AL18CR30

AS (2018) CR 30
Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2018

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(4. Teil)

BERICHT

30. Sitzung

Dienstag, 9. Oktober 2018, 10.00 Uhr

Frank SCHWABE, Deutschland, SOC
(Doc. 14621)

Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir haben in der Tat ernsthafte Probleme im Europarat und das nicht aufgrund unserer Probleme – Stichwort Korruption –, die später diese Woche Gegenstand der Debatte über die Zukunft des Europarats sein werden und für die wir ein Verfahren gefunden haben, wie wir damit umgehen. Wir haben deshalb Probleme, weil Mitgliedsstaaten sich nicht an die Regeln halten und uns damit in eine schwierige Situation bringen.

Ich möchte mich bei allen bedanken, die mit dieser Situation verantwortungsvoll umgehen. Wir hatten heftige und intensive, aber auch sehr transparente Diskussionen, insbesondere in meiner Fraktion, und wir sind sehr verantwortungsvoll mit dieser Situation umgegangen, auch im Hinblick auf den Respekt der unterschiedlichen Meinungen, die ist bei uns in der Fraktion gibt.

Natürlich reden wir über Russland. Russland war der Anlass der Debatte. Ein Land, in dem es riesige Probleme gibt, in dem Regeln massiv missachtet, Grenzen nicht respektiert werden und ein Land, das sich aggressiv in andere Ländern einmischt. Heute diskutieren wir über Russland, aber wir diskutieren nicht über Russland allein.

Wir diskutieren am Beispiel Russland, ob wir mit unseren Regeln auf der Höhe der Zeit sind oder ob sie entsprechend verändert werden können. Ich möchte es noch einmal klar in Richtung Russland betonen: Ich bin dankbar darüber, dass gestern mit der Vergabe des Václav-Havel-Menschenrechtspreises ein klares Signal gesetzt wurde.

Diese Debatte ist, ungeachtet dessen, was heute Nachmittag diskutiert wird, nicht dafür da, irgendwelche Kompromisse in Fragen der Menschenrechte oder in Fragen der Werte zu machen. Im Gegenteil, diese Organisation muss klar Stellung beziehen und deshalb freue ich mich, dass Oyub Titiev gestern den Václav-Havel-Menschenrechtspreis bekommen hat.

Es gibt diese massiven Probleme in Russland. Aber weil es diese Probleme gibt und weil es einen Anlass zur Debatte gibt, ist es doch am Ende nicht sinnvoll, Vorschläge abzulehnen, die eigentlich in der Sache entsprechend logisch und verantwortungsvoll sind.

Wenn ein Vorschlag in der Sache Sinn macht – und ich möchte mich an dieser Stelle bei Petra de Sutter für ihre hervorragende Arbeit bedanken –, dann macht es doch auch Sinn, am Ende diesen Vorschlag so verabschieden und die Regeln so anzupassen, dass wir am Ende auch in der Zukunft für solche Herausforderung gewappnet sind.

Noch einmal zur Frage dieses legal advice. Es ist das Recht jeder Institution, jedes Organs, des Europarates, eine solche Sache abzufragen. Ich möchte aber dringend auffordern, in Zukunft zu überlegen, wie die Institutionen gemeinsam ein Verfahren finden, um solche rechtlichen Fragen entsprechend miteinander zu klären.

Zur Frage des Berichts hatten wir vorhin noch einmal das rules committee. Alle Vorschläge, die aus dem Bereich der ukrainischen, britischen, georgischen Delegation gekommen sind, sind angenommen worden.

Deswegen meine herzliche Bitte an Sie: Lassen Sie uns einen breiten Konsens finden, ein klares Signal nach draußen und auch ein Signal der Geschlossenheit an die Staaten senden, die sich nicht den Regeln entsprechend benehmen. Das darf nicht falsch gelesen werden. Wir machen keine Kompromisse in Fragen der Menschenrechte, aber wir passen unsere Regeln so an, dass sie auch für die Zukunft anwendbar sind.

Vielen Dank.

Andreas NICK Deutschland, EPP/CD
(Doc. 14621)

Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Es ist sicherlich eine wichtige Entscheidung, die wir heute hier zu treffen haben und eine wichtige Beratung, aber es nicht die Schicksalsfrage über die Zukunft der Parlamentarischen Versammlung oder über die Zukunft oder die Werte des Europarates.

Ich möchte Frau de Sutter und dem Geschäftsordnungsausschuss ausdrücklich für die sachbezogene und konzentrierte Vorbereitung dieser Entscheidung danken. Ich will aber auch kritisch anmerken, dass das, was ich und viele Kollegen im Vorfeld dieser Debatte an aggressivem Lobbying, an persönlichen Herabsetzungen und Beleidigungen bis hin zu andauernden Cyberattacken auf persönliche Accounts erlebt haben, als unerträglich empfinde. Es ist ja auch zu spüren, aus welchem Mitgliedsland diese Attacken kommen.

Es ist eine Entscheidung über die künftige Geschäftsordnung, über unsere Regeln. Es ist keine Entscheidung über unsere Beurteilung der Situation in Russland oder einigen Nachbarländern, denn unsere sachliche Beurteilung, was die Annexion der Krim, den Konflikt in der Ostukraine aber auch die Menschenrechtslage in der Russischen Föderation angeht, ist unverändert.

Ich habe deshalb auch mehrfach angeregt, diese Themen sauber zu trennen und vielleicht auch in einer separaten Resolution diese Position noch einmal zu bekräftigen.

Zum Thema Beitragszahlung möchte ich sagen: Wir sind als Europarat und als parlamentarische Versammlung nicht erpressbar! Und ich erwarte auch von jedem Mitglied der Versammlung, dass es diesem Eindruck ganz klar entgegentritt.

Es gibt aber auch das berechtigte und von einigen angesprochene Anliegen, den Europarat und diese Versammlung als Forum des Austausches und des Dialoges auch mit kritischen Mitgliedsstaaten aufrechtzuerhalten.

Ich möchte darauf hinweisen, dass es nicht zuletzt Menschenrechtsorganisationen wie Memorial und andere in Russland aktive Organisationen sind, die uns ernsthaft und dringlich bitten, den Zugang zum Menschenrechtsgerichtshof auch für die Bürgerinnen und Bürger Russlands aufrechtzuerhalten.

Die Frage der Mitgliedschaft eines Landes im Europarat bzw. ihrer möglichen Beendigung ist eine ernste Frage. Es ist letztlich auch eine Frage, die wir als parlamentarische Versammlung in einem Staatenbund nicht allein zu entscheiden haben.

Es gibt zurecht viele kritische Anmerkungen über den Zeitpunkt der Veröffentlichung der angesprochenen legal opinion. Wir sollten uns darüber aber auch nicht zu sehr aufregen, denn es ist eben eine legal opinion und kein Urteil eines Verfassungsgerichts. Die Frage, wie wir damit umgehen, ist unsere politische Entscheidung.

Wir müssen aber die Frage der Zusammenarbeit und des Zusammenwirkens der Institutionen des Europarats sorgfältig im Auge behalten. Ich glaube, es kann niemand ein Interesse daran haben, einen institutionellen Konflikt zwischen der Versammlung und dem Ministerkommittee weiter zu eskalieren.

Ich glaube, der Report von Frau de Sutter – mit den jetzt geschlossenen Amendements – ist eine ausgewogene und praktikable Lösung für das weitere Verfahren und ich kann für mich persönlich wie auch für den überwiegenden Teil der deutschen Delegation sagen, dass wir diesem Vorschlag zustimmen werden.

Vielen Dank.

Andrej HUNKO, Deutschland, UEL/GUE
(Doc. 14621)

Vielen Dank Herr Präsident!
Vielen Dank Frau Berichterstatterin De Sutter!

Ich glaube, dass dieser Bericht und die Resolution sowie die Empfehlungen ein guter Kompromiss sind. Ich würde das gerne begründen.

Auf der einen Seite haben wir die legal opinion, die sozusagen die Möglichkeit ausschließt, Credentials aus politischen Gründen anzufechten. So weit geht der Bericht nicht. Auf der anderen Seite haben wir eine Reihe von Änderungsanträgen, die es aus meiner Sicht zu einfach machen, Credentials anzufechten und auch die Stimmrechte zu entziehen.

Das sind die zwei zentralen Auseinandersetzungen, die wir diskutieren.

Meines Erachtens geht es darum, ob wir das System der Europäischen Menschenrechtskonvention mit seinem Gerichtshof, der 830 Mio. Menschen auf europäischem Boden und auch jedem Flüchtling im Mittelmeer Schutz bietet, erhalten, oder ob wir dazu beitragen, dass dieses System geschwächt wird.

Wir wissen, dass der Gerichtshof von verschiedenen Seiten unter Druck steht: Zum einen gibt es in einer zunehmenden Zahl von Staaten Verfassungsvorbehalte gegenüber den Entscheidungen des Gerichtshofs, zum anderen zögert die Europäische Union immer noch der Menschenrechtskonvention beizutreten. Es gibt auch Mitgliedstaaten – nicht nur Russland – die immer wieder versuchen, die Kompetenzen des Gerichtshofs einzuschränken. Ich glaube es ist zentral, dieses System zu verteidigen.

Aber ist es denkbar, dass einer nationalen Delegation, egal welcher, auf Dauer ein Stimmrecht bei der Wahl der Richter entzogen wird und anschließend von dem Land erwartet wird, dass es die Urteile umsetzt? Das wird auf Dauer, glaube ich, nicht möglich sein. Deswegen finde ich es richtig, dass ein Stimmrechtsentzug bei der Wahl von Richtern oder anderen Organen des Europarats, wie die des Generalsekretärs oder des Menschenrechtskommissars, ausgeschlossen wird.

Ein weiterer Punkt: Wir können mit einfacher Mehrheit Delegationen ihre Credentials entziehen, aber wir benötigen eine Zweidrittelmehrheit in dieser Versammlung um die Tagesordnung ändern zu können. Das ist nicht stimmig. Daher finde ich den Vorschlag, die Mehrheit bei der Abstimmung über Credentials ebenfalls auf Zweidrittel anzuheben richtig.

Das ist ein guter Kompromiss, und auch wenn dieser Vorschlag in dieser Form angenommen wird, wird es für die russische Delegation schwierig sein, zu entscheiden ob sie zurückkommt oder nicht.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Kęstutis Masiulis, Litauen, EPP/CD
(Doc. 14621)

Sehr geehrte Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Keiner von uns zweifelt daran, dass wir hier keine Reglementänderungen debattieren, sondern die russische Übermacht. Russland wirkt wie ein Verbrecher, der Menschenrechte, Verträge und Pflichten ignoriert, die das Land selbst unterschrieben hat. Russland hat zuerst einen Teil Moldawiens, anschließend in Georgien, dann die Krim, dann Lugansk und Donezk annektiert.

Zwischen Russland und der Ukraine gibt es zwar keinen Konflikt aber eine reine Aggression seitens Russlands gegenüber der Ukraine.

Chemische Waffen sind verboten, aber Russland setzt diese dennoch ein, nicht in seiner Heimat, sondern anderswo, z. B. der Angriff mit Polonium in London.

Russland greift überall das Internet an, insbesondere in seinen Nachbarländern. Russland manipuliert Wahlen, hat keine freie Medien. Russland attackiert auch die Wahlen in verschiedenen anderen Ländern, sogar in den Vereinigten Staaten.

Was sollten wir machen? Sollten wir für diese Verbrecher einen Weg zurück zum Europarat organisieren. Dafür müssen wir meiner Meinung nach einen anderen Weg finden. Die Sanktionen gegen Russland müssen verstärkt werden, wir sollten noch weitergehen und Russland ausschließen. 

Aber wir machen alles für diesen Verbrecher. Russland ignoriert alles, zerstört all das, was man zerstören kann, sogar Menschenrechte.

Verbessert das die Moral unserer Organisation? Nein, das verschlimmert sie nur noch um das Hundertfache.

Jetzt haben wir auch in unseren Ländern Probleme. Dann könnten wir doch gleich Saddam Hussein hierher einladen.

Entschuldigung, aber mir gefällt nicht, was wir hier machen!