwickelt hat und die meisten Menschen zufrieden leben. Er gestattet uns eine ungehinderte Ausübung der Religion, wie das auch unter Saddam Hussein der Fall war.“

Das haben mir betroffene Christen, die Yesiden, gesagt.

In unserem Bestreben, unsere Vorstellung von Demokratie in diese Länder einzuführen sind wir, meines Erachtens, grandios gescheitert. Geht es denn wirklich um Demokratie, oder eher um Geopolitik und Macht?

Was haben wir denn bisher in solchen Ländern wie Afghanistan, Irak, Libyen und Syrien erreicht?
Entweder keine messbaren Fortschritte oder Chaos. Auf meine Frage, wie das Problem im Orient gelöst werden könnte, sagte mir ein katholischer Bischof: „Hört endlich auf, den Milizen euer Geld zu geben!“

Was wünschen sich die Menschen im Orient? Sie wünschen sich eigentlich nichts sehnlicher als in ihre Heimat zurückzukehren und in Frieden zu leben. Dazu ist es als erstes notwendig, dass die Kriegsgebiete von Minen und Sprengfallen geräumt werden. Hier sind wir gefragt.

Außerdem ist es dringend notwendig, internationale Suchdienste für die von ISIS versklavten Frauen und Kinder aufzubauen.

Lassen Sie uns doch bitte mit und nicht über das syrische Volk sprechen. Wir als Versammlung sind gefordert als Vermittler in einem Konflikt aufzutreten.

Vielen Dank.

Frank SCHWABE, Deutschland, SOC
(Dok. 14539, Stellungnahme in seiner Funktion als Ausschussvorsitzender)

Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich will noch einmal das von der Berichterstatterin Gesagte unterstützen. Es geht um internationales Recht, das ist doch der Sinn internationalen Rechts. Daher kann man nicht, selbst wenn man einen auch noch so ärgerlichen nationalen Fall hat und dies für die Bevölkerung nicht verständlich ist, ihn am Ende daran messen.

Es geht um das internationale Recht auf das man sich verbindlich verständigt hat, dass am Ende in so einer Situation gelten muss.

In jedem Land lässt sich ein Fall kreieren, der schwierig ist in der Öffentlichkeit zu vermitteln. Wie schwierig das in Dänemark war, weiß ich. Ich habe mich mit dem Botschafter Dänemarks in Deutschland darüber unterhalten.

Wenn unsere Organisation, bei dem Vielen, das wir tun einen Sinn haben soll, dann ist es doch der Schutz der Konvention und des Europäischen Gerichtshofes als letzte Institution für viele Millionen Menschen innerhalb des Europarates.

Der Rechts- und Menschenrechtsausschuss hat sich frühzeitig mit dieser Angelegenheit beschäftigt und bereits im März ein deutliches Statement zum damals ersten Entwurf der dänischen Präsidentschaft abgegeben. Am nächsten Tag hat sich diesen der ständige Ausschuss zu Eigen gemacht und nun stellen wir fest – durchaus befriedigt –, dass wir uns angesichts des Ergebnisses durchaus in die richtige Richtung bewegt haben.

Die Geister aber, die weiterhin hinter dem ersten Entwurf dieser Erklärung stecken, sind weiterhin lebendig. Deshalb ist die heutige Debatte so wichtig und auch gut, denn manche in den Mitgliedstaaten denken weiter darüber nach, den Gerichtshof zu schwächen, in zum Dialog mit Rechtsvertretern aufzufordern und am Ende die Zuständigkeit einzuschränken. Dabei wird mit einem – wie ich finde – falschen Gedanken der Subsidiarität argumentiert.

Deshalb war es gut sich mit diesem Thema zu beschäftigen und dass Frau Sunna ÆVARSDÓTTIR zur Berichterstatterin ernannt wurde. Sie hat die volle Unterstützung des Ausschusses. Daran, dass es keine Änderungsanträge gibt kann man sehen, wie groß die Übereinstimmung in der Versammlung ist.

Nochmals vielen Dank an die Berichterstatterin.

Andrej HUNKO, Deutschland, UEL / GUE
(Dok. 14523)

Vielen Dank Herr Präsident!

Es ist eine sehr aktuelle und wichtige Debatte. Das Konzept des hybriden Krieges, zumindest Teile davon, ist nicht neu. Ich erinnere an den Spruch von Lord Arthur Ponsonby zum Ersten Weltkrieg, dass im Krieg das erste Opfer die Wahrheit ist. Das vielleicht berühmteste Beispiel des 21. Jahrhunderts einer solchen Kriegslüge war der Eintritt in den Irakkrieg. Wir alle erinnern uns an den Auftritt von Colin Powell im UN-Sicherheitsrat.

Militärische Aktionen verbunden mit „Fake News“ und Propaganda sind nichts Neues. Neu sind die durch das Internet gebotenen Möglichkeiten. Seit den US-Präsidentschaftswahlen gibt es diese Debatte zu Cyberangriffen. Betrachtet man die Medienberichterstattung hierzu, sieht man, dass völlig unterschiedliche Kategorien zusammengeworfen und dann meist mit Russland in Zusammenhang gebracht werden.

Was sind Cyberangriffe: schwere terroristische Anschläge auf Infrastrukturen eines Landes, wie ein Kraftwerk, ein Krankenhaus, ein Flughafen oder grundlegende Staatsgebäude. Diese als Cyberangriffe bewerteten Attacken müssen entsprechend geahndet werden.

Etwas anderes aber sind veröffentlichte Informationen, wie das bei den US-Wahlen mit der Wikileaks-Affäre der Fall war, über undemokratische Vorgänge in der Demokratischen Partei, die vielleicht die Präsidentschaftswahlen beeinflusst haben.

Dabei handelt es sich aber nicht um einen Cyberangriff, dies fällt in eine andere Kategorie. Etwas völlig anderes sind dann „Fake News“ und Propaganda. Man darf nicht alles in einen Topf werfen und dann meist Russland zuordnen.

Das ist schon seit fast zwei Jahren so. In Deutschland fand ein Jahr vor der Bundestagswahl (diese fand letztes Jahr statt) eine vom Geheimdienst initiierte Kampagne statt, in der von drohenden Cyberangriffen auf die Kampagne aus Russland die Rede war.

Ich habe immer wieder bei der Bundesregierung nachgefragt und die Antwort war immer die gleiche, nämlich dass es keine Indizien dafür gebe. Bei einer neuerlichen Nachfrage meinerseits war die Antwort wieder die gleiche.

Diese Entwicklung ist meiner Ansicht nach gefährlich.

Zum Bericht:
In Punkt 9 wird als Beispiel die Bezugnahme auf die NATO genannt. Ich glaube, dass dies für eine neutrale Organisation nicht richtig ist, in Europa haben wir viele neutrale Staaten, daher heiße ich diesen Bezug nicht gut. Die NATO hat erklärt, dass sie einen Cyberangriff als Bündnisfall werten würde. Das ist sehr gefährlich und daher sollten wir damit sehr vorsichtig umgehen und vor allem auf internationale Kooperation in dieser Sache setzen.

Vielen Dank.

Frank SCHWABE, Deutschland, SOC
(Dok. 14523, Stellungnahme in seiner Funktion als Ausschussvorsitzender)

Dear Mr President!

Wie bereits in der Debatte deutlich geworden und im Bericht, ist es in der Tat so, dass verschiedene Methoden in der hybriden Kriegsführung schon seit geraumer Zeit die Öffentlichkeit beunruhigen: Soldaten ohne Erkennungszeichen, die die Macht übernehmen, wie zum Beispiel auf der Krim; vor der Annektierung massenhafte Verbreitung von „Fake News“; eine ganze Troll-Armee in den Medien, Hackerangriffe auf Parteizentralen, auf Parlamente – wie auch in Deutschland – und auf lebenswichtige Infrastrukturen.

Oft hat man eine Ahnung davon, wer es war, das ist auch manchmal gewollt. Denn es geht um Beeinflussung und Einschüchterung. Der volle Beweis ist aber in einer solchen Situation sehr schwer zu führen und das wirft grundsätzliche, neue Fragen auf.

Es ist nicht zu spät hier einzusteigen, wir sind noch nicht am Ende dieser Debatte angelangt. Diese wird noch viel Zeit in Anspruch nehmen. Aber dies ist schon mal ein Einstieg, wie wir mit solch schwierigen Rechtsfragen umzugehen haben. Den Einstieg hat Boris Cileviçs in seiner gewohnten Art, sehr souverän, geliefert. Wir hatten eine entsprechende Debatte im Ausschuss, über mehrere Monate, während der Bericht ausgearbeitet wurde.

Deswegen will ich hier noch einmal betonen, dass Herr Cileviçs die volle Unterstützung vom Ausschuss hat, was sich auch in den Änderungsanträgen und der großen Übereinstimmung gleich zeigen wird.

Insofern wünsche ich mir, so wie der Berichterstatter auch, dass eine große und breite Mehrheit für den Bericht stimmt.

Danke.

Frank SCHWABE, Deutschland, SOC
(Dok. 14516, Stellungnahme in seiner Funktion als Ausschussvorsitzender)

Thank you very much, Mr President.

Verehrter Präsident!
Verehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Diese Debatte ist eine zentrale Frage dafür, dass Staaten funktionieren können. Ich bin relativ häufig in Lateinamerika in Staaten, von denen man sagen muss, dass sie kaum noch funktionsfähig sind. Es handelt sich dabei eher um private und kriminelle Autoritäten, die das Handeln haben. Wenn ich auf europäische Hauptstädte schaue – da gehört auch Berlin dazu – und dort den Bauboom sehe, dann ist völlig klar, dass dort viel illegales Geld fließt. Zwar kann nicht genau abgeschätzt werden wie viel, aber die Summe der Weltbank zeigt uns durch ihre enorme Dimension worüber wir eigentlich sprechen und wie groß die Tragweite ist.

Daher ist es gerechtfertigt auch erstmals radikal wirkende Vorschläge in Augenschein zu nehmen, wie von Herrn van de Ven im Bericht und damit auch vom Rechtsausschuss gemacht. Wir wollen, dass die Staaten die Beweislast umkehren: Wer nicht beweisen kann, dass er sein Vermögen ehrlich erworben hat, dem wird es weggenommen.

Wie eben beschrieben, gibt es Staaten wie Irland, Italien und andere, die langsam diesen Weg einschlagen und gute Erfolge erzielen.

Daher empfehlen wir auch den anderen europäischen Staaten diesen Weg zu gehen. Trifft man die richtigen Vorsichtsmaßnahmen, verstößt dies auch keineswegs gegen die Menschenrechte. Ganz im Gegenteil. Der Staat wird so in die Lage versetzt Menschenrechte durchsetzen zu können.

Herr van de Ven hat zusammen mit dem Büro diesen Bericht fachlich sehr gut mit seiner fachlichen Expertise vorbereitet.

Ich würde mich freuen, wenn dieser Bericht mit einer großen Mehrheit verabschiedet werden könnte.

Danke.