AL18CR23

AS (2018) CR 23
Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2018

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(3. Teil)

BERICHT

23. Sitzung

Mittwoch, 27. Juni 2018, 10.00 Uhr

Andreas NICK, Deutschland, EPP/CD / PPE/DC
(Dok. 14570)

Frau Präsidentin,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

Der Begriff der NGOs ist erst in den letzten Jahren in unseren allgemeinen Sprachgebrauch eingezogen.

Jeder verbindet möglicherweise damit unterschiedliche Vorstellungen und ich glaube, es ist wichtig, zwei Dinge festzuhalten: NGOs sind keine Organisationen, die über dem Gesetz stehen oder sich nicht an die gesetzlichen Regeln ihrer Länder halten müssen. Sie sind auch nicht von Kritik ausgenommen und es gibt auch nicht gute und schlechte Lobbyisten.

Auf der anderen Seite sind Nichtregierungsorganisationen auch entscheidender Bestandteil einer funktionierenden Zivilgesellschaft und einer sauberen demokratischen Debatte.

Wir haben als Europarat ja auch in der Menschenrechtskonvention eine ganze Reihe von Regelungen, die Maßstab dafür sein müssen, was in einer Zivilgesellschaft zulässig ist und was nicht, und was zulässig sein muss.

Wir haben mit der Venedig-Kommission ein exzellentes Instrument – hoch angesehenen weltweit –, das auch den Staaten bei der Abwägung schwieriger Entscheidungsprozesse in der Gesetzgebung mit Rat und Tat zur Verfügung steht.

Ich will deshalb einen Punkt kritisch ansprechen, der ja auch in diesem Bericht sich reflektiert: Der Kollege Nemeth, als Leiter der ungarischen Delegation, hat am Montag in seinem Redebeitrag der Venedig-Kommission ausdrücklich für ihre Mitwirkung gedankt. Leider ist diese ehrenwerte Aussage nicht repräsentativ für den Umgang der Regierung und des Parlamentes seines Landes mit der Venedig-Kommission in den letzten Wochen; das muss man hier auch in aller Deutlichkeit ansprechen.

Ich glaube, die Venedig-Kommission hat zu der aktuellen kritisch diskutierten Gesetzgebung in Ungarn eine sehr ausgewogene, sehr balancierte, sehr sachlich nüchterne Expertise vorgelegt. Ungarn hat trotz eindringlicher Bitten vieler Freunde und Partner dieses Gesetz verabschiedet, ohne die Stellungnahme der Venedig-Kommission abzuwarten oder zu berücksichtigen.

Ich will auch ausdrücklich die Art und Weise kritisieren, wie von Vertretern der ungarischen Regierung, insbesondere vom Außenminister, die Venedig-Kommission öffentlich kritisiert und angegriffen worden ist.

Ich glaube, dass wir als Parlamentarische Versammlung des Europarats gut daran tun, uns sehr eindeutig hinter die Venedig-Kommission und ihre Arbeit zu stellen, in einer differenzierten, sachlich-fachlichen Orientierung, wie man mit bestimmten schwierigen Abwägungen auch mit diesen Verfahren umgehen kann.

Ich bedauere, festzustellen, dass das jedenfalls in der aktuellen Situation bei unseren ungarischen Partnern nicht der Fall war und darf herzlich daran appellieren, dieses Vorgehen auch in Ungarn noch einmal gründlich zu überdenken.

Wir bieten hier im Europarat, in der Europäischen Union ein Instrumentarium, das sicherstellen soll, dass wir uns alle an die grundlegenden Werte unserer Organisation halten und das muss auch für alle Mitgliedsstaaten gelten.

Ich danke Ihnen.

Gabriela HEINRICH, Deutschland, SOC
(Dok. 14570)

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

Vielen Dank, Yves Cruchten, für diesen Bericht, der genau beschreibt, wie die Freiheitsrechte seit den letzten Jahren systematisch weiter beschnitten werden – leider eben auch in einigen Mitgliedsländern dieser Versammlung. Das geschieht m.E. auch mit dem Gesetz, das gerade in Ungarn beschlossen wurde.

Ich unterstütze grundsätzlich alle Forderungen und Empfehlungen, die in diesem Bericht aufgeführt werden.

Gesellschaften werden gebildet von einzelnen Individuen. Es gibt unterschiedliche Lebenssituationen, Interessen, Erfahrungen und Meinungen zu jeglichen Themen des Zusammenlebens. Die Zivilgesellschaft soll und muss genau diese Diversität wiederspiegeln. Kritiker sind keine Feinde. Kritik zu äußern ist kein Verbrechen, im Gegenteil: Kritik ist eine Hilfestellung für Regierungen, auch um ihr Handeln zu reflektieren und das höchste Ziel zu erfüllen, das sie eigentlich haben sollten, nämlich Regierung zu sein für alle Bewohnerinnen und Bewohner ihres Landes, nicht nur für den Teil der Gesellschaft, den man als angenehm empfindet.

Die Gesellschaften unserer Länder sind vielfältig, das lässt sich auch durch restriktive Gesetze nicht ändern. Es kann doch nicht darum gehen, diejenigen, die als Sprachrohr die Interessen einiger vertreten, einfach mundtot zu machen. Es werden die verschiedensten, abwegigsten Gründe genannt, um die Meinungsfreiheit durch restriktive Gesetze zu beschneiden: In der Türkei ist es der Ausnahmezustand, in Ungarn die Verteufelung eines Milliardärs, der sich für Menschenrechte einsetzt. Alle, die nicht diese offizielle Linie mittragen, werden pauschal als Terroristen bezeichnet – an Phantasie scheint es hier nicht zu fehlen.

Und damit wird ganz eindeutig gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen, zu der sich die im Bericht genannten Staaten bekannt haben. Empfehlungen der Venedig-Kommission werden ignoriert, Menschenrechtsbildung und Flüchtlingshilfe werden als Bedrohung wahrgenommen.

Unsere Vorgängerinnen und Vorgänger haben sich nach jahrelangen Kriegen und Auseinandersetzungen zusammengerauft und sich die Köpfe darüber zerbrochen, wie ein Miteinander europaweit möglich ist. Sie haben sich auf einen gemeinsamen Nenner geeinigt: die Menschenrechte, die für alle gleichermaßen gelten.

Davon können und dürfen wir uns nicht verabschieden. Ich wünsche mir für uns alle – auch für diejenigen, die die Meinungsfreiheit in ihren Ländern einschränken wollen -, dass die Empfehlungen dieses Berichts umgesetzt werden.

Vielen Dank.

Franz Leonhard EßL, Österreich, PPE/DC / EPP/CD
(Dok. 14570)

Frau Vorsitzende,

meine geschätzten Damen und Herren!

Wenn ich den Titel lese, gehe ich davon aus, dass wir hier nicht nur von Menschenrechtsorganisationen reden, sondern von allen Organisationen, die sich Nichtregierungsorganisationen nennen. Darum stehe ich dem Bericht etwas zwiespältig gegenüber.

Einige Diskussionsteilnehmer haben ja schon davon gesprochen, dass es Attacken auf die Demokratie gibt. Auf der anderen Seite könnten wir aus dem Bericht aber auch herauslesen, dass wir einen gesetzesfreien Raum für die sogenannten NGOs schaffen wollen, und da bin ich natürlich nicht einverstanden.

Vorerst möchte ich aber klarstellen, dass ich mit Vielem von dem, was in diesem Bericht steht, einverstanden bin. Selbstverständlich haben die NGOs eine Bedeutung, und wenn wir alle NGOs würdigen, deren Arbeit die Stärkung von Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedsstaaten des Europarates zum Ziel haben, dann ist das gut.

Selbstverständlich ist es wichtig und gut, wenn wir darauf hinweisen, dass die Wahrung der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sehr wichtig ist. Selbstverständlich ist es richtig, wenn wir die Mitgliedsstaaten ständig darauf aufmerksam machen, dass die freie Meinungsäußerung zu gewährleisten ist.

Aus meiner Sicht ist es jedoch überschießend, wenn wir in Punkt 10.2 die Mitgliedsstaaten auffordern, Gesetze aufzuheben, die die freie und unabhängige Arbeit von NGOs behindern. Was ist damit gemeint? Auch NGOs brauchen Regeln für ihr Tun. Ich kenne NGOs, die sich am liebsten überhaupt nicht um die Einhaltung von Gesetzen kümmern würden.

Ich kenne eine NGO, namentlich der VGD, der beinahe regelmäßig in fremde Rechte eingreift und auch in fremde Gebäude eindringt. Diese NGO ist auch in das Büro eines Abgeordneten eingedrungen, hat Akten durchwühlt und Informationen weitergegeben.

Wollen wir wirklich, dass sich solche Organisationen plötzlich im gesetzesfreien Raum bewegen? Ich will das nicht.

Wir haben hier im Europarat die Grundrechte der Bürger zu verteidigen und das tun wir als gewählte Vertreter auch mit Überzeugung. Aber wir brauchen Regeln, die für alle gleichermaßen gelten. Wenn man die Fakten in diesem Bericht offensichtlich – wie ich aus der Diskussion herausgehört habe – auf gewisse Länder in Europa bzw. auf gewisse Mitgliedsstaaten lenken will, dann sollte man auch ganz konkret sagen, dass dieser Bericht für diese Länder gemeint ist, und nicht für alle.

Ulrich OEHME, Deutschland, NR / NI
(Dok. 14570)

Sehr geehrte Präsidentin,

sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!

Mit dem heutigen Bericht zu den Einschränkungen von NGO-Aktivitäten eröffnen wir eine Grundsatzdiskussion in diesem Hause.

In der bisherigen Debatte ging es darum, wie weit sich NGOs auf Menschenrechtskonventionen berufen können, wie weit NGOs in ihren Forderungen nach Rechtsstaatlichkeit und Demokratie gehen können und welches Recht ein Staat hat, diese einzuschränken.

Es geht um nichts Anderes als die Möglichkeit eines Staates, im Interesse des inneren Friedens solche Aktivitäten zu beschränken. Es werden in diesem Bericht Aserbaidschan, Ungarn, Rumänien, Russland und die Türkei aufgeführt, jedoch könnte man diese Liste noch wesentlich verlängern. Viele dieser Aufzählungen sind vollkommen gerechtfertigt und trotzdem betrachten wir die Arbeit bestimmter NGOs mit großer Sorge.

Wir unterscheiden die NGOs, die wirklich humanitäre Ziele haben von denjenigen, die unter dem Deckmantel der Humanität und Demokratie eine politische Agenda verfolgen, die den Interessen des jeweiligen Staates entgegensteht.

Betrachten wir nur einmal das Wirken der NGOs beim sogenannten Arabischen Frühling. Es wurde alles getan, um Regimewechsel herbeizuführen. Anstatt diesen Ländern Demokratie zu bringen, war das Ergebnis ungeheures Chaos mit vielen Toten, unbeschreiblichem Elend, Krieg, Flucht und Vertreibung von Millionen von Menschen aus ihrer Heimat.

Wir werden heute Nachmittag über den Schutz des Lebens auf See debattieren. Auch hier ist die Rolle der NGOs zweifelhaft. Inzwischen kann man getrost sagen, dass unter dem Deckmantel der Seenotrettung Schlepperaufgaben von NGOs übernommen werden. Die verbrecherischen Schlepper, die mit seeuntauglichen Booten Migranten nach Europa bringen, können sich sicher sein, dass nach wenigen Kilometern Schiffe der NGOs warten.

Von denen wird aber nicht der nächstgelegene Hafen angelaufen, wie es Recht und Gesetz entsprechen würde, sondern europäische Häfen. Diesen NGOs, die sich auch auf Menschenrechte berufen, muss das Handwerk gelegt werden.

In diesem Bericht wird den NGOs ein Freibrief in allen Richtungen gegeben. Jede Belästigung und sogar negative öffentliche Debatten sollen zukünftig unterbleiben. Dies widerspricht demokratischen Grundsätzen und auch den Grundsätzen dieses Hauses.

Deshalb kann ich diesem Bericht in keiner Weise zustimmen.

Amendments zu Dok. 14570:
Mustafa YENEROĞLU, Türkei, FDG / GDL
(Dok. 14570, Amendment 1)

Ich schlage vor, Absatz 8 zu streichen, denn dieser fordert die Türkei auf, den Ausnahmezustand so bald wie möglich aufzuheben und suggeriert, dass es gegen die Schließung von Nichtregierungsorganisationen keinen wirksamen Rechtsbehelf geben würde.

Das Gegenteil ist der Fall. Es ist so, dass der Staat selbst nach anerkannten Bedingungen über den Ausnahmezustand entscheiden kann. Darüber hinaus bietet die Untersuchungskommission einen wirksamen innerstaatlichen Rechtsbehelf.

Yves CRUCHTEN, Luxemburg, SOC
(Dok. 14570, Amendment 1)

Vielen Dank. Ich muss mich leider dem widersetzen, was der Kollege gerade gesagt hat. Diesen Absatz aus der Resolution herauszunehmen, bedeutet, dass der Kern der Aussage über die Türkei herausgenommen würde. Dem kann ich absolut nicht zustimmen.

Mustafa YENEROĞLU, Türkei, FDG / GDL
(Dok. 14570, Amendment 2)

Hier schlagen wir vor, einen neuen Absatz 8 einzufügen, um das komplette Bild zu reflektieren. Denn es muss zur Kenntnis genommen werden, dass die Einsetzung der Untersuchungskommission für Sofortmaßnahmen doch gewürdigt wird und die Wiedereröffnung von Nichtregierungsorganisationen dann auch unterstrichen wird, denn das ist der Fall.

Andrej HUNKO, Deutschland, UEL/GUE
(Frage an Peter PELLEGRINI, Ministerpräsident der Slowakischen Republik)

Vielen Dank, Herr Premierminister!

Meine Frage bezieht sich auf die Russlandsanktionen, die ja jetzt beim EU-Rat diese Woche sehr wahrscheinlich wieder verlängert werden.

Das muss einstimmig geschehen, aber ich kann Ihnen sagen, dass in meinem Land, in Deutschland, die Stimmen immer lauter werden, diese Sanktionen aufzuheben oder zumindest da auszusteigen.

Wie ist Ihre Position und welche Diskussion wird dazu in der Slowakischen Republik geführt?

Vielen Dank.