AL18CR35

AS (2018) CR 35
Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2018

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(4. Teil)

BERICHT

35. Sitzung

Donnerstag, 11. Oktober 2018, 15.30 Uhr

Axel SCHÄFER, Deutschland, SOC
(Dok. 14623)

Frau Präsidentin!
Lieber Kollege Ramos!
Liebe Kollegin Mosler-Törnström!

Es ist ein wichtiger Bericht, über den wir heute diskutieren. Und weil er wichtig ist, kommt es darauf an, dass wir ihn einordnen: einordnen auf der einen Seite dahingehend, dass die Menschen heute durch Globalisierung viel stärker unter zentralistischen, unter zentral bestimmten Verhältnissen leben und dass sie gleichzeitig eine verstärkte Sehnsucht nach Heimat, nach Geborgenheit, nach überschaubaren Einheiten haben.

Gleichzeitig müssen wir wissen, dass Zentralisierung im Staatswesen nicht undemokratisch ist, andererseits sind aber alle undemokratischen Staatswesen zentralistisch. In diesem Spannungsfeld steht m. E. dieser Bericht und die darin enthaltenen Vorschläge und auch die Analyse werden von meiner Fraktion insgesamt auch geteilt.

Wenn wir über die Stärkung von Regionen und Gemeinden reden und dabei die besondere Verantwortung der nationalen Parlamente im Blick haben, ist klar, dass unsere Verantwortung als nationale Abgeordnete auch im europäischen Rahmen immer bedeutet, dass wir für die Gleichwertigkeit der bei uns lebenden Menschen kämpfen müssen.

Und dass wir genau schauen, wie das mit Selbstverwaltung auf lokaler Ebene einhergeht, auch einhergehen muss. Selbstverwaltung heißt nun einmal, dass die Menschen vor Ort ihre eigenen Angelegenheiten mit eigenen Organen, mit eigenen finanziellen Mitteln, auch mit eigenen Regeln und eigenen Vertretungen gestalten können. Wenn wir heute auf die Praxis in manchen Ländern schauen, müssen wir leider auch feststellen, dass die Organe nicht über die Gestaltungsspielräume verfügen, die sie brauchen oder manchmal auch, die sie hatten und dass Finanzen immer noch eine Domäne des Nationalstaates sind, d. h. man kann auf lokaler Ebene finanziell nur bestimmte Dinge korrigieren.

Ich möchte aber besonders darauf hinweisen, dass viele von uns, die hier in diesem Saal als Parlamentarier aktiv sind, aus kommunalen Mandatszusammenhängen kommen, entweder, weil sie dort Gemeindevertreter waren oder in der Administration gearbeitet haben.

Wenn man in der Politik nach vorne geht, ist es immer wichtig auch zu schauen, wo man herkommt ,dass man sich an die eigenen Schwierigkeiten auf lokaler Ebene erinnert und gleichzeitig natürlich bei seiner alltäglichen Arbeit diese Rückkoppelung auch hat.

Wir müssen unserer Selbstverständnis deswegen auch deutlicher artikulieren. Die lokale Ebene, die kommunale Selbstverwaltung ist eben nicht der Keller der Demokratie, sondern eine Säule. Der Nationalstaat ist die Zentrale, auch in einem vereinten Europa, aber die europäische Gemeinschaft, der Europarat sind eben diese Säulen wie die kommunale Ebene auch.

Wenn wir über Europa reden, reden wir auch über unsere Errungenschaften. Im nächsten Jahr finden die Wahlen zum Europäischen Parlament statt. Wir haben das europäische Wahlrecht auf kommunaler Ebene, ein wichtiger Erfolg.

Wir haben aber in vielen Staaten noch kein sogenanntes kommunales Wahlrecht und wir sollten genau die heutige Diskussion dazu nutzen, dies einzufordern.

Denn schließlich heißt Demokratie: Die Menschen vor Ort mischen sich in ihre Angelegenheit ein und das ist auch gut so.

Roland Rino BÜCHEL, Schweiz, ADLE / ALDE
(Dok. 14623)

Geschätzter Herr Vorsitzender!
Geschätzte Anwesende!

Ich glaube es ist kein Zufall – Herr Roca hat dies ebenfalls gesagt –, dass mehr als ein Viertel, sogar ein Drittel, der Leute, die gesprochen haben, aus Spanien kommen. Dies ist angesichts der zur Dezentralisierung geführten Diskussionen dort nachvollziehbar.

Ich gratuliere allen Zuständigen zu dem sehr guten Report. Es ist wichtig, dass wir das diskutieren. Und wenn es uns heute tatsächlich ernst ist damit, das Mögliche zu veranlassen, um die Dezentralisierung in unseren Mitgliedsstaaten zu fördern und mehr auf lokale Bedürfnisse achtzugeben, dann ist es ein guter Tag in der 70-jährigen Geschichte dieses Rates. Ich bin da mit Herrn Soleim aus Norwegen einer Meinung.

Der heutige Beschluss wird erstens helfen, das Vertrauen in die Arbeit der staatlichen Behörden aufzubauen, und zweitens, wo nötig – und das ist vielerorts der Fall – wiederherzustellen. Ich komme aus einem Land, das seit jeher dezentralisiert aufgebaut ist. Und ich bin überzeugt, dass es den Menschen in der Schweiz auch darum gut geht, weil die Dinge zuerst in der Gemeinde, dann im Kanton – also in der Provinz – und erst zum Schluss auf Bundesebene angepackt werden. Herr Simms aus Kanada hat ein wunderbares Votum dazu abgegeben, wie es auch in seinem Land funktioniert.

Dieses Prinzip der Subsidiarität ist quasi Teil der DNA unseres Landes.

Matchentscheidend ist aber nicht nur das, sondern auch die direkte Demokratie. Das ist jene Staatsform, in welcher wir Politiker eher wenig, die einzelnen Menschen aber umso mehr zu sagen haben. Herr Bildarratz hat das gut ausgeführt. Das mag dem Ego von uns Politikern wehtun, wenn wir weniger zu sagen haben. Für die Bürgerinnen und Bürger ist es jedoch ein Segen.

Ich bin hocherfreut zu sehen, dass alle 47 Mitgliedsstaaten des Europarates die europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung ratifiziert haben. Ich war mir dessen nicht bewusst. Der kroatische Vorsitz des Ministerkomitees hat die Dezentralisierung als Priorität aufgenommen. Das wird den Anliegen in den Mitgliedstaaten neuen Schwung verleihen.

Warum halte ich das für so wichtig? In den letzten Jahren und Monaten hatte ich den Eindruck, dass die Prozesse zur Dezentralisierung in einigen Ländern ins Stocken geraten – Herr Reiss hat das auch für Frankreich erwähnt. Es wurde auch nicht mehr dezentralisiert. Vielerorts wurde vielmehr zentralisiert. Offenbar ist Norwegen ein gutes Beispiel in die Gegenrichtung.

Kämpfen wir doch zusammen dagegen an, dass immer mehr zentralisiert wird! Helfen wir so mit, dass das Vertrauen in die Demokratie in unseren Gesellschaften wieder gestärkt werden kann!

Wichtig ist die Bereitschaft von uns allen, Macht abzugeben. Das müssen wir natürlich, wenn wir vermehrt dezentralisiert sind, dann geben wir Macht ab. Wenn wir wirklich dafür bereit sind, dann wird es den Menschen in unseren Ländern besser gehen.

Zum Schluss noch ein paar Worte zu den Finanzen: Wenn man den Resolutionsentwurf durchliest, könnte man meinen, dass das Ganze Geld kosten würde. Ich bin überzeugt, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Und obwohl Herr Howell und Lord Foulkes nicht überall einverstanden waren, waren sie es doch in diesem Punkt.

Man muss natürlich auch die Steuern dort einziehen, wo das Geld ausgegeben wird. Dann passen die Verantwortung und die Kontrolle eben zusammen.

Ich rufe uns alle auf – denn das geht uns alle an – wir müssen hier ehrlich sein: Wirken wir der zunehmenden Zentralisierung entgegen und unterstützen wir die Trendumkehr! Denn ich glaube, es geht in die andere Richtung. Wenn wir das tun, werden das vor allem die Menschen in unseren Ländern schätzen.

Vielen Dank.

Gabriela HEINRICH, Deutschland, SOC
(Dok. 14606, Berichterstatterin)

Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir haben hier in den letzten Monaten herausragende Berichte zum Thema Gewalt gegen Frauen und dringend benötigte Schutzmechanismen der Mitgliedsstaaten gehört, besonders im Hinblick auf weibliche Flüchtlinge. Der Bericht, den ich hier heute vorlege, hat eine andere Intention: Es soll darum gehen, wie es gelingen kann, die Perspektiven, die Potenziale, die Teilhabe von Migrantinnen – von neu hinzu gekommenen Frauen in unsere Gesellschaften zu unterstützen.

Bisher waren vor allem die Männer im Fokus der Integrationsbemühungen. Weil insgesamt über die Jahrzehnte hinweg mehr Männer als Frauen migrierten, weil in den letzten Jahren deutlich mehr Männer als Frauen als Flüchtlinge in unsere Länder gekommen sind und weil die Integration von Männern in den Arbeitsmarkt logisch und dringlich erscheint. Wenn wir aber zum Ziel haben, dass die neu Hinzugekommenen unsere Gesellschaften stärken sollen, wenn sie zu kulturellem und wirtschaftlichem Reichtum beitragen sollen, dann müssen wir Männern und Frauen die Teilhabe gleichermaßen ermöglichen

Frauen sind ein wichtiger Teil im Integrationsprozess: Aufgrund ihrer Potenziale, Kenntnisse und Erfahrungen, aufgrund ihrer Rolle in den Familien als Erzieherinnen ihrer Kinder und auch in der Rolle von Töchtern, die vielleicht eine andere Idee von Verwirklichung haben, als manche Tradition sie vorzugeben scheint.

Tatsache ist, dass in Deutschland noch 2015 der Anteil von weiblichen Flüchtlingen bei 30 % lag und mittlerweile auf 40 % gestiegen ist. Der weibliche Anteil bei denjenigen, die als Arbeitsmigranten kommen, liegt ähnlich hoch. Nach einer OECD-Studie nehmen jedoch Frauen weitaus weniger an Integrationsmaßnahmen – zum Beispiel Sprachkursen – teil als Männer. Sie erzielen aber häufig bessere Ergebnisse. Verschiedene Studien zeigen auch, dass neu hinzugekommene Frauen deutlich weniger Kontakte zu Menschen außerhalb ihrer nationalen Gruppen oder auch ihrer Familie haben als Männer.

Es gibt viele Gründe, warum Frauen durch Integrationsmaßnahmen weniger erreicht werden und warum sie weniger sichtbar sind. Weil sie Familienfrau- en sind und ihre Kinder betreuen, weil die Tradition die Männer in den Vordergrund schiebt, weil sie durch soziale Kontrolle behindert werden und manche auch, weil sie furchtbare Dinge erlebt haben, die sie nicht oder noch nicht verarbeiten konnten. Gerade deshalb müssen wir alle Frauen über ihre Rechte informieren, sie unterstützen, ihre Rechte wahrzunehmen und ihre Potentiale zu nutzen.

Ich habe Frauen kennengelernt, die Opfer von Gewalt, auch und vor allem sexueller Gewalt wurden und die dringend lernen und arbeiten möchten, um ihrem Leben eine positive Richtung zu geben. Und wir dürfen auch eines nicht vergessen: Natürlich kommen auch sehr gut ausgebildete Frauen zu uns: Ein Beispiel sind die Ärztinnen, Krankenschwestern und Pflegerinnen, die für das deutsche Gesundheitssystem zum Beispiel unverzichtbar sind.

Es gibt viele Ansätze in unseren Ländern, um Frauen zu integrieren und ihnen Teilhabe zu ermöglichen. Ich habe mich entschieden, einen Best-Practice-Bericht vorzulegen, weil es eben auch schon besonders viele sehr gute Projekte und Strukturen gibt. Ich denke, wir sollten sie mehr beachten und vielleicht auch einiges übernehmen, soweit es sinnvoll ist. Bei zwei Factfinding Missions – eine nach Oslo und eine nach Mailand – konnte ich die verschiedenen Migrationspolitiken, die unterschiedlichen Strukturen und die unterschiedlichen Projektansätze in diesen Ländern kennenlernen. Dazu kommen Projekte aus Deutschland, die ich seit längerem kenne – aus Berlin oder auch aus meiner Heimatstadt Nürnberg.

An dieser Stelle möchte ich mich sehr herzlich bedanken bei allen, die mich bei diesem Bericht unterstützt haben. Ganz besonders bei der norwegischen Delegation, die in Oslo Zeit für meine Fragen hatte. Ebenso bei meinen italienischen Gesprächspartnerinnen – hier allen voran Milena Santerini, unserer ehemaligen Kollegin.

Sie finden in diesem Bericht aber auch Projekte aus Österreich und aus den Niederlanden. Verschiedene Kolleginnen und Kollegen haben mir einige Beschreibungen aus ihren Ländern geschickt und so ebenfalls am Bericht mitgearbeitet.

Insgesamt möchte ich allen Kollegen und Kolleginnen aus dem Ausschuss für Gleichstellung und Nicht-Diskriminierung für die positive und konstruktive Begleitung des Berichts danken – es war eine sehr angenehme Arbeit. Weil ich beim Dankesagen bin: Kein Bericht würde in dieser Form vorliegen können ohne die unterstützende Begleitung durch das Ausschusssekretariat. Danke für die immer motivierende und ideenreiche Hilfestellung.

In unseren unterschiedlichen Ländern gibt es sehr verschiedene Ansätze in Hinblick auf die Integration von Frauen, die natürlich von den Unterschieden in unseren Gesellschaften geprägt sind. Norwegen, wo deutlich mehr Frauen erwerbstätig sind als z. B. in meinem Land, setzt auch bei der Integration und Teilhabe von Frauen auf die Befähigung zur Erwerbstätigkeit und investiert sehr viel in das Empowerment von Frauen, sowohl finanziell als auch in Hinblick auf die geschaffenen Unterstützungsstrukturen.

Italien hingegen setzt stärker auf Beratung – Rechtsberatung, Gesundheitsberatung, und auch auf Projekte gegen Gewalt gegen Frauen. In Italien gibt es überproportional viele Frauen, deren Familien in den Herkunftsländern verbleiben und die im häuslichen Bereich arbeiten.

In Deutschland stehen Beratung und Information ebenfalls im Vordergrund. Es wird viel investiert in die Unterstützung von Familienfrauen und ihre Rolle als Ehefrauen und Mütter.

Damit die verschiedenen Projekte, die hier beschrieben werden, ein bisschen eingeordnet werden können, habe ich sie unter verschiedene Überschriften gestellt, die die Intention deutlich machen. So gibt es sehr niedrigschwellige Ansätze gerade für Frauen, die sehr schwer zu erreichen sind und von sich aus nicht unbedingt aktiv werden. Ein Beispiel ist das Projekt Multikulti in Wien. Hier werden Frauen und Mütter auf Spielplätzen direkt angesprochen, um ihnen Beratungsangebote zu gesundheitlichen Fragen, Freizeitprogramme, aber auch Deutschkurse anbieten zu können. Diese Frauen würde man sonst nicht erreichen.

Es wurden viele Projekte aufgenommen, die das Selbstbewusstsein stärken, aber auch die Eigeninitiative von Frauen und auf Erfahrungsaustausch setzen. Als Beispiele dienen Seema in Norwegen, das viel verbreitete Konzept der Stadtteilmütter in Deutschland oder auch die Yasmin Foundation in den Niederlanden.

Seema, gegründet von einer akademisch ausgebildeten Norwegerin mit indischen Wurzeln, fördert junge Akademikerinnen, die trotz herausragender Ausbildung ein Netzwerk brauchen, um beruflich durchstarten zu können.

Die Stadtteilmütter haben Zugang zu Familien und beraten in allen Fragen hinsichtlich Bildungssystem, Sozialsysteme und Alltagsproblemen und bringen ihre eigenen Erfahrungen als neu Hinzugekommene mit.

Die Yasmin Foundation in Den Haag definiert sich als Partizipationszentrum, das Frauen dabei unterstützt, ihre Talente zu entwickeln. Ziel ist es, die Frauen in Ausbildung, Erwerbsarbeit oder ehrenamtliche Arbeit zu bringen.

Ebenso beschrieben werden strukturelle Angebote in den verschiedenen Ländern – als ein Beispiel möchte ich hier das House-of-Rights des Mailänder Stadtrats nennen, das kostenlose Rechtsinformationen und -beratungen anbietet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesem Bericht wurde eine Vielzahl von sehr nachahmenswerten Projekten beschrieben, die alle das Ziel haben, Frauen in ihren neuen Heimatländern zu fördern und zu motivieren. Sie haben alle sehr viel Power und viel Erfahrung. Und sie sind natürlich nur ein kleiner Teil von dem, was es darüber hinaus noch gibt.

Was sehr klar geworden ist: Wenn wir die Integration von Frauen stärken wollen, müssen wir die Gleichstellung stärken und ihre Rechte sowie ihre Selbstbestimmung schützen – innerhalb der Familie und außerhalb. Der Schutz gegen Gewalt ist immens wichtig, aber er ist nur Voraussetzung dafür, dass neu hinzugekommene Frauen in unseren Gesellschaften erfolgreich sein können.

Vielen Dank.

Sitzungspräsidentin

Vielen Dank Frau Berichterstatterin. Sie verfügen am Ende der Debatte über 3 Minuten und 45 Sekunden verfügen. 

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC
(Dok. 14626, Dok. 14606, Dok. 14630)

Danke sehr Frau Präsidentin!

Ich möchte den drei Berichterstatterinnen meinen herzlichen Dank für ihre Beiträge aussprechen, denn sie legen den Finger auf ein sehr ernstes Thema.

Frau Heinrich sagt, dass Frauen oft nicht gesehen werden, genau das ist es! Wenn wir das ganze Leid der Flucht, die Traumatisierung, den Missbrauch in Rechnung stellen, kann man sehen, dass für die Frauen, die bei uns ankommen, der sofortige Integrationsprozess viel zu kompliziert und zum Teil viel zu zynisch läuft.

In meinem Land hat eine Behörde vor kurzem eine Entscheidung über ein Ehepaar getroffen und gemeint, man könne über Skype eine Ehe aufrechterhalten und die Frau des Landes verwiesen. Das ist Zynismus und Verhöhnung und widerspricht allen Formen von dem, was wir unter Familienzusammenführung verstehen.

Ich möchte wieder an das anknüpfen, was Frau Heinrich gesagt hat. Natürlich wurden viele Fehler gemacht, denn die Integrationsprogramme waren sehr männlich und darauf ausgelegt, schnell Jobs zu finden. Gelänge es uns aber, die Frauen zu integrieren, wären wir grundsätzlich zwei- bis dreimal schneller. Wenn wir Frauen integrieren und ihnen ihre Würde und Selbständigkeit zurückgeben, helfen sie uns mit, ihre Männer und Kinder zu integrieren. Genau dieser Punkt ärgert mich so am System.

Frau Heinrich hat einige Beispiele angeführt und ich frage nun in die Runde: Hat jemand vor, in der nächsten Zeit nach Wien zu fahren? Wenn ja, dann buchen Sie Ihren Aufenthalt in Magdas Hotel, denn das wird von Flüchtlingen geführt. In so einem Projekt gibt man ihnen die Verantwortung in allen Bereichen zurück. Wenn Sie in Wien ein Zimmer in diesem Hotel buchen, werden Sie sehen, wie wunderbar das funktioniert, wie fröhlich diese Menschen sind und wie ihr Selbstwertgefühl wieder zurückkehrt. Unter denen, die das Hotel führen, gibt es sehr viele Frauen und vielleicht könnte man in Nürnberg oder anderen Städten ähnliche Projekte ins Leben rufen.

Mein Vorsprecher hat dem Roten Kreuz gedankt, ich möchte aus aktuellem Anlass ebenfalls einen Dank aussprechen, nämlich dem ganzen Team von Aquarius. Dieses Schiff hat so viele Frauen und Kinder gerettet und irrt jetzt ohne Flagge auf Druck eines unserer Mitgliedsländer herum, ohne anlegen zu können. Ich hoffe sehr, dass dieses Problem bald gelöst wird und dass das Team von Aquarius bald wieder Menschenleben retten kann, darunter auch das vieler Frauen.

Für unbegleitete Minderjährige bedarf es an Sofortprogrammen. Sie dürfen unter keinen Umständen in Flüchtlingslager gebracht werden, denn sie benötigen Größtenteils eine individuelle Betreuung.

Nun komme ich zum letzten Punkt: Von diesem Platz aus habe ich vor weniger Zeit hinsichtlich Syrien und insbesondere Jordanien einen dramatischen Appel gemacht. Damals habe ich gesagt, dass wir ein ausschließlich Frauen und Mädchen vorbehaltenes Flüchtlingslager benötigen, dass von internationalen Sicherheitskräften beschützt wird. Ich glaube das gilt nach wie vor.

Vielleicht sollte die Europäische Union sich überlegen, wie sie das Geld z. B. in Libyen anlegt, denn das kann sie noch immer nicht nachweisen. Vielleicht sollte man dort anfangen und ein international geschütztes Lager nur für Frauen und Mädchen einrichten.

Danke.

Sitzungsvorsitzende

Dankeschön!

Gabriela HEINRICH, Deutschland, SOC
(Dok. 14606, Antwort der Berichterstatterin)

Vielen Dank Herr Präsident!

Ich darf mich sehr bedanken für die freundlichen Worte zu dem Bericht, den wir heute vorgelegt haben.

Ich denke, es ist auch in vielen Reden durchaus sichtbar geworden, dass hier in der Versammlung die Frauen auch als Teil eines Systems und als systemrelevant angesehen werden und deshalb für die Integration so wichtig sind. Gerade eben wurde das auch an dieser Stelle noch einmal gesagt.

Mir ist es wichtig, noch einmal auf die Kollegen aus der Türkei einzugehen, Herrn Şahi̇n und Frau Çeli̇k. Mir ist sehr wohl bewusst, dass die Türkei sehr viel leistet und geleistet hat für die vielen, vielen Flüchtlinge, die dort aufgenommen wurden. Leider war es uns aus verschiedensten Gründen nicht möglich, die Informationen so zu erhalten, dass wir sie in den Bericht einarbeiten konnten. Das ist sehr schade, aber wir sind ja noch nicht am Ende des Prozesses angelangt.

Wir müssen uns auch mit Arbeitsmigration beschäftigen – so wie von Herrn Bakradze angesprochen. Dieser Bericht beschäftigt sich ja nicht nur mit Flüchtlingsfrauen, sondern er beschäftigt sich mit neu hinzugekommenen Frauen in unseren Gesellschaften und sie alle brauchen Unterstützung, auch wenn sie von sich aus Unterstützung nicht einfordern mögen.

Wichtig ist auch, folgendes zu erwähnen – mein Kollege Heinrich hat darauf hingewiesen: Wir haben Erfahrung mit der Integration von sogenannten Gastarbeitern in Deutschland. Was wir heute bei der Arbeitsmigration bemerken ist, dass Fehler wiederholt werden, die wir nicht noch einmal machen sollten, nämlich, dass die Männer durch die Arbeit integriert werden und die Frauen weiterhin außerhalb des Prozesses bleiben.

Ich habe bei diesem Bericht sehr viele wirklich tolle Projekte kennenlernen dürfen und ich darf mich vielleicht auf den Aktionsplan Norwegen beziehen, der – soweit ich das übersetzt bekommen habe, soviel heißt wie „das Recht über sein eigenes Leben zu entscheiden“. Natürlich sind all diese Fragestellungen zur Integration von Frauen letztendlich auch ganz wichtig dafür, dass man sagen muss: ja, das ist der beste Schutz, weil es Frauen ermöglicht, selber zu entscheiden, wie sie leben wollen, wie sie sich integrieren wollen und auch, wie sie es schaffen können, ihre Familien mitzunehmen – so wie am Anfang bereits gesagt wurde.

Das Kanada heute hier mit drei Rednerinnen aufgetreten ist, ist nicht verwunderlich für Kanada als wichtige Nation und Einwanderungsland. Auch hier werde ich noch einmal intensiv hinschauen, weil es dort sicherlich noch viele gute Beispiele gibt.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, tragen Sie mit dazu bei, dass Frauen im Integrations-, im Migrationsprozess mehr gesehen werden. Schauen Sie hin: Wie wird finanziert? Welche Projekte werden finanziert? Wer wird davon angesprochen? All das liegt in unseren Möglichkeiten. Schenken wir Ihnen mehr Aufmerksamkeit, sehen wir sie mehr. Ich glaube, viel mehr kann dieser Bericht an der Stelle heute nicht erreichen.

Ich habe es aber immer so verstanden: Unsere Berichte sind nicht der Schlusspunkt eines Prozesses, sondern der Beginn, indem wir in unseren Heimatländern etwas verbessern.

Vielen Dank.

Gabriela HEINRICH, Deutschland, SOC
(Dok. 14606, Amendement 1)

Ich bin deshalb dagegen, weil an dieser Stelle eindeutig die Europäische Union für ihre Migrationspolitik kritisiert werden soll und nicht die parlamentarische Versammlung des Europarats. An der Stelle geht es nicht darum, den Europarat zu kritisieren. Deshalb möchte ich dieses Amendement ablehnen.

Gabriela HEINRICH, Deutschland, SOC
(Dok. 14606, Subamendement 1 zu Amendement 3)

Der Antrag, der hier vom Migrationsausschuss gestellt wurde, ist völlig korrekt und zu unterstützen, aber nach unserer Auffassung an der falschen Stelle, d. h. wir möchten ihn nicht, wie beantragt hinter 8.2 ziehen, sondern hinter den Paragraphen 8.8.

Gabriela HEINRICH, Deutschland, SOC
(Dok. 14606, Subamendement 1 zu Amendement 6)

Das Amendement ist gut und richtig und verbessert den Bericht, aber wir schlagen vor, dass er im Paragraphen 8.5 eingefügt wird, sondern ein eigener Paragraph hinter 8.5 eingerichtet wird, also dann 8.6.